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Jugendschutz-Verantwortliche Lea Leuenberger

Rote Karte für Nikotin unter 18

«Das Verkaufsverbot ist eine wirksame Präventionsmassnahme», sagt Lea Leuenberger von der Suchtprävention des Blauen Kreuzes. Fotos: Daniel Zaugg

Eine erschreckende Zahl: In über 40 Prozent der Testkäufe 2023 verkaufte man Jugend­lichen im Kanton Bern Nikotin- und Tabakprodukte – trotz Verbot. Lea Leuenberger von der Suchtpräventionsstelle des Blauen Kreuzes weiss, warum die angesagten Vapes und Snus problematisch sind.

Sie duften nach Wassermelone oder Beeren, haben leuchtende Farben und sind überall erhältlich: Die elektronischen Einweg-Zigaretten (Vapes) funktionieren auf Basis von Wasserdampf, stinken nicht und sind günstig. Deshalb sind sie auch bei Jugendlichen sehr beliebt. Einen Zug nehmen und dann das Teil wieder im Hosensack verschwinden lassen. Aber die auffällige Aufmachung täuscht, viele der Produkte enthalten Nikotin. Das Dampfen ist laut Medizinern auch mit nikotinfreien Produkten nicht gesund, da es zu Reizungen der Atemwege führen kann.

Im Kanton Bern ist der Verkauf jeglicher Tabak- und Nikotinprodukte erst ab 18 Jahren erlaubt. Dies betrifft alle Formen von elektronischen Zigaretten mit und ohne Nikotin. «Die Verordnung und das Gesetz umfassen alle tabak- und nikotinhaltigen Produkte und deren verwandte nikotinfreien Produkte», erläutert Lea Leuenberger von der Suchtpräventionsstelle des Blauen Kreuzes. «Bern hat das Gesetz so intelligent gefasst, dass auch alle neuen Produkte auf dem Markt darunterfallen. Das sollte es für Verkaufende einfacher machen.» In anderen Kantonen ist der Verkauf von Vapes an unter 18-Jährige teilweise erlaubt.

Regelmässige Testkäufe
Zusammen mit Jugendlichen, die dem Blauen Kreuz freiwillig und mit Einverständnis ihrer Eltern helfen, führt Leuenberger regelmässig Testkäufe durch. «Die Teenager sind zu zweit oder zu dritt im Laden, ich halte mich als fremde Kundin im Hintergrund. Jeder wählt ein Produkt aus und versucht es zu kaufen», erklärt sie das Setting. 2023 wurden den Testern in vier von zehn Versuchen unrechtmässig Waren verkauft. Vielerorts wurden die Teenies nicht mal nach dem Ausweis gefragt. «Wir haben dieses Mal zufällig viele Verkaufsstellen in der Stichprobe gehabt, bei denen wir länger nicht waren. Wo nicht regelmässig getestet wird, sinkt mit der Zeit das Bewusstsein für den Jugendschutz. Die Leute sind weniger sensibilisiert», so die Präventionsexpertin.

Nach den Käufen sucht sie das Gespräch und macht sich Notizen. Die Ausreden sind vielfältig. «Kein Nikotin drin, dann kann man das doch jedem verkaufen», bekommt Leuenberger dann zu hören. Im Kanton Bern ist dies eben nicht so. In den meisten Fällen spürt die Expertin, dass der Verkauf keine böse Absicht war: «Es kommt vor, dass sich jemand beim Blick auf den Ausweis im Alter verrechnet.» Sie appelliert an die Einhaltung des Gesetzes, gibt Info-Broschüren, Schulungsmaterial und Hinweisschilder ab. Oft führen die Dialoge auch zu einer Selbstreflexion der Verkaufenden. «Sie haben manchmal selbst Teenagerkinder und holen sich von uns Tipps ab, wie man das Thema zu Hause ansprechen kann.» Da braucht Leuenberger Empathie und Menschenkenntnis.

Kein Verständnis hat sie hingegen, wenn jemand an Jugendliche verkauft, obwohl er weiss, dass das verboten sei. «Sie finden, die jungen Leute müssten selbst wissen, welches Risiko sie eingehen. Man sei doch nicht verantwortlich», sagt die Jugendschutz-Expertin. Eine verkehrte Logik: Unter 18-Jährige sind vom Gesetz geschützt, die Einhaltung liegt bei den Verkaufsstellen. «Diese Gleichgültigkeit schockiert mich.» Die Verantwortlichkeiten sind klar: Marktleitende müssen für geschultes Personal sorgen, das das Gesetz umsetzen muss. Das Blaue Kreuz würde sich eine generelle Ausweispflicht wünschen: «So dass alle, die Alkohol oder Rauchwaren kaufen möchten, schon automatisch ihren Ausweis in der Hand haben.» Das erspart dem Servicepersonal Unsicherheiten. «Sie wären dann nicht in der Verlegenheit, gerade bei Menschen, denen man ihr Alter nicht ansieht.»

Das Verkaufsverbot gilt auch für tabakfreie Nikotinbeutel (Snus). Die Beutel mit nikotinhaltigen Pulvern werden in den Mund gelegt und können den Nikotinspiegel im Blut auf Werte treiben, die auch beim Rauchen herkömmlicher Zigaretten und mancher E-Zigarette erreicht werden. Sie enthalten in kleinem Format konzentriert viel Nikotin. «Das macht schnell abhängig, so dass man immer mehr braucht. Ich habe schon häufiger Menschen beobachtet, die einen Beutel gleich gegen den nächsten tauschen wie ein Kettenraucher», so Leuenberger. «Die Nebenwirkungen von Snus können Schwindel und Erbrechen sein.» Ebenso wie bei den Vapes findet Leuenberger die Handhabung zu einfach, das verführt ständig zum Konsum. «Und die Frage ist schon, wie viele Teenager mal von nikotinfreien zu nikotinhaltigen Produkten umsteigen.» Wissenschaftliche Untersuchungen gibt es dazu noch nicht.

Neben den Testkäufen ist das Blaue Kreuz auch an Schulen unterwegs. «Dort klären wir Acht- und Neuntklässler auf, was Sucht bedeutet, wie Alkohol und Nikotin wirken. Oft haben wir dabei spannende Gespräche.» Das Team des Blauen Kreuzes möchte aufklären, dass Tabak und Alkohol zwar legal sind, aber dennoch Drogen. «Wir sind nicht die Eltern oder Lehrpersonen, uns darf man offen alles fragen.» Sie weiss, dass Teenager das Unbekannte reizt, man will sich beweisen. Die poppigen Vapes werden breit auf Social Media beworben, der Gruppenzwang macht den Konsum noch interessanter.

Eltern rät die Expertin mit ihren Kindern im Gespräch zu bleiben und sich über die gängigen Produkte und Wirkungen zusammen zu informieren. «Wenn ein Vertrauensverhältnis herrscht, werden die Jugendlichen mit ihren Bedenken zu ihnen kommen. Dann ist schon mal viel gewonnen.» Aber auch der eigene Umgang mit Suchtmitteln sollte reflektiert werden.

Mehr Gesundheitsbewusstsein
Seit Jahren geht der Trend zu mehr Gesundheitsbewusstsein. Leuenberger freut sich über Aktionen wie den Dry January oder neue alkoholfreie Getränke. «Eine coole Alternative zum Alkohol, die nicht nur Zuckerwasser ist, rückt nun in den Fokus.» Und das nicht nur für Leute mit einem Suchtproblem. Das Blaue Kreuz hat mit der Blue Cocktail Bar eine alkoholfreie mobile Bar geschaffen. Hinter deren Tresen stand Leuenberger früher selbst oft. «Ich bin über das Projekt Be my angel tonight zum Blauen Kreuz gekommen.» Seit acht Jahren arbeitet sie nun in der Suchtprävention.

Der omnipräsente Alkohol ist natürlich ein Dauerthema. «Bei jeder Veranstaltung wird Alkohol angeboten. Es ist eine Gesellschaftsdroge.» 2023 wurde bei 277 Tests des Blauen Kreuzes im Kanton Bern in 41,2 Prozent der Fälle illegal Alkohol an Minderjährige verkauft. Eine Zahl, die Leuenberger und ihr Team mit viel Elan und Aufklärungsarbeit wieder senken wollen.

PERSÖNLICH

Lea Leuenberger, 37, ledig, wuchs im Berner Oberland auf und wohnt im Aaretal. Sie studierte Soziale Arbeit und leitet seit 2022 die Jugendschutz-Abteilung des Blauen Kreuzes Bern. Unter dem Namen Leah Lisa Leuenberger tritt sie schweizweit als Sängerin und Schauspielerin auf.

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