Es scheint aufwärtszugehen mit dem Sorgenkind: Vor kurzem vermeldete Köniz endlich schwarze Zahlen. Gemeindepräsidentin Tanja Bauer über Finanzlöcher, was ihr zu denken gibt und wieso sie Fusionsanfragen verletzend findet.
Tanja Bauer, Sie sind seit November Könizer Gemeindepräsidentin. Wie läufts?
Der Start verlief sehr gut, danke, ich wurde von allen Seiten herzlich aufgenommen. Mir fiel sofort auf, dass bei den Mitarbeitenden grosser Elan vorhanden ist, viel Schaffenskraft auch. Mit meinen Gemeinderatskollegen konnte ich zudem erste Projekte aufgleisen.
Die angesprochenen Kollegen votierten im Wahlkampf letztes Jahr mehrheitlich gegen Sie.
Der Wahlkampf ist vorbei, das stellte ich bei meinem Amtsantritt sofort fest. Wir arbeiten gut zusammen, das ist auch notwendig, da sind wir Profis genug. Mir persönlich ist wichtig, dass wir in den Gemeinderatssitzungen einander zuhören. Wir müssen nicht immer einer Meinung sein, aber Entscheide treffen, die wir gegen aussen mit einer Stimme vertreten. Es soll eine angenehme Kultur herrschen. Wir möchten vorwärtsgehen, gemeinsam für Köniz.
Ihre Vorgängerin Annemarie Berlinger verliess die Exekutive, weil laut ihrer Aussage die Zusammenarbeit schlecht war. Wie urteilen Sie nach rund einem halben Jahr?
Es darf Platz für Differenzen geben, absolut, das ist in einem solchen Gremium logisch. Gleichzeitig wollen wir konstruktiv arbeiten.
Stiessen Sie im Gemeinderat auf Vorurteile? Sie sind die einzige Frau innerhalb der fünfköpfigen Exekutive.
Nicht, dass ich wüsste. Was mir hingegen auffiel: Wie wenig Frauen überhaupt in Entscheidungspositionen arbeiten. Das gibt mir schon zu denken, schliesslich leben wir im Jahr 2023.
Eine Studie, die kürzlich in der «SonntagsZeitung» publiziert wurde, legt nahe, dass sich Frauen eher einen gutverdienenden Mann wünschen, als selbst Karriere zu machen.
Wie wir mittlerweile wissen, weist die von Ihnen angesprochene Studie einige Mängel auf. Ganz generell ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in diesem Zusammenhang ein zentraler Punkt. Man benötigt zeitliche Ressourcen und jemanden, der zuhause Verantwortung übernimmt. Bei Männern ist es normaler, für Kinderbetreuung Unterstützung zu erhalten – bei Frauen ist das leider noch nicht so. Wer in der Politik und in anderen Berufen mitwirken möchte, soll das tun können.
Sie sprachen zu Beginn aufgegleiste Projekte an. Nennen Sie uns einige Beispiele?
Köniz hat schwierige Zeiten hinter sich, ist aber eigentlich unglaublich schön und vielfältig. Diese Vielfalt muss anerkannt werden: Wabern zum Beispiel tickt anders als Mittelhäusern. Gleichzeitig braucht es Identifikation mit der Gemeinde. Geplant ist daher unter anderem, das Schloss Köniz in eine Stiftung umzuwandeln. Es ist zwar heute schon Begegnungsort und das Parlament tagt dort; leider sind einige der Gebäude allerdings in einem schlechten Zustand. Aus dem Schloss soll in Zukunft ein Ort mit überregionaler Ausstrahlung werden. Weitere Themen sind etwa das Wirtschaftsförderungskonzept, und natürlich beschäftigen uns die Finanzen weiterhin.
Wie sieht es beim Umweltschutz aus?
Wir arbeiten intensiv an Klimaanpassungsmassnahmen. Das tönt jetzt vielleicht gerade nicht so wahnsinnig knackig – sie sind allerdings extrem wichtig. Konkret geht es darum, wie beispielsweise Wasser bei Starkregen versickern kann und betonierte Plätze beschattet werden. Und wir möchten selbstverständlich den Ausstoss von CO2 reduzieren.
Anfang Mai vermeldete Köniz überraschenderweise einen Überschuss von rund neun Millionen Franken. Zum ersten Mal seit zehn Jahren schreibt die Gemeinde schwarze Zahlen.
Richtig, das hat mich ebenso wie manch andere überrascht – und gefreut. In anderen Gemeinden wie auch beim Kanton Bern zeigte sich ein ähnliches Bild. Das Resultat ist für uns eine willkommene Verschnaufpause, ein kleines Aufatmen. Bloss dürfen wir kaum davon ausgehen, dass es nun jedes Jahr so sein wird.
Wegen der angespannten finanziellen Lage und der drohenden Zwangsverwaltung durch den Kanton zeichneten einige Medien von Köniz das Bild einer Patientin, die auf dem Sterbebett liegt.
Köniz ist doch keine Patientin! Während ich mit Ihnen spreche, schaue ich gerade auf den wunderschönen Gurten, so sieht kein Patient aus (lacht). Im Ernst: Wir hätten acht Jahre Zeit gehabt, das Minus auszugleichen, jetzt haben wir das bereits im ersten Jahr geschafft. Somit müssen wir unser Budget nicht mehr dem Kanton vorlegen und können ein Minimum an Reserve anlegen. Gründe für den Überschuss sind übrigens namentlich geringere Ausgaben als budgetiert sowie Stellen, die durch den Fachkräftemangel unbesetzt blieben.
Es werden in Köniz also keine Bibliotheken geschlossen und auch der Eintritt in die Badi Weyermatt bleibt gleich?
Richtig, Abbaumassnahmen sind keine mehr vorgesehen. Wir wollen jedoch vorsichtig bleiben, damit das Budget reicht. Der Investitionsbedarf ist nach wie vor hoch, wir werden also in Zukunft kaum darum herumkommen, Geld auszugeben. Wir stehen vor einem Balanceakt: Gewisse Dinge müssen zwingend aufgeholt werden, gleichzeitig sollten wir uns davor hüten, übermütig zu werden.
Am 22. Oktober stimmen Bern und Ostermundigen über eine Fusion ab. Ihre Prognose?
Ich mische mich nicht in diese Diskussion ein. Wichtig ist mir, dass beide mitreden dürfen. Köniz ist mit seinen unterschiedlichen Ortsteilen ein Vorbild für jene Gemeinden, die fusionieren möchten. Unterschiedlichste Identitäten, die zu Recht alle wahr- und ernstgenommen werden wollen.
Sie sind froh, dass Köniz sich selbst und damit unabhängig bleibt?
Die stete Frage, ob Köniz mit Bern fusionieren möchte, finde ich ehrlich gesagt ein wenig verletzend. Mit über 43 000 Einwohnerinnen und Einwohnern sind wir eine der grössten Gemeinden der Schweiz. Ich traf kürzlich Leute auf dem Gurten, die nicht wussten, was überhaupt alles zu Köniz gehört. Ich lade die Menschen gerne ein, uns besuchen zu kommen. Wir haben enorm viel Potenzial, sind selbsttragend und ein hübscher Fleck auf der Landkarte. Und …
Ja?
Wir sind in den letzten Jahren stärker gewachsen als die Stadt Bern.
Yves Schott
PERSÖNLICH
Tanja Bauer, geboren am 12. Juni 1983, wuchs in Krattigen auf. Sie studierte Politikwissenschaften in Genf und arbeitete gleichzeitig als Projektleiterin bei der Swisscom in Köniz. Sie ist SP-Grossrätin und seit 1. November Gemeindepräsidentin von Köniz. Bauer ist liiert, hat drei Kinder und wohnt in Wabern.