Al Fiume heisst das Restaurant und genau dort befindet es sich auch: am Fluss. Genauer, an der Aare. Nicht nur der Name ist Italienisch, auch der Gastgeber und sein Küchenchef. Sizilianisch, um genau zu sein. Der BärnerBär hat sich durch die Menukarte probiert. Fazit: ein Gaumenerlebnis!
Es ist kurz nach 11 Uhr vormittags, als wir die blitzsauber aufgeräumte Küche des Restaurants betreten. Bereits duftet es herrlich nach angebratenen Zwiebeln und Pilzen. Chefkoch Davide Marino ist gerade dabei, das Mittagessen für die Al Fiume-Mitarbeitenden zu kochen. Dieses stehe nicht auf der Karte, sagt er lachend. «Das ist jeden Tag etwas anderes. Mal Pasta, mal Fleisch oder Fisch und immer frisches Gemüse oder Salat», erklärt der Küchenchef und gibt mit geübter Hand etwas frische Tomatensauce in die grosse Pfanne. Auch die Speisen auf der Menukarte wechseln immer wieder, schliesslich gibt die Sizilianische Küche eine unendliche Vielfalt an verschiedenen Gerichten her.
Kochen ist ein Lebensgefühl
Die Leidenschaft fürs Kochen sei ihm vermutlich in die Wiege gelegt worden, meint er schmunzelnd, denn seine Mamma habe an einer Kochschule unterrichtet.
Wein ist etwas absolut
Faszinierendes, denn hinter jeder Etikette steckt
eine ganze Geschichte.Davide Buoncuore

Aber ganz generell habe Kochen auf Sizilien einen hohen Stellenwert. Das sei dort viel mehr als einfach Essen zuzubereiten. Die Einflüsse der diversen Kulturen und Länder, die Sizilien im Laufe der Jahrtausende entdeckt hatten, haben Spuren bis in die Küche hinterlassen. Von den alten Griechen und Römern bis zu den normannischen und arabischen Herrschern und später den Franzosen, Spaniern oder Österreichern – ein vielfältiges Erbe.
Caponata di Melanzane
«Durch das Vermächtnis all dieser Kulturen ist die sizilianische Küche deshalb enorm variabel und unterscheidet sich von derjenigen im übrigen Italien», erklärt Marino und seine Augen funkeln begeistert. Begonnen hatte er eigentlich als Cameriere, als Kellner, denn er habe den Kontakt zu den Menschen stets geliebt. Aber noch stärker war dann schliesslich seine Liebe zur Kochkunst. Diese führte ihn in zahlreiche internationale 5-Sterne Häuser und zu renommierten Restaurants. Und schliesslich hierhin ins Al Fiume nach Gerzensee. Welches ist denn für ihn das typischste Gericht Siziliens? Er überlegt kurz und sagt dann: «Wohl die Caponata di Melanzane und natürlich die süssen Cannoli.» Für eine wirklich gute Caponata, so erklärt er mir, brauche es übrigens viel Zeit. Dafür halte sie sich dann auch mindestens fünf Tage im Kühlschrank und werde täglich besser. «Ganz wichtig ist, dass man die Auberginen vor Gebrauch salzt und Wasser ziehen lässt. Mindestens eine, besser zwei Stunden», weiss er. «Nur wenn die Auberginen eine Zeit lang gesalzen wurden, saugen sie nicht das ganze Öl auf, in dem sie gebraten werden. Weil sie durch das Salz bereits ‘vorgegart’ sind. Ebenso sollten die Zwiebeln sehr langsam bei kleiner Hitze gedünstet werden. Weil sie dann allmählich karamellisieren. Das dauert mindestens 45 Minuten.» Dieser Mann weiss, wovon er spricht.
Ruhig und respektvoll
Inzwischen ist die Sauce fertig; ein Arbeitskollege hat die Pasta soeben ins kochende Wasser gegeben. Wer beim Wort «Restaurantküche» an einen hektischen, etwas unordentlichen Ort mit herumbrüllenden Köchen denkt, erlebt hier das genaue Gegenteil. Davide Marino lacht: «Wenn man weiss, was man tut und gut organisiert ist, braucht niemand zu schreien!» Das Küchenteam im Al Fiume, das spürt man deutlich, kennt und schätzt sich. «Wir können uns aufeinander verlassen und gehen respektvoll miteinander um. Das ist mir wichtig. Natürlich wird es hier, wenn das Restaurant und die Terrasse voll sind, auch mal hektisch. Aber mit einer guten Organisation und unserer grossen Erfahrung bleiben wir auch dann ruhig und konzentriert. Denn sonst werden die Gerichte nicht gut», ist der Küchenchef überzeugt. Nun holt er zwei der selbstgemachten Cannoli-Hüllen und befüllt sie mit frischem Ricotta. «Dieser, wie viele andere Produkte, die wir für die typischen Gerichte verwenden, kommen direkt aus Sizilien. Das gibt ihnen den authentischen Geschmack.»
Einfach und ehrlich
Was ihn an der mediterranen Küche generell und der Sizilianischen im Speziellen überzeugt, ist ihre unverfälschte Einfachheit und Ehrlichkeit. Viel Fisch, Meeresfrüchte, Pasta, Gemüse, Kräuter und feine Desserts. Oder, um es mit seinen Worten zu sagen «Pasta, pesce e pasticceria». Die Cannoli verziert er nun noch liebevoll mit Pistazien und kandierten Orangen sowie Puderzucker. Denn, «das Auge isst mit!» Ein weiterer Koch bereitet im hinteren Teil der Küche einen Orangensalat zu. «Ein ebenfalls typisches Gericht von uns. Denn Orangen wachsen überall auf Sizilien. Im Orangensalat dienen sie quasi als Fleischersatz und geben diesem dadurch einen ganz speziellen Goût», erklärt der Capo. Er schnappt sich eine Bratpfanne und macht sich an die Zubereitung eines «Polpo arrosto».
Gastgeber aus Leidenschaft
Wir überlassen ihn seiner Kochkunst und gehen in die Gaststube. Dort werden wir von Davide Buoncuore herzlich in Empfang genommen. Auch er ist gebürtiger Sizilianer und Gastgeber aus Leidenschaft und das spürt man. Über 20 Jahre lang sammelte er Erfahrung in der Spitzengastronomie und absolvierte im Südtirol seine Ausbildung zum Sommelier. So ist denn auch sein erklärtes Ziel, die Weinkarte des Hauses von aktuell 60 hin zu gut 140 Positionen auszubauen. «Wein ist etwas absolut Faszinierendes, denn hinter jeder Etikette steckt eine ganze Geschichte, viel Arbeit und noch mehr Herzblut.» Nebst einer grossen Auswahl italienischer finden sich selbstverständlich auch sizilianische Weine. Bald will der engagierte Gastgeber auch natives Olivenöl aus Sizilien importieren und kleine, feine, lokale Weingüter von dort berücksichtigen.
Ein Gaumenerlebnis
Inzwischen bekommen wir ein «Carpaccio di manzo e sottobosco», dünn geschnittenes Rindfleisch mariniert, mit Steinpilzen und Kastanienöl, sowie den «Polpo arrosto e patate schiacciate», den gebratenen Oktopus mit Rosmarin und Kartoffelvariation, serviert. Eigentlich zählt Oktopus nicht zu meinen Lieblingsspeisen. Aber so wie hier habe ich ihn noch nie gegessen. Die Bezeichnung «Gaumenerlebnis» scheint mir durchaus angebracht und gilt auch fürs Carpaccio und die folgenden beiden Speisen: Sowohl die «Ravioli di verdure con pesto di salvia e spuma di parmigiano e tartufo», Gemüseravioli mit Salbei-Pesto und schwarzem Trüffel, als auch das gerollte Seebarschfilet mit Safransauce und frischem Gemüse «Turbante di Spigola con pane profumato agli agrumi salsa allo zafferano e verdure» munden nicht nur grossartig, sondern sind schlicht eine Augenweide, so wie sie uns auf den Tellern präsentiert werden.
Durch das Vermächtnis
diverser Kulturen ist
die sizilianische Küche enorm variabel.Davide Marino

Auch das Brot ist hausgemacht und darf von den Gästen selbst geschnitten werden. «So bleibt es frisch am Stück und wir verhindern Foodwaste», erklärt Davide Buoncuore. Auch, wenn uns der Fisch enorm mundet, absoluter Renner hier sei des Küchenchefs «Ossobucco di vitello alla Milanese», Kalbshaxe mit Safranrisotto, fügt der stellvertretende Geschäftsleiter an.
Fleisch, Fisch, Vegetarisch, Pizza
Die Karte bietet somit auch für Fleischliebhaber feine Trouvaillen. «Pasta serviere ich sonst nicht zu Fleisch oder Fisch», erklärt der Küchenchef, als er sich nach unserem Befinden erkundigt. «Das ist bei uns in Italien nicht üblich. Eigentlich essen wir die Pasta vorgängig, das Fleisch kommt dann mit Gemüse. Aber selbstverständlich ist der Gast König und wenn er Pasta zum Fleisch möchte, bekommt er das auch», meint er augenzwinkernd. «Nur einfach nicht auf dem gleichen Teller, das bringe ich nicht übers Herz!»
Natürlich ist auch für Herrn und Frau Schweizers italienische Leibspeise gesorgt: Pizzaiolo Simone aus der Toskana bereitet bekannte und neue Kreationen zu, auch den Pizzateig macht er selbstverständlich selbst.
Den krönenden Abschluss unseres Essens machen ein herrliches «Tiramisu» und die vorhin zubereiteten «Cannoli Siciliani», diese knusprigen Teigröllchen mit süssem Ricotta. Auch uns kann man inzwischen schon fast rollen, so fein gefüllt wie wir sind!
Gut Ding will Weile haben
Geschäftsführer & Inhaber Gianni Lepore und Gastgeber Davide Buoncuore haben viel vor an der Aare. Eine Lounge wird es im Sommer auf der Terrasse zusätzlich geben, diese wiederum soll noch etwas vergrössert werden. Auch für die kleinen Gäste ist mit einem Spielplatz für Ablenkung gesorgt. Und schliesslich sind im Gastraum noch einige Neuerungen geplant. «Aber Rom wurde ja auch nicht an einem Tag erbaut», gibt Davide Buoncuore lachend zu bedenken, deshalb würden sie nun Schritt für Schritt vorwärts gehen. Wenn nun auch der Wettergott dem Schweizer Sommer gnädig ist, muss man inskünftig für einen mediterranen Sommerabend nicht mehr nach Sizilien, sondern nur noch bis Gerzensee fahren.







Fotos: Dan Zaugg