Anstelle einer Traumgeburt und einem gesunden Baby im Arm, durchleben Eltern von zu früh geborenen Kindern grosse Ängste, Sorgen und viel Ungewissheit. Niemand weiss das besser als Dina Hediger. Deshalb hat sie die Organisation «Frühchen & Neokinder Schweiz» gegründet und will damit Betroffene unterstützen und die Fachwelt sensibilisieren.
Der schwierige Weg ins Leben begann für die Zwillinge von Dina Hediger an einem Abend im August. «Plötzlich platzte bei mir die Fruchtblase. Komplett unerwartet, einfach so und aus dem Nichts. Ich war erst in der 26. Woche meiner Schwangerschaft und deshalb völlig unvorbereitet», erzählt Dina Hediger von jener Zeit im Jahr 2018. Die Geburt wäre für den November geplant gewesen und ihr Mann weilte mit Freunden auf einem Segeltörn. «Ich war also auf mich allein gestellt und kam mit der Ambulanz ins Spital. Dort stellten die Ärzte fest, dass die Geburt nicht mehr aufzuhalten war, und meine Jungs wurden per Kaiserschnitt auf die Welt geholt.» Dina Hediger befand sich emotional in einem Ausnahmezustand, hatte keine Ahnung, was jetzt mit den Kindern passierte und war völlig überfordert mit der Situation. «Ich hätte mir gewünscht, dass ich jemanden zum Reden hätte, der so etwas ebenfalls durchgemacht hat. Von den Ärzten und dem Pflegepersonal wurden wir zwar medizinisch optimal versorgt, sie konnten aber natürlich keine Prognosen stellen, ob und wie meine Jungs diese schwierige Zeit überleben würden.» So schwebten sie, ihr Mann und ihre Angehörigen gut vierzehn Wochen lang zwischen Hoffen und Bangen. Doch schliesslich meinte es das Schicksal gut mit ihnen: Die Zwillinge überlebten nicht nur, sie trugen auch keine Folgeschäden von ihrem viel zu frühen Start ins Leben davon.
Andere Eltern unterstützen
«Dennoch wollte ich unbedingt etwas tun, um andere Eltern in dieser Situation zu unterstützen», sagt Dina Hediger über ihr Herzensprojekt. «Jedes zehnte Kind auf der Welt braucht intensivmedizinische Betreuung nach der Geburt. Deshalb wollte ich nicht nur lokal, sondern auf nationaler Ebene tätig werden.» Sie klopfte bei verschiedenen Spitälern an und rannte dabei offene Türen ein. Mit Vorträgen vor Fachleuten, denen sie die Situation und die emotionale Achterbahn der Eltern aufzeigte, wuchs das Interesse an ihrem Projekt. Schliesslich gründete sie die Organisation «Frühchen & Neokinder Schweiz», der inzwischen 80 Ehrenamtliche angehören. Ihre Unterstützung im Peer-Support bieten sie an bisher drei, bald schon sieben Standorten in der ganzen Schweiz an. Ein wichtiger Teil der Organisation sind die sogenannten Peer–Eltern von ehemaligen Kindern auf der Neonatologie. Bei Kindern, die vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren werden, spricht man von einer Frühgeburt –
je nach Zeitpunkt gestaltet sich die Ausgangslage anders. «Natürlich kann niemand eine Prognose stellen, denn jede Frühgeburt ist wieder anders. Aber es geht darum, jemanden an der Seite zu haben, der eine ähnliche Situation durchgemacht hat, der einem Mut macht und wertvolle Tipps geben kann.» Mit ihrer Organisation will Dina Hediger allen Eltern sowie Fachpersonen verlässliche Informationen zur Aufklärung und weitere Hilfsangebote zur Verfügung stellen. «Reden hilft immer. Kommunikation ist in solchen Situationen so enorm wichtig und trägt dazu bei, dass sich Eltern sicherer fühlen im Umgang mit ihrem Neugeborenen auf der Neonatologie. Und das kommt letztendlich auch dem Kind zugute», weiss die engagierte Mutter aus eigener Erfahrung.
Ich hätte mir jemanden zum
Reden gewünscht, der eine ähnliche
Situation erlebt hat.Dina Hediger
Es gibt noch viel zu tun
Mit der traumatischen Frühgeburt ihrer Zwillinge hat sich Dina Hediger inzwischen versöhnt – die termingerechte und problemlose Geburt ihres dritten Sohnes hat ihr dabei geholfen. «Bei dieser Geburt habe ich erlebt, wie unglaublich schön es ist, wenn man von Anfang an sein Baby auch nachts neben sich haben kann – deshalb wäre es mein Traum, dass die Eltern auch auf der Neonatologie übernachten könnten. Denn Nähe ist auch für Frühgeborene das Allerwichtigste.» Es gibt also noch viel zu tun und jede Unterstützung ist willkommen.