Die Berner Band «Sirens Of Lesbos» sorgt für poppigen R&B und überlässt dabei ihren internationalen Erfolg nicht dem Zufall. Mit «I got a song, it’s gonna make us millions» präsentiert die Band ihr drittes Album. Der BärnerBär traf Sängerin Nabyla Serag zum Gespräch.
Auch der verkopfteste Büromensch schwingt die Hüften, wenn der Sound von «Sirens Of Lesbos» erklingt. Wie eine sanfte Sommerbrise tragen einen die souligen Stimmen der Serag-Schwestern zum swingenden Beat an den Ort süsser Träume und sündiger Begierden. Songs wie, «Let It Hurt», nisten sich als Ohrwurm im Gehörgang ein, noch bevor der Verstand Kenntnis davon nimmt. Der Bandname ist also durchaus Programm, die Sirenen sind jene geheimnisvollen Wesen der antiken Mythologie, die Seefahrer mit ihrem betörenden Gesang in die Meerestiefen locken. Nicht zu unterschätzen sind diese Mischwesen aus Mensch und Vogel, die später zum Vorbild der Meerjungfrau wurden. «Sirens Of Lesbos» lädt gleichermassen zum Abtauchen und Fliegen ein. Eine Erfahrung in Schwerelosigkeit, die es in sich hat.
Die Band ist bekannt für ihren Sound, der sich den Genres entzieht und Reggae, R’n’B, Soul, Hip Hop und Elektro vereint. Ihr erster Song, «Long Days, Hot Nights», der sich 2014 auf Spotify gleich zum Welthit mauserte, stand noch ganz im Zeichen der Clubmusik. Damals setzten sich Arci Friede und Melvyn Buss als Produzenten zusammen mit Nabyla und Jasmina Serag zum Ziel, den Code zu knacken, um den ultimativen Ibiza-Sommer-Hit zu landen. Arci Friede war damals nach dem Wasserwerk Club Betreiber vom Club Bonsoir und Melvyn Buss Haus-DJ im Club Bonsoir. Auch wenn die Berner Crew den Dreh raushatte, wollte sie nicht einfach Erfolgstracks für ein Major-Label produzieren. «Sirens Of Lesbos» ging ihren eigenen Weg. Nach dem ersten Album «SOL» vor fünf Jahren folgte 2023 «Peace». Die Band überlässt nach wie vor nichts dem Zufall. Gross Denken steckt in ihrer DNA. «Sirens Of Lesbos» wird auch schon mal als Start-up bezeichnet. Die Agentur INTR von Denise Häberli, die sich die Geschäftsführung mit Arci Friede teilt, ist fürs Marketing zuständig und koordiniert die PR- und Radioagenturen in England, Frankreich und Deutschland. Diese wiederum sorgen für Medienberichte und Radio-Platzierungen in den jeweiligen Märkten. So erklingt «Sirens Of Lesbos» auch schon mal auf BBC 1Xtra, France International oder dem WDR, manchmal gar auf Rotation.
Bereit für die Europa-Tour
Während «Peace» jazzig-verspielt klang, kommt das neue Album «i got a song, it’s gonna make us millions» viel eingängiger und poppiger daher. Der Album-Titel ist durchaus eine Ansage. «Ein Freund von Melvyn hinterliess diese Nachricht auf seinem Anrufbeantworter. Wir dachten uns: Nennen wir das Album doch so, dann klappt es bestimmt mit dem Erfolg», lacht Nabyla. Sie hat erst kürzlich erfolgreich ihren Bachelor in «Sound Arts» an der Hochschule der Künste Bern (HKB) abgeschlossen, genau wie Schwester Jasmina. «Das Studium hat meine Ohren für Sounds und Klänge geöffnet», meint sie. Die beiden Schwestern sind dank ihres eritreisch-sudanesischen Elternhauses bereits mit einem breiten Sound-Horizont gesegnet. Ob die beiden Produzenten Melvyn und Arci jetzt in Bedrängnis geraten? «Wir sind ein Kollektiv», stellt Nabyla klar. Und Musik gemacht haben die beiden Schwestern bereits vor den «Sirens Of Lesbos». «Mit dem neuen Album liegt mehr Entscheidungsmacht bei uns», so Nabyla, «gerade was die Themen der Songtexte anbelangt», schliesslich sind die beiden Schwestern das Gesicht der Band und tragen das Projekt an Life-Auftritten nach aussen. Ihre Musik entsteht im Studio. Erst im zweiten Schritt übersetzt die Crew die Songs für die siebenköpfige Life-Band, die seit vier Jahren in unveränderter Konstellation auftritt. Gemäss dem Versprechen des Albums lassen sie sich nicht lumpen. Im Mai beginnt ihre Tour, die sie u.a. nach Brüssel, Amsterdam, Berlin, Paris, ans Great Escape Festival in Brighton, London und Istanbul führt.
Künstlerische Erfolgsstrategie
Neben der Promotion durch Agenturen im Ausland, greift die Band auf eine künstlerische Erfolgsstrategie zurück: Kollaborationen mit internationalen Musiker:innen sorgen für die Bekanntheit im Ausland. Rapper Benji, Sadboi oder der nigerianische Kabusa Oriental Choir sind auf dem Album verewigt. Ausserdem konnte sie Zacari gewinnen – Rapper, Sänger, Songwriter und Multiinstrumentalist aus Los Angeles. «Nach der Anfrage bei seiner Plattenfirma vergingen nur ein paar Tage und Zacari schickte die Demo-Aufnahme von Room333 mit seinen Vocals zurück.» An der Melodie hat die Band nichts verändert. Entstanden ist ein luftiger Elektro-R&B-Song, den man so leicht nicht wieder aus dem Kopf bekommt. Im Januar reisten die Schwestern nach Los Angeles, um das Video zum Song zu drehen. Damit zeigen Nabyla und Jasmina, dass die Band auch ästhetisch auf dem internationalen Parkett tanzt. Die extravaganten Outfits, die an die 90er und 2000er Jahre erinnern, sind für den perfekten Auftritt konzipiert. An Konzerten tragen sie tendenziell keine Privatklomatten.
Auch wenn «Sirens Of Lesbos» problemlos als US- oder Britband durchginge, fühlt sich Nabyla durch und durch bernerisch, wie sie beteuert. «Ich bin eine gemütliche Person und fühle mich in Bern zu Hause.» Zu Hause sei da, wo man sich sicher fühle. Und so freut sie sich auch besonders aufs Gurtenfestival, um von Freunden und Bekannten Feedback zu bekommen und mit ihnen zu feiern.
Foto: Lucie Rox