In früheren Zeiten war es Usus, symbolische Bauten von ehemaligen «Exekutiv-Politikern», damals eher «Herrscher» genannt, niederzureissen. Römische Kaiser verfolgten diese Praxis genauso wie die Venezianer, als sie Athen einnahmen und die Akropolis dem Erdboden gleich machten. Nun, in Bern läuft bekanntlich alles etwas langsamer, daher scheint die Bundeshauptstadt noch nicht ganz in der Epoche der zivilisierten Welt angekommen zu sein.
So liebäugelt der Stadtberner Gemeinderat damit, den Baldachin, die gläserne Überdachung über dem Bahnhofplatz, abzureissen. Stadtplanerische Visionen zu haben ist richtig und wichtig. Im Falle des Baldachins ist es jedoch so, dass das Bauwerk erst vor rund 15 Jahren und für 61 Mio. Franken (!) erbaut wurde – und eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste Herzensprojekt von alt-Stadtpräsident Alexander Tschäppät (†) war. Der aktuelle Gemeinderat scheint in Abbruchstimmung zu sein und sprach sich vergangene Woche für einen möglichen Abriss des Tschäppät-Vermächtnisses aus. Dies zeugt nicht nur von mangelndem Respekt gegenüber des legendären, ehemaligen Stadtvaters – und damit von schlechtem Stil – sondern auch davon, dass sich der Berner Gemeinderat einen Dreck um Nachhaltigkeit schert. Aber bekanntlich zeigen Politikerinnen und Politiker oft erst in der Phase als «Lame Duck», also kurz vor dem Ende der Amtszeit oder einer wahrscheinlichen Abwahl, ihre wahren Gesichter.
Alexander «Tschäppu» Tschäppät pflegte zu Ende seiner Amtszeit stets zu sagen, dass «Bern ihn noch als Stapi vermissen werde». Er sollte Recht behalten. Bern bräuchte wieder mehr Alex, und weniger Alec.