Im Matte-Quartier mit seinen rund 1200 Einwohnenden grüsst man sich, weil man sich kennt. Und wenn’s drauf ankommt, halten die Mätteler zusammen – wie bei der geplanten Schliessung der Kita Matte.
Guenael Koepplin, seit April dieses Jahres Präsident des 144-jährigen Matte-Leists, bringt es auf den Punkt, was den Reiz des Quartiers an der Aare ausmacht: «Es sind in erster Linie die Bewohnerinnen und Bewohner. Entgegen dem verbreiteten Image, die Mätteler seien verschlossen, erlebe ich sie völlig anders. Wir leben hier wie in einem Dorf – und dies mitten in der Stadt Bern.» Wohl nicht zuletzt die beiden Hochwasser-Katastrophen 1999 und 2005 hätten die Anwohnenden noch mehr zusammengeschweisst. Koepplin, ein «zugezogener» Matte-Bewohner, fühlte sich denn auch sofort wie zu Hause, «das habe ich so noch nie erlebt», schwärmt er. So war es für ihn klar, sich für dieses Quartier zu engagieren, dies seit fünf Jahren im Matte-Leist. «Ja, ich empfinde es als Privileg, in der Matte wohnen und arbeiten zu dürfen.»
Zufrieden mit dem Gassenbild
Schlendert man durch die niedrigen Lauben in der Gerberngasse und Schifflaube, sind hingegen einige verrammelte Läden auszumachen. Auffallend sind die zahlreichen Coiffeur-Geschäfte. «Ja, wir nennen die Strecke auch ‹Beauty-Meile› », lacht Guenael Koepplin. Er beklagt aber beispielsweise das Fehlen einer Bäckerei oder Metzgerei. «Es sind nicht die Kunden, die fehlen, sondern die Fachkräfte und somit Nachfolger», so seine Begründung. Man wünsche sich schon eine gute Balance zwischen Wohnen und Gewerbe. «Zu einem Dorf gehört schliesslich die entsprechende Infrastruktur.» Nicht verstecken muss sich die Matte hingegen in Bezug auf die Gastronomie: Mit sieben gemütlichen Wohlfühloasen ist das Quartier gut bestückt.
Der Zweckartikel der Leist-Statuten hält unter anderem fest, dass sich der Leist «für die Erhaltung des Gassenbildes» einsetzt. Wie verhält es sich damit? Guenael Koepplin sieht gegenwärtig nichts, was man verbessern müsste. «Wir streben kein zweites Ballenberg-Museum an. Es ist ein Quartier, wo gelebt wird, das sich im Laufe der Zeit verändert.» Wenn jemand seine Wäsche zum Trocknen vors Fenster hänge, interveniere man nicht, nennt er ein Beispiel. Etwas mehr Aussenplätze zum Verweilen der Aare entlang würden allerdings zur weiteren Belebung beitragen. Nach den Bauarbeiten für den Hochwasserschutz könnte sich der Leist-Präsident «sympathischer aussehende Änderungen» vorstellen.
Erfolgreich interveniert
Im laufenden Jahr kann das Quartier auf einige Höhepunkte blicken, die über das Leist-Gebiet hinausstrahlten, so zum Beispiel das vom Verein «Mätte läbt» organisierte Matte-Fest anfangs Juni. Oder das «Schifferstäche» am 17. August, welches der Verein «Berner Schifferstechen» organisierte. Dieser alle zwei Jahre stattfindende Event ist eine Art Ritterturnier auf dem Wasser. Der Anlass steht unter dem Patronat der Stadt Bern und der Burgergemeinde Bern. Der Leist organisiert mit Ausnahme des jährlichen Leist-Apéros keine Anlässe selber, ist aber bei den Veranstaltungen vermittelnd tätig und stellt Kontakte her.
Dem Kontakt zu den Stadtbehörden stellt Guenael Koepplin grossmehrheitlich ein gutes Zeugnis aus: «Der Austausch findet statt – manchmal zwar etwas spät!» So habe die Stadt den Platz vor dem Schulhaus zur Begegnungszone erklärt, der Fussgängerstreifen wurde entfernt, die Kinder ermuntert, auf der Strasse zu spielen. «Das war völlig praxisfremd, die Achse Aarstrasse, Schifflaube und Gerberngasse ist die einzige Durchfahrtsstrasse durch die Matte. Durch unsere Intervention wurde die Zone rückgängig gemacht, der Fussgängerstreifen wieder angebracht.» Angehört und ernst genommen werden die Mätteler auch beim Projekt Mattelift bei der Nydeggbrücke. «Die Notwendigkeit eines zweiten Lifts in der Matte wurde erkannt. Es geht nun noch darum, mit welcher Variante», freut sich der Leist-Präsident.
Problemkind Kita Matte
Die Kita Matte verzeichnet eine sinkende Nachfrage und ist defizitär. Deshalb hat der Gemeinderat der Stadt Bern aus betriebswirtschaftlichen Gründen beschlossen, die Kita Matte 2025 mit der Kita Altenberg zusammenzulegen. Mit einer Petition möchte die Matte-Anwohnerschaft die Schliessung verhindern. Innerhalb von fünf Wochen kamen 1500 Unterschriften zustande. Noch im August wird nun die Petition dem Gemeinderat übergeben. «Ja, wenns drauf ankommt, stehen wir zusammen», sagt Guenael Koepplin stolz auf «seine» Mätteler. Er kann den Entscheid der Stadtregierung nicht verstehen: «Er ist kurzsichtig. Wir bauen Strassen auch nicht bloss für morgen, sondern für die nächsten 30 Jahre.» Er ist überzeugt, dass in absehbarer Zeit wieder geburtenstarke Jahrgänge dafür sorgen, die Kita Matte besser auszulasten. Für ihn ist zweitrangig, ob die Kita von Privatpersonen oder durch die Stadt betrieben wird. «Ich finde es einfach falsch, dass auf dem Rücken der Kinder gespart wird.» Das letzte Wort ist wohl noch nicht gesprochen …