Das Leistgebiet mit den Quartieren Kirchenfeld, Brunnadern und Elfenau befindet sich im Stadtteil IV, wo sich auch die meisten Museen Berns und die Botschaften befinden. Nicht zufrieden ist der Leist mit der Neugestaltung des Helvetiaplatzes.
Das Gespräch mit dem Präsidenten des Kirchenfeld-Brunnadern-Elfenau-Leists (KBEL), Pierre Karlen, findet im Gründungslokal des Leists, im Restaurant Kirchenfeld an der Thunstrasse 5, statt. Bei der Gründung am 21. März 1891 war das Restaurant gerade mal neun Jahre jung. Es wurde 1882 zunächst als Arbeiter-Kantine im Kontext des Baus der Kirchenfeldbrücke betrieben. Wegen seiner Lage an der Endstation des «Worbbähnlis» wurde das Restaurant von den Quartiergästen oft auch «Bahnhöfli» genannt.
Pierre Karlen, Inhaber der Fahnenfabrik Bern an der Florastrasse 3, ist im Kirchenfeld aufgewachsen. In die Politik wollte der gebürtige Berner nicht einsteigen, aber die Geschehnisse im Quartier liessen ihn nicht kalt. «So lag es denn nahe, dass ich vor 20 Jahren dem Leist beitrat, wo ich mich aktiv einbringen kann», erinnert er sich.
Wie die meisten Vereine, kämpft auch der KBEL mit den schwindenden Mitgliederzahlen. Die Pandemie habe allerdings wieder für etwas Aufschwung gesorgt, stellt Pierre Karlen fest. «Die Bewohnenden im Leistgebiet interessieren sich wieder mehr, was in ihrem Quartier, vor ihrer Haustür passiert.» Auch ist es ihm gelungen, noch während der Corona-Zeit gleich sechs neue Vorstandsmitglieder zu gewinnen, die ihm nun helfen «am Karren zu ziehen».
Museumsquartier wird unterstützt
Im Leistgebiet wohnten Ende 2023 gemäss Angaben der Stadt Bern 8 719 Personen. Die Zahl der in den drei Quartieren ansässigen Gewerbebetriebe schätzt der Leistpräsident gegen 100. Diese dürften auf eine mehrheitlich kaufkräftige Kundschaft zählen, so Pierre Karlen. «Während das Leistgebiet früher als etwas überaltert galt, sind in den letzten Jahren wieder vermehrt junge Familien zugezogen, vor allem in den neueren Überbauungen», freut sich der Präsident.
Sehr am Herzen liegt dem KBEL die Umsetzung der Idee «Museumsquartier». Im Juni 2021 wurde der Verein Museumsquartier Bern gegründet. Elf Institutionen aus dem Kirchenfeldquartier wollen in einer vierjährigen Aufbauphase zusammenwachsen und dabei gemeinsame Angebote und eine Dachmarke schaffen sowie einen neuen Stadtraum entwickeln. So entstand zwischen dem Bernischen Historischen Museum und dem Museum für Kommunikation ein Museumsgarten als attraktiver Raum für Menschen. Hier wurde mit den Mitarbeitenden und mit der Bevölkerung eine Zwischennutzung entwickelt, wobei der neue Raum als Forschungsraum für mögliche Kooperationen und Projekte dient. Zu diesem Zweck werden verschiedene Aktionen, Workshops und Veranstaltungen angeboten.
Der Leist unterstützt dieses Projekt und ist Mitglied im Verein Museumsquartier. Pierre Karlen lobt dabei die Zusammenarbeit mit der Leiterin der Geschäftsstelle Museumsquartier, der belgischen Kulturmanagerin Sally de Kunst, welche allerdings ihre Stelle per Ende Juni 2024 gekündigt hat.
«Vertrösterlipolitik» am Helvetiaplatz
Der Helvetiaplatz liegt gleich dreifach im Fokus des öffentlichen Interesses: als Visitenkarte zum Kirchenfeldquartier bzw. zum Stadtteil IV, als Klima-Hotspot der Stadt Bern und als Auftakt zum Museumsquartier. Alles andere als glücklich ist der Leist nun mit dem Resultat des im Dezember 2023 minimal umgestalteten Helvetiaplatzes.
Aber der Reihe nach: Die Stadt Bern und die fünf Museen um den Helvetiaplatz einigten sich 2018 auf einen anonym ausgeschriebenen Projektwettbewerb. Die Stadt leitete das Auswahlverfahren. In der international zusammengesetzten Jury sassen auch zwei Vertreter des KBEL. Das Projekt «Coquilles Saint-Jacques» der Landschaftsarchitekten «Team extra» aus Bern gewann den Wettbewerb. Mit über 50 Bäumen, welche den Platz säumen, würde der offene Platz mit einem imposanten Blätterdach räumlich gefasst – beschattet, befeuchtet und um mehrere Hitzegrade abgekühlt. Wegen der angespannten Finanzlage der Stadt Bern wurden sogenannte Wunschprojekte jedoch zurückgestellt, so auch die Neugestaltung Helvetiaplatz. In der Folge reichte das Tiefbauamt der Stadt Bern im Frühjahr 2022 ein stark abgespecktes Baugesuch für ein Provisorium ein, wogegen der Leist mit einer Einsprache reagierte, leider vergeblich. «Die ‚Vertrösterlipolitik’ lehnt er ab, aber die Aufhebung der 18 Parkplätze vor dem Historischen Museum begrüsst er», sagt Pierre Karlen, «denn sie versperren den zentralen Zugang zum künftigen Museumsquartier.» Der Leistpräsident befürchtet, dass das heutige Provisorium mit den Topfpflanzen und den wenigen Sitzgelegenheiten zu einem «Providurium» werden könnte.
Fehlende Alleebäume
Einen weiteren Stein des Anstosses sieht der Leist in den fehlenden Alleebäumen bei der im Dezember 2022 fertiggestellten Überbauung Burgernziel. Zu Beginn der Planung seien die Alleebäume eine absolute Selbstverständlichkeit gewesen, steht auf der Website des KBEL. «Die zweiseitigen Alleebäume beginnen beim Helvetiaplatz, dem Eingangstor zum Quartier, führen dann über den Thunplatz weiter zum Burgernziel und enden beim Freudenbergplatz. Eine historische, intakte Baumallee über mehr als zwei Kilometer Länge. Und nun passiert ein bösartiger Bruch mit dem klassischen Städtebau.» Anstelle von 35 Alleebäumen zieren nun einige Sträucher die 220 Meter lange Fassade des Neubaus. «Wo ist eigentlich Stadtgrün geblieben, die klassische Fürsprecherin der städtischen Alleebäume?», fragt der Leist auf seiner Homepage weiter. «Wir sind als Quartierbewohnende in höchstem Masse frustriert.»
Den Kontakt mit den Stadtbehörden beurteilt Pierre Karlen als «sympathisch, aber unverbindlich». Früher hätten regelmässige Sitzungen mit dem Gemeinderat stattgefunden, «oder man hat auch mal direkt mit einem Gemeinderat oder einer Gemeinderätin sprechen können. Das ist heute leider kaum mehr der Fall», bedauert der Leistpräsident. Es fehle in den einzelnen Direktionen oft eine Ansprechperson.