Wir waren die letzten beiden Fahrgäste im Bus. Ich mit Wanderschuhen und Rucksack, er gut und gern 15 Jahre älter als ich, weit im Pensionsalter, aber sehnig, durchtrainiert, die Muskeln zeichneten sich unter dem hautengen Jogginganzug in neongrellen Farben ab. Als der Bus in die Wendeschlaufe am Waldrand oberhalb Grenchen einbog, stand er bereits an der Tür. Sobald sie sich öffnete, sprang er hinaus und trabte los. Bis ich den Rucksack geschultert hatte, war er schon nicht mehr zu sehen. Beneidenswert, dachte ich. Andere schätzen sich in dem Alter glücklich, wenn sie noch ohne Rollator zum Einkaufen gehen können. Während ich gemütlich durch den Herbstwald zockelte, ging mir dieser Herr nicht mehr aus dem Sinn. Es wäre spannend gewesen, sich mit ihm zu unterhalten. Über den Sport, die Fitness. Über Beziehungen, Ängste, Freuden, den Glauben. Darüber auch, wie er sich zu Leben und Tod stellt und wie man gut altert. Hätte er Antworten parat? Oder würde er sich als einer entpuppen, der verbissen gegen das Nachlassen seiner Kraft kämpft, was ihm von Jahr zu Jahr schwerer fällt? Hätte er darob vergessen, dass es auch andere Themen gibt und dass das Alter nicht nur nimmt, sondern auch gibt? Würde er deswegen hadern? Aber vielleicht, dachte ich, ist er nicht nur ein gut trainierter Mensch, sondern auch einer, der sich mit seinem Leben auseinandersetzt. Möglicherweise würde er sich als weiser Mann entpuppen, der mit sich im Reinen ist. Einer, dem man sich anvertraut, weil man weiss, dass er im richtigen Moment spricht und im richtigen Moment schweigt. Und dass sein Sprechen und sein Schweigen guttun und Mut machen. Einer, der in seinem Leben Gelassenheit und Vergebung gelernt hat und sich selber nicht mehr so wichtig nimmt. Das trockene Laub raschelte unter meinen Füssen, und ich dachte: So will ich altern.