Adrien Rihs ist Künstler und Kurator. Mit seinen Projekten «office goes art» und «ArtStadtBern» brachte er die Kunst in Büros und Bürgerhäuser. Nun zieht es ihn aufs Land, nach Bantigen, Berns Geheimtipp für Ausflüge.
Das neuste Kunstprojekt von Adrien Rihs ist von einer wahren Begebenheit inspiriert. «Mein Vater war noch ein junger Assistenzarzt als er sich aufgrund eines Magengeschwürs einer Operation unterziehen musste», so Rihs. Seine Kollegen spielten ihm einen Scherz und stellten sein Krankenbett unter einen Baum. «Als mein Vater aufwachte glaubte er, er sei im Paradies, also tot.» Nie mehr habe er sich nach diesem Erlebnis operieren lassen, heute sei er hundert Jahre alt. Rihs platziert nun in Bantigen, wo er eine Ausstellung kuratiert, an der er mit einem eigenen Werk teilnimmt, ein Bett unter einem Baum und regt die Besucherinnen und Besucher dazu an, sich in dieses Bett zu legen und über den Tod zu reflektieren. Der Tod beschäftige ihn seit jeher. Wann ist es Zeit zu gehen? Klammert man sich am Ende ans Leben? Das seien Fragen, die uns alle angingen. Rihs ist beides: Künstler und Kurator. Sein neustes Projekt präsentiert er im Rahmen von «ArtLandBantigen» (siehe Box), einem zweitätigen Kunstfestival, zu dem er zwanzig Kunstschaffende eingeladen hat. «Ich wohnte in einer Dachwohnung im Weissenbühl und konnte von dort aus Bantigen sehen», so Rihs. Das brachte ihn auf die Idee, etwas in diesem intakten und wahnsinnig pittoresken Dorf auf die Beine zu stellen. «Bantigen ist ein Geheimtipp, ein schöner Ausflugsort von Bern aus.» Während zweier Tage wird das ganze Dorf mit Kunst bespielt. So wird man in einer Scheune auf Videoinstallationen von Peter Aerschmann stossen, oder in einem ehemaligen Ofenhaus auf Fotografien von Brigitte Lustenberger.
Kunst im Büro
Für seine eigene Kunst geht Rihs häufig von einem Ort oder einer Geschichte aus. Doch der im Jura aufgewachsene Künstler hatte ein spätes «Coming Out», wie er seinen Gang an die Öffentlichkeit mit ersten Werken nennt. Er studierte Kunstgeschichte, Französisch und Deutsch in Bern. Während seines Auslandaufenthaltes in Düsseldorf verbrachte er ein Gastsemester an der Kunstakademie, wo einst der berühmte Künstler Joseph Beuys (1921 – 1986) lehrte. «Ich fühlte mich dort total frei, jeder suchte sich selbst», so Rihs. Ab 2002 stellte er regelmässig in der ganzen Schweiz aus. Mit seiner ersten Ausgabe von «Office goes Art» sorgte er 2008 in Bern für Aufsehen. Auf einer Büroetage eines Bildungsverbandes gestaltete er ein «lebendes Büro». Bildschirme erhielten Augen, ein Beamer projizierte ein riesiges Bild an die Wand. 2012 folgte schliesslich das Projekt «ArtStadtBern», wobei während zweier Tage hinter die Kulissen der Altstadt geblickt werden konnte. Poetische Interventionen machten Orte und deren Historie sichtbar. «Wir waren erfolgreich», so Rihs, der ganze vier Ausgaben von «ArtStadtBern» mitkuratierte. Doch die Finanzierung der Stadt fiel zu knapp aus. Rihs entschied sich schweren Herzens, das Projekt aufzugeben. 2022 fand er in der Residenz des französischen Botschafters einen Ort für seine Ideen. In der Villa im Renaissancestil präsentierte er Kunstschaffende aus Bern und Frankreich. Diese durften Räumlichkeiten nutzen, die normalerweise nicht zugänglich sind. So trafen Möbel im klassizistischen Stil auf Videokunst, Fotografie, Malerei und Installationen. Rihs war natürlich wieder mit einem eigenen Beitrag dabei. Er beklebte zwei grosse Spiegel mit schwarzen Zetteln, mit Begriffen zum Thema Krieg. Er bat die Besuchenden einen Zettel mit handschriftlich festgehaltenen Wörtern wie «Angriff» oder «Diktatur» mitzunehmen und nannte seine Arbeit «Memento». «Es ging mir darum, ein Zeichen gegen das Abstumpfen zu setzten, so dass wir uns am Ende wortwörtlich wieder im Spiegel anschauen können.»