Chalet Muri Gastgeber Claudio Righetti im Gespräch mit Emil und Niccel Steinberger über Humor, Kreativität und Lebensfreude.
Lieber Emil, du steckst mit bald 92 Jahren noch voller Ideen und Ziele. Woher nimmst du die Kraft und Inspiration, immer wieder Neues anzupacken?
Emil:Es gibt so viele kostbare, lustige Alltags-Momente auf dieser Welt. Ich kenne auch die kritischen Momente. Aber es gibt so viele Verhaltensweisen bei Menschen, die mich inspirieren, die ich einfach festhalten muss und die Spass und Freude bringen. Man hat eine riesige Auswahl an Ideen, wenn man im Alltag neugierig ist. Ausserdem habe ich das große Glück, Niccel an meiner Seite zu haben. Sie inspiriert mich und springt sofort auf meine Ideen an, genauso wie ich versuche, sie bei ihren Plänen zu unterstützen.

Claudio Righetti
Kreativunternehmer, Kunstvermittler,
Netzwerker und alt Stadtrat
Liebe Niccel, du bist nicht «nur» Emils Frau, sondern auch seine Seelenverwandte. Ihr erschafft vieles gemeinsam, wie zum Beispiel auch den aktuellen Film «Typisch Emil» der mit viel Erfolg in den Schweizer Kinos angelaufen ist. Wie ergänzt ihr euch im Alltag und auch kreativ?
Niccel: Es gibt bei uns nicht die klassischen Mann-Frau-Rollenaufteilungen. Wer Zeit hat, kocht. Wenn keiner Zeit hat, gehen wir Essen. Wer Zeit hat, putzt, bügelt, wäscht. Es sieht nicht immer picobello aus bei uns – weil uns zu oft die Zeit fehlt – aber wir bereiten uns gegenseitig keinen Stress. Wenn wir kreativ zusammenarbeiten, versuchen wir die Tipps und Ratschläge des jeweils anderen nicht als negative Kritik zu sehen, sondern als Empfehlung oder Hilfe, um ein noch besseres Produkt zu kreieren.
Deine Bühnenkunst, lieber Emil, ist und bleibt einzigartig. Es gibt sogar einen Begriff dafür: «Emilesk». Wie entstehen deine legendären Kabarettnummern?
Emil: Humor ist wie ein Reflex. Ich sehe Dinge und lagere sie ein oder verarbeite sie sofort in meinem Kopf. Wenn ich bewusst für ein neues Programm Nummern erarbeiten muss, arbeite ich oft erst ab Mitternacht, wenn Ruhe im Haus ist und alles still wird. Das ist eine wunderbare Stimmung, um kreativ zu sein. Ich stelle mir das Theater vor, die Bühne, ein Szenario, wie z.B. einen Polizeibeamten, der nachts Telefondienst hat. Was passiert, wenn das Telefon klingelt? Da kann man einfach frei und stinkfrech, phantasievoll drauflosschreiben. Und am Morgen ist die Nummer fixfertig. Manche Nummern entstehen aber auch mit klaren Inhaltsvorgaben, die ich mir selber stelle.
Improvisierst du viel auf der Bühne?
Emil: Ich habe es einmal im Programm «Emil träumt» gewagt, total über 250 Improvisationen vor Publikum zu machen, indem ich die Leute gebeten habe, mir zu sagen, was ich auf der Bühne spielen soll. Da rief einer: «Einen Tankwart!», dann rief ein anderer: «Aber einen ohne Benzin!» Also musste ich einen Tankwart ohne Benzin spielen. Später habe ich einige Improvisationen als Grundideen genutzt und daraus Nummern entwickelt – das ist eine kleine, geheime «Emil-Technik».
Deine Kreativität, liebe Niccel, drückst du vor allem in der Malerei aus. Im Chalet Muri sind deine Bilder zum ersten Mal in Bern ausgestellt. Was inspiriert dich zum Malen?
Niccel:Die Inspiration beim Malen kommt aus dem Leben. Was ich persönlich erlebt habe, ist in meinem Inneren abgespeichert. Ich versuche – und geniesse diese Art des Malens am meisten –, aus mir heraus zu malen. Keine Vorlagen, keine Vorhaben, keine Vorbilder, sondern schauen, was in mir steckt, herausdrängt und mich überraschen lassen. Oft, wenn ich total k.o. bin von der vielen Büroarbeit, gehe ich für 15 Minuten an den Maltisch und die Energie kehrt zurück.
Du inspirierst die Menschen aber auch in deinen «LachsemiNarren». Dort lernt man, mit Humor die eigene Kreativität zu entwickeln. Verfügt jeder Mensch über Humor?
Niccel: Ich bin davon überzeugt, dass in jedem Menschen Humor steckt. Man muss ihn nur entdecken und trainieren. Deshalb nenne ich mich auch «Lachtrainerin» (und nicht «Lachtherapeutin»). Es gibt viele verschiedene Arten von Humor und man muss nicht über das Gleiche wie die grosse Mehrheit lachen, um seinen Humor zu beweisen. Ich mag es nicht, wenn Komiker:innen behaupten, man müsse so auf die Welt kommen. Zu oft habe ich die tollsten Überraschungen in meinen LachsemiNarren erlebt. Da sind innert 2 Tagen Wunder geschehen. Es beglückt mich, wenn ich erlebe, dass Menschen mit einer neu entdeckten Fähigkeit zurück in ihr Leben gehen.
Wie wichtig ist deiner Meinung nach Humor für ein glückliches und vor allem langes Leben, Emil?
Emil: Humor ist für mich wie eine Medizin. Wenn ich zum Beispiel alleine in einer Manege vor 4000 Leuten stehe, die lachen und somit positive Signale ausstrahlen, dann empfange ich allein so viel Energie. Ein Architekt sagte einmal zu mir: «Du bist der einzige Empfänger von all diesen positiven Signalen, dir kanns nur gut gehen.» Das hat mir gezeigt, wie wichtig Humor im Alltagsumfeld ist. Ich hoffe, dass ich mit meiner Arbeit Menschen inspirieren konnte, Lebenssituationen mit mehr Humor zu nehmen. Humor kann das Leben erleichtern, indem er dem Dramatischen die Schwere nimmt und hilft, Dinge in einem anderen Licht zu sehen.
Und zum Schluss: Welche Frage darf ich euch beantworten?
Du bist ein ideenreicher, mutiger, schneller und feinfühliger Organisator und Kreateur. Hat es Dich je gereizt, selber zu zeichnen oder zu malen?
Claudio: Oh, vielen Dank! Als Kind habe ich gerne gezeichnet – es gab sogar eine Zeit, in der ich selbst Künstler werden wollte. Aber dann habe ich gemerkt, dass mein Talent eher darin liegt, die «Visionen» anderer mit meiner Kreativität zum Leben zu erwecken und Ideen umzusetzen. cr