BÜNE HUBER

«Die Grautöne sind das Spannendste»

Büne Huber

Büne Huber (62) über den schmerzvollen Weg zum neuen Patent-Ochsner Album «Tag & Nacht», die innige Verbundenheit mit seiner Tochter Hannah und den französischen Sprechgesang seiner Frau Sue.

Trägt das neue Album den Titel «Tag & Nacht», weil es extrem schöne oder schmerzhafte Erfahrungen waren, die Sie inspiriert haben?

Tag und Nacht, hell und dunkel, sind ein starkes Bild dafür, dass alles die eine und die andere Seite hat, wobei ich vor allem die Schnittstellen wahnsinnig spannend finde – die Übergänge vom Leben in den Tod, von den eigenen vier Wänden ins Leben auf Tournee, vom Popstar zum Papa. Sie sind manchmal sehr herausfordernd und führen zu einer Intensivierung des Schreibens. Sie ging bei diesem Album so weit, dass ich Schiss bekam, das Songmaterial zu verwenden. 

Aus welchem Grund?

Ich habe meinen Freund Wädi Gysi, der unheilbar krank war, sehr lange beim Sterben begleitet. Als er aus dem Spital entlassen wurde, hiess es, er hätte vielleicht noch zwei, drei Wochen zu leben, und dann wurden Monate daraus. Wir verbrachten sehr viel Zeit miteinander. In dieser Situation bist du dünnhäutig, nimmst ex­trem viel auf, was ganz viel auslöst und mich zu vielen Songs inspiriert. Die und meine Bilder sind nun mal meine Art, Erlebtes zu verarbeiten. 

Aber?

Ich realisierte, dass es mir, meiner Familie und meinem ganzen Umfeld nicht guttun würde, wenn dieses Thema eine ganze Tournee, möglicherweise jahrelang so dominant wäre. Da wir geplant hatten, nach den Herbstferien mit den Aufnahmen zu beginnen, merkte ich dieses jedoch zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Meine Ausstellung im Naturhistorischen Museum hatte mich so absorbiert, dass ich das Problem zu spät wahrnahm und nun der Band erklären musste, dass ich acht Lieder nicht verwenden kann und nochmals Zeit brauche, um neue Songs zu schreiben. 

Kurz darauf erlitten Sie einen Velounfall. Bedeutete er zusätzlichen Stress oder eine willkommene Verschnaufpause?

Wahrscheinlich habe ich die Zwangspause nach dieser hohen Belastung einfach gebraucht und musste dafür auf die Schnauze fallen. Nachdem ich auf der regennassen Strasse ausgerutscht war, spürte ich zuerst nur die gebrochenen Rippen und erst dann die kaputte Schulter. Ohne starke Medikamente hätte ich das letzte Konzert der Tournee nicht durchgestanden. Als es mir wieder besser ging, nahmen meine Schmerzen in den Händen jedoch so zu, dass ich nach der Schulter auch noch beidseitig mein Karpaltunnelsyndrom operieren lassen musste.

Wie gingen Sie damit um?

Ich wusste, dass ich danach mit einem möglichst kleinen Team arbeiten musste, um möglichst flexibel und schnell arbeiten zu können. Ich beschloss das Meccano Destructif Commando mit Wolfgang Zwiauer, Disu Gmünder und Andi Hug wiederzubeleben, mit dem ich vor 15 Jahren schon einmal eine Krise bewältigt hatte. In dieser Formation spielten wir ein hochgradig kreatives Pingpong. 

Wie kam es, dass Sie vor Donald Trump ins Weisse Haus eingezogen sind?

(Lacht) Wir suchten für die Albumproduktion erschwingliche Räumlichkeiten, fanden aber keine. Da kam unser Manager Christian Siegenthaler auf die Idee, über Facebook und Instagram gezielt Leute anzusprechen, die sich für Patent Ochsner interessieren. Schon einen halben Tag später klingelte das Telefon. Man bot uns ein Bürogebäude für eine Zwischennutzung an. Drei Etagen, zwei Flügel und ein riesengrosser Raum im Parterre. Wir sagten super, aber wir können uns das nicht leisten. Sie stellten uns das sogenannte «Weisse Haus» kostenlos für ein Jahr zur Verfügung, bevor sie darin ein alternatives Wohnprojekt mit 18 Wohnungen einrichteten.

Ein besonders persönliches Lied dürfte «Hannah Luna» sein. Wollen Sie sich bei Ihrer ältesten Tochter entschuldigen, weil Sie sich möglicherweise nicht genügend Zeit für Sie genommen hatten?

Nein, der Text ist nicht autobiografisch. Ich hatte sehr viel Zeit für Hannah! Den Text schrieb ich auf Wunsch zur Musik des Cantautore Mimmo Locasciulli. Ich habe dabei an ihn gedacht, aber er handelt von einer Thematik, die auch mich betrifft. Älter-werden bedeutet, du schaust zurück. Ich habe mir vorgestellt, da sitzen ein Vater und seine Tochter vor dem Cheminée. Zwischen ihnen herrscht eine innige Verbundenheit. Er schaut sie an, sieht ihre ganze Schönheit und spricht zu ihr. Alles ist aufgeladen mit einem Gespräch, das ich mit Hannah geführt hatte.

Sie blicken auf Ihr Leben zurück. Was raten Sie der heutigen Jugend?

Jugend heisst: Du bist voll im Saft. Dein ganzes Leben liegt noch vor dir, die Piste ist frei, es kann dich überall hinführen. Probiere aus, was dich interessiert. Leg dich nicht fest. Ich erinnere mich, wie ich in dem Alter gleich viele Pläne wie der Himmel Sterne hatte, und völlig hemmungslos war. Nachher hast du Kinder oder andere Verpflichtungen. Plötzlich bist du 62 und der Job scheisst dich an, aber du kannst ihn nicht mehr wechseln oder dich frühpensionieren lassen, weil du es dir nicht leisten kannst. Ich kenne das aus meinem Freundeskreis. Manche sind sogar jünger und müssen die Füsse stillhalten. Ich bin wahnsinnig dankbar, dass ich seit mehr als 30 Jahren tun kann, was ich am liebsten mache. Malen, schreiben, singen, musizieren und mit einer Band auf Tour sein. 

Könnten Sie sich vorstellen, beruflich einen Gang zurückzuschalten, um mehr Zeit mit der Familie verbringen zu können?

Sie müssen wissen: Ich habe in meinem Leben ganz viel Zeit für alles, was mir wichtig ist. Nichts steht mir im Weg. Ich kann in der Familie sein, ich kann mich meinen Kindern widmen und ich habe eine Frau, die Verständnis hat und mich unterstützt, wenn ich wieder einen blindwütigen Anflug von Kreativität habe. 

Mussten Sie nie auf etwas verzichten?

Doch, wenn ich nicht Verantwortung für meine Kinder und meine Musiker getragen hätte, wäre ich wohl massiv mehr um die Welt gereist, zwischendurch einfach für ein Jahr losgezogen. Auf der anderen Seite konnte ich mir immer wieder Auszeiten von zwei, drei Monaten nehmen. Das hätte ich vergessen können, wenn ich als Schlosser weitergearbeitet hätte. 

Der französische Sprechgesang in «Sowieso» erinnert an «L’été Indien», Joe Dassins Hymne auf eine Geliebte und den amerikanischen Indian Summer. Kein Zufall?

Der Song entstand aus einem Gedicht. Weil ich es auf Korsika geschrieben hatte, bat ich Sue, meine Frau, die bilingue ist, es auf Französisch zu übersetzen. Es gefiel mir sehr, wie sie es sprach und nahm sie auf, hatte aber nicht vor, daraus ein Lied zu machen. Später, im Laufe der Albumproduktion, erinnerte ich mich jedoch und stellte sie in eine Songskizze rein, die ich auf dem Computer hatte. Sues Stimme berührte mich zutiefst und die Band reagierte begeistert. 

Welche Botschaft wollen Sie mit diesem Song transportieren?

Es geht um Toleranz. Ich halte es aus, dass du nicht immer meiner Meinung bist, dass du vielleicht ganz anders denkst, dass du andere Werte hast, weil das einfach zum Leben gehört. Das muss man aushalten können. In einer Zeit, in der es nur noch ja/nein, on/off, schwarz/weiss und keine Grautöne mehr gibt, ist das besonders wichtig. Die Welt hat noch nie funktioniert, wenn sie auseinanderdriftete, hin zu den Extremen. «Sowieso» wäre ein guter Schlusspunkt für das Album gewesen.

Weshalb haben Sie sich anders entschieden?

Der versöhnliche Epilog von «Universum» mit Woodys (Daniel Woodtlis) ausklingender Trompete und Wolfi Zwiauers Bassspur ist ebenfalls ein wunderschöner Schluss, der mich noch immer umhaut, wenn ich ihn höre. Darüber hinaus bildet er jedoch mit dem «Universum»-Prolog auch die perfekte Klammer für dieses Album.

Foto: Christian Lanz

Text: Reinhold Hönle

PERSÖNLICH

Büne Huber wurde am 27. Februar 1962 in Bümpliz geboren. Der Sänger und Songschreiber von Patent Ochsner ist das einzige verbliebene Urmitglied der 1990 gegründeten Band, die schon mit ihrem Debütalbum «Schlachtplatte» zu einer der treibenden Kräfte des Schweizer Mundartrocks avancierte. Lieder wie «Bälpmoos», «Guet Nacht, Elisabeth», «W. Nuss vo Bümpliz» und «Für immer uf di» zählen zu den Klassikern des Mundartpop. Die Ausstellung seiner Bilder im Naturhistorischen Museum 2023 zeigte, dass der gelernte Metallbauschlosser und Sozialpädagoge auch ein talentierter Maler ist. Huber lebt mit seiner zweiten Frau Sue und ihren Kindern Julie (8) und Max (9) in Bern. Er verwebt auf dem Album «Tag & Nacht», das am 31. Januar erscheint, Leben und Sterben, Freud und Leid, auf unnachahmliche ochsnerische Art. Die acht Konzerte vom 26. Februar bis 8. März im Bierhübeli sind schon alle ausverkauft. Tickets gibt es noch für einige Sommer-Festivals.

Mehr Infos: patentochsner.ch

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