Es begann vor rund zwei Jahren beim visionären Feierabend-Bier. Heute flitzen zehn blau gekleidete Velokuriere mit schwer beladenen Cargo-Bikes zu ihren Berner Kundinnen und Kunden.
«Wie wäre es mit einem eigenen Betrieb, was könnten wir besser machen?» Eine Handvoll junger Berner Kurier-Fahrerende fragten sich vor rund zwei Jahren, wie sie einen nachhaltigen, weniger autoabhängigen Kurierdienst anbieten könnten. Die Idee entwickelte sich bald zum Projekt mit regelmässigen Sitzungen. Seit Anfang Februar ist die Vision nun Realität. Der neue, genossenschaftlich organisierte Intracity Courier ist auf den Strassen von Bern und Umgebung unterwegs. Sofie und Konstantin sitzen, stellvertretend für die zehnköpfige Crew, mit dem BärnerBär vor ihrer Zentrale in einer Mietgarage. Sofie erinnert sich an die Anfangszeiten: «Als es immer konkreter wurde, mussten wir plötzlich auch rechtliche Fragen klären. Wie gründen wir eine Firma, welche Rechtsform soll sie haben, was soll und muss in den Statuten stehen?»
Transportlasten bis 100 Kilo
Spannender als die bürokratischen Gründungsarbeiten waren die Fragen rund ums Geschäftsmodell. Wie wollen wir uns organisieren und wie können wir die Berner Kleintransport-Szene nachhaltiger gestalten? Konstantin klärt auf: «Wir wollen umweltbewusst sein, zum Beispiel Aufträge fahren, die früher ein Autokurier machte. Deshalb setzten wir unseren Fokus früh auf Cargo-Velos. Wir sehen uns als Partnerin für lokale Firmen, die ihre Logistik nachhaltiger organisieren möchten. Verblüffend ist, was die Intracity-Leute mit ihren stabilen Bullitts so alles transportieren. «Viele Menschen denken», meint Sofie, «dass mit Velos nur Briefe, Päckli oder eine Gemüse-Tasche transportiert werden können. Wir von Intracity sind in der Lage, Lasten bis 100 Kilo zu liefern, auch sperrige Sachen.» Die Cargo-Velos sind das Intracity-Markenzeichen. Einige Berner Unternehmen haben sich überzeugen lassen. Eine Druckerei, ein Blumenladen und eine kleinere Brauerei setzen bereits regelmässig auf die Transportdienste der innovativen Jungunternehmenden. «Wir haben auch den Vorteil, dass wir mit den Lastenvelos in der Stadt viel schneller am Ziel sind als ein Auto.»
Wenig Trinkgeld seit Corona
Auf der Intracity-Website steht: «Der Umsatz soll uns faire Löhne garantieren und anfallende Materialkosten decken. Wir streben keine persönliche Bereicherung an und legen grossen Wert auf Transparenz.» Wir machen den Realitäts-Check und fragen, wie es nach dem ersten Betriebsmonat aussieht. Sofie ehrlich: «Aktuell können wir noch nicht davon leben, alle arbeiten nebenbei oder sind am Studieren. Wir gehen mit den Einnahmen sehr vorsichtig um, wollen uns erst ein Polster ansparen.» Konstantin nickt zustimmend: «Es läppert sich auf der Ausgabenseite schon einiges zusammen. Wir müssen in Werbung investieren, Versicherungen bezahlen und auch der Handelsregister-Eintrag war nicht gratis.» Dank eines Crowdfunding konnten sie 25 000 Franken sammeln, die in Lastenräder, Rucksäcke, Computer und Arbeitskleidung investiert wurden. Konstantin steht auf und holt aus der Garage einen grossen blauen Rucksack: «Unsere Rucksäcke hat uns ein lieber Kollege genau nach unseren Wünschen genäht.» Die beeindruckend grossen blauen Dinger haben ein Volumen von 60 Litern. Unten in den Rucksack passt eine genormte graue Post-Kiste. Konstantin präsentiert ein weiteres cleveres Rucksack-Detail: «Auf der Aussenseite können wir bei Bedarf zusätzliche Pakete aufladen und mit den praktischen Verschlüssen befestigen.» Zurück beim Thema Geld interessiert uns, ob die Crew ihre Finanzen mit grosszügigen Trinkgeldern aufbessern kann? Sofie winkt gleich ab: «Seit Corona ist da praktisch nichts mehr zu holen.» Trotzdem legen sie Wert auf freundliches Auftreten und den persönlichen Kontakt zu ihren Auftraggebenden. «Wir pflegen ganz bewusst den Kontakt zu den Menschen. Gerne tragen wir auch mal eine Lieferung die Treppe hoch oder bleiben für einen kleinen Schwatz. Wir wollen die Leute mit unserem Gesamtservice überzeugen.»
Fazit nach erstem Monat: «Megaschön, aber streng»
Nach langer Vorbereitungszeit und vielen leidenschaftlichen Diskussionen sind die blauen Trikots und Rucksäcke jetzt auf Berns Strassen unterwegs. Welches Fazit ziehen Sofie und Konstantin nach dem ersten Betriebsmonat? Für Sofie war der Beginn «megaschön, fast surreal, wenn ich mit unserem eigenen Trikot und dem blauen Rucksack unterwegs bin. Viele Menschen sind gwundrig und sprechen mich an, FreundInnen melden sich, weil sie mich gesehen haben.» Eine eigene Firma sei aber streng und brauche, gerade am Anfang, viel Energie. Konstantin sieht es ähnlich: «Es ist enorm aufwändig, bis wir einen tollen Auftrag an Bord haben. Wir machen Werbung, führen viele Gespräche mit interessierten Firmen, erklären unsere Angebote und unsere Wertehaltung. Wir wollen halt nicht nur Essen ausliefern, sondern vielfältig, umweltbewusst und serviceorientiert kurieren.»