Anders als erwartet, geht es am Institut für Gewebemedizin und Pathologie in erster Linie um den lebenden Menschen. Ein Gespräch mit Prof. Dr. med. Alessandro Lugli und Miryam Blassnigg, Managerin Marketing und Kommunikation, über Vorurteile, «Star Trek» in der Pathologie und die Bedeutung von Bildern.
«Och, du Arme … », meine Kollegen auf der Redaktion blicken mitfühlend, als ich sage, dass ich nun zu einem Interview ins Pathologische Institut gehen würde. Ihre und auch meine Vorstellungen von dem, was mich erwartet, sind geprägt von einer gruseligen Mischung aus «Tatort», «Quincy» und «CSI»: Kühle Kellerräume, Leichen, die einer Autopsie unterzogen werden und eher verschrobene, misslaunige Ärzte, die während dieser Tätigkeit unberührt ihr Sandwich essen und deren Resultate für die gestressten Kriminalisten immer viel zu spät kommen.
Gewebemedizin
Professor Alessandro Lugli lacht herzlich, als ich ihm diese Szene bei der Begrüssung schildere. «Genau deshalb wollen wir am 19. und 20. Oktober die Bevölkerung zu uns einladen. Um ihnen zu zeigen, was wir machen, warum es hier in erster Linie um den lebenden Menschen geht und weshalb sich vor uns niemand zu fürchten braucht.» Denn fast alle würden beim Begriff «Pathologie» zusammenzucken und hätten jene vorhin beschriebenen Bilder im Kopf. «Autopsien machen aber nur wenige Prozente unserer Tätigkeit aus. Der Grossteil unserer Arbeit hingegen dreht sich ums Leben, insbesondere ums Weiterleben. Und handelt es sich um einen unnatürlichen Todesfall, kommt dieser sowieso ins Institut für Rechtsmedizin», räumt er mit einem weiteren Vorbehalt auf. Deshalb hat Prof. Dr. med. Aurel Perren, Direktor des Instituts, die Umbenennung, oder besser gesagt, die erweiterte Namensgebung durch den Begriff «Gewebemedizin» des Instituts vorangetrieben. Denn auch die Pathologie ist nicht stehen geblieben und wir entwickeln uns stetig weiter. «Wenn ich nach meinem Beruf gefragt werde und sage, ich sei Pathologe, muss ich gut 20 Minuten erklären, was ich genau mache. Beim Beruf Gewebemediziner ist viel schneller ersichtlich, womit ich mich beschäftige und für uns ist ganz klar, dass die Gewebemedizin die neue Pathologie ist.»
Fürs Leben
So haben denn auch die Räumlichkeiten an der Murtenstrasse 31 nichts mit düsteren Kellerräumen zu tun. Die in hellen Farben gestaltete Architektur aus Stahl, Glas, Beton und Glasbausteinen verleiht dem Laborgebäude eine aufgeräumte und saubere Atmosphäre. Hier kommen sie also hin, die Abstriche, die der Frauenarzt macht oder die Gewebeproben, die beispielsweise aus dem Darm entnommen werden. «Bei jeder Probe, die wir hier analysieren, sehen wir den Menschen dahinter. Das Ergebnis unserer Analyse kann für ihn weitreichende Konsequenzen haben. Deshalb ist es unabdingbar, dass wir genau und mit grösster Sorgfalt arbeiten.» Ausserdem sei der Faktor Zeit wichtig. «Gerade bei Verdacht auf Brustkrebs will man nicht tagelang in Unsicherheit und Angst auf das Ergebnis warten», ist sich der Professor bewusst. Sollte das Resultat schliesslich auf Krebs lauten, gäbe es bald für die betroffenen Patienten die Möglichkeit einer Sprechstunde hier am Institut, die durch deren behandelnden Arzt vermittelt werden kann. Dabei werden die Bilder ihrer Erkrankung mit dem Gewebemediziner angeschaut und besprochen. «Für viele ist diese Visualisierung hilfreich. Sie können sich besser vorstellen, was in ihrem Körper gerade passiert und das ist für die Genesung oft ein ganz wichtiges Hilfsmittel. Der Krebs ist dann nicht mehr ein abstraktes, furchterregendes Ding, sondern klar erkennbare Zellen, deren Bekämpfung je nach Tumortyp sehr wohl möglich ist», weiss der Arzt. «Unser engagiertes Ärzteteam arbeitet Hand in Hand mit unserem hochqualifizierten Laborteam, um Diagnosen zu stellen und Patienten zu helfen. Forschende und Studierende tragen massgeblich dazu bei, innovative Erkenntnisse zu gewinnen, die die Zukunft der Gewebemedizin gestalten. Auch unsere weiteren Mitarbeitenden sind Teil eines unersetzlichen Netzwerks, das den reibungslosen Ablauf in jedem Bereich gewährleistet und die Patienten in den Fokus stellt.»
Eine Art Flugsimulator
So befindet sich – neben den klassischen Arbeitsplätzen der Gewebemediziner, die mit Mikroskopen ausgerüstet sind – seit Kurzem auch der sogenannte Pathojet in einem der Diagnostik-Räume. Dieser sieht auf den ersten Blick aus, wie ein Gerät aus «Star-Trek». Miryam Blassnigg schmunzelt. Zusammen mit Alessandro Lugli hat sie diesen innovativen Arbeitsplatz der Zukunft entwickelt. «Der Pathojet ist ein modernes Arbeitsinstrument mit einem digitalen Mikroskop, einer Steuerung und einem ergonomischen Stuhl. Ein medizinisches Cockpit – deshalb auch der Zusatz ‹jet› in seinem Namen – das hilft, konzentrierter und mit viel mehr technischen Möglichkeiten als bisher zu arbeiten», umschreibt sie das spezielle Gerät. Und Alessandro Lugli ergänzt: «Die meiste Zeit unseres Arbeitspensums verbringen wir am Mikroskop. Diese Haltung ist sehr anstrengend und dennoch müssen wir extrem konzentriert und fokussiert bleiben.» Deshalb wurde bei der Entwicklung des Pathojet insbesondere auch an die Arbeitsgesundheit der Mitarbeitenden gedacht. «Wir waren auf der Suche nach einer Sitzposition, die auch nach vielen Stunden keine Schmerzen verursacht. Dabei stiessen wir auf den Gaming-Stuhl und haben dessen Ergonomie übernommen», führt Miryam Blassnigg weiter aus.
Tage der offenen Tür
Was hier täglich hinter diesen modernen Mauern geschieht, ist hoch spannend und alles andere als morbid. Und weil Bilder für Professor Lugli so wichtig sind, hat er als Einstieg für die Besuchenden den Film «Path to time» produziert, der so gar nichts mit langweiligen Erklärvideos zu tun hat und Lust auf die bevorstehende Entdeckungsreise macht. Sei es in den Labors bei der Diagnostik, wo man auch mal Platz im Pathojet nehmen kann, oder in den oberen Stockwerken, bei der Forschung. An den Tagen der offenen Tür hat man somit die Gelegenheit, die Gewebemedizin in den Bereichen Dienstleistung, Lehre und Forschung und vor allem die Menschen, die dahinterstehen, einmal mit eigenen Augen zu sehen und zu erleben.

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