
Jonathan Bennett leitet das Institut Alter an der Berner Fachhochschule BFH. Er sagt: Rentner sind für die Gesellschaft unverzichtbar. Sozial wie auch wirtschaftlich. Doch viele fristen ein isoliertes Dasein.
Was wäre unsere Gesellschaft ohne ältere Menschen?
Eine viel ärmere Gesellschaft. Man würde schnell einmal merken, dass ganz wesentliche Leistungen, Beiträge und Impulse fehlen. Angefangen bei der Unterstützung der Familien: Denken Sie nur an die Betreuung von Enkelkindern oder an die finanzielle Unterstützung von Familien. Zudem sind zahlreiche ältere Menschen heut-zutage zum Glück in der Lage, sich po-litisch und kulturell einzubringen.
Welchen wirtschaftlichen Stellenwert hat denn die Kinderbetreuung seitens der Grosseltern?
Die «normalen» Berufe sind monetär relativ einfach fassbar. Bei den unbezahlten Arbeitsformen gestaltet sich die Erfassung des Werts schon wesentlich schwieriger. Gemäss Bun-desamt für Statistik werden etwa 160 Millionen Stunden Betreuung pro Jahr von Grosseltern geleistet. Wenn man dafür einen Stundenlohn ein-setzt, ist man schnell bei mehreren Milliarden Franken. Nicht zu ver-gessen: Die Kinderbetreuung durch Grosseltern erleichtert es den Eltern, ihrem Arbeitsleben nachzugehen. Das trägt zur wirtschaftlichen Wertschöpfung bei. Im Übrigen betreuen Seniorinnen und Senioren nicht bloss Kinder, sondern auch Gleich-altrige – sie leisten einen essenziellen Beitrag, damit unser Gesundheitssystem nicht überlastet wird.
Wie bringen sich Rentnerinnen und Rentner in die Gesellschaft ein?
Da ist zum einen sicher die organisierte Freiwilligenarbeit, also Einsätze in Programmen der Pro Senectute, des Schweizerischen Roten Kreuzes oder der Kirchen. In diesem Bereich sind ältere Personen eine wichtige Ressource. Gerade während des Corona-Lockdowns wurde vielen klar, was es bedeutet, wenn diese Menschen in ihrem Bewegungsspielraum eingeschränkt sind und sich deshalb in der Freiwilli-genarbeit nicht mehr einbringen können. Auch im Vereinsleben setzen sich viele älte-re Menschen mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung ein.
Wird die Generation der Babyboomer, also die 68er, die Gesellschaft verändern, wenn sie ins Pensionsalter kommt?
Davon bin ich überzeugt. Dank ihnen wird die Sichtbarkeit älterer Leute in der Öffentlichkeit zunehmen; sie sind es gewohnt, sich zu Wort zumelden und für ihre Anliegen einzu-stehen. Natürlich sind Zukunftsprog-nosen heikel, Experten gehen jedoch tatsächlich davon aus, dass die Babyboomer dem Alter quasi ein neues Gesicht verleihen werden. Weil sie politische Forderungen stellen oder indem sie beispielsweise in neuen Wohnformen zusammenfinden.
Vielleicht würden dann weniger ältere Menschen zu-rückgezogen leben.
Sie sprechen ein wichtiges Thema an. Oft wird das Bild vermittelt, wonach Seniorinnen und Senioren ständig aktiv sind und in ferne Länder reisen. Dabei wird manchmal vergessen, dass zum Alter auch das Alleinsein gehört. Lebensläufe sind heute so mannigfaltig, es ist längst normal, keine Kinder zu haben oder sich scheiden zu lassen.
Genau. Etwa dann, wenn man sich während eines intensiven Berufslebens zu wenig um den Freundes-kreis kümmern konnte. Das ist eher typisch für Männer. Betroffen sind aber auch Frauen. Einerseits haben sie eine höhere Lebenserwartung als Männer. Und andererseits ist es bei Paaren oft so, dass der Mann früher stirbt, weil er älter ist als seine Partnerin.
Die Privatsphäre, die eigenen vier Wände werden bei uns sehr stark respektiert. Und: Viele Menschen möchten keinesfalls jemandem zur Last fallen. Der demografische Wan-del bietet hier auch eine Chance: In