Es ist unmöglich, das gesamte Schaffen von Kathrin Racz in ein Interview zu packen. Ihre Bilder lassen einen schmunzeln oder stimmen nachdenklich. Kathrins Atelier in den Vidmarhallen ist Querblick und Schatzkiste ihrer Werke, die manchmal, so scheint es, den Stinkefinger zeigen.
Ihre Bilder sind sehr direkt in ihrer Aussage.
Ja, ich bin keine «akademische» Malerin, liebe selbstredende Kunst und mag es, wenn sich Betrachtende ihre eigenen Interpretationen zu meinen Arbeiten machen.
Was war die Initialzündung, den Weg als Kunstschaffende zu gehen?
Mein Coming-Out als Künstlerin war ein langer Prozess, obschon ich immer künstlerisch aktiv war. Wenn ich heute meine Bilder ausstelle, haben sie mein OK und ich fühle mich wohl mit ihnen.
Gab es die besorgten Stimmen, die besagten, dass Kunst, insbesondere für eine Frau, brotlos sei?
Für meine Eltern war es klar, dass ich den «Semer» machen soll – da gab es ja Musik und Zeichnen, was ich beides so liebte – und auch der Berufsberater hatte kein Ohr für meinen Wunsch, etwas Gestalterisches zu machen, zumal es damals noch wenige Kunstberufe für Frauen gab.
Ihre Werke variieren zwischen sehr farbig-frech-fröhlich und düster-nachdenklich. Sind es Seelenmomente, die Sie erfassen?
Manchmal werden meine Bilder, wenn es mir nicht gut geht, farbiger. Sie verselbständigen sich während dem oft sehr langen Malprozess. Als ich kürzlich eine Serie mit schwarzen Arbeiten zeichnete, empfand ich das als sehr lustvoll.
Sie wurden 2009 von der Vizebotschafterin der Schweiz in Kenia, nachdem diese Sie über Ihre Webseite entdeckt hatte, nach Nairobi eingeladen und haben dort am Kuona Trust (Zentrum für visuelle Kunst) neun Wochen gearbeitet. Was hat diese Zeit mit Ihnen gemacht?
Viel. Ich war so lange in fremdbestimmten Strukturen unterwegs und hatte in Nairobi plötzlich den ganzen Tag für mich. Ich MUSSTE nichts! Anfänglich hatte ich Mühe, mich dort als Weisse in der Minderheit frei zu bewegen.
Jetzt wissen Sie, wie sich das für Menschen mit anderer Hautfarbe hier anfühlt …
Ja, auffallen ist schwierig. Ich verbrachte schon 2004 zehn Wochen in Namibia bei einer Freundin, um endlich perspektivisches Zeichnen zu lernen, was ich natürlich nicht tat! (lacht) Es war ein Meilenstein für mich, weil ich mich dort das erste Mal öffentlich Künstlerin nannte, was mich zuvor immer sehr viel Überwindung gekostet hatte.
Sie haben 2011 auch Ihre Krankheit thematisiert.
Ich war in der Zeit der Krebsdiagnose mit der Serie der kleinen Häuser beschäftigt. Thematisiert habe ich meine Krankheit in der Serie «Seitenwechsel» und in der Rekonvaleszenz malte ich dann das gelbe Selbstbildnis, das ich übrigens nie ausstellte, im Sessel mit Schläuchen und Handschuhen.
Die Situationen im Sessel an den Schläuchen erinnern an Bilder von Frieda Kahlo.
Ich habe die Bilder nicht in Anlehnung an Frieda gemalt. Aber sie erinnern an das «Ausgeliefertsein» und wie das ist, wenn man dasitzt, Handschuhe und Socken trägt und die orange Substanz in deinen Arm tropft.
Die Bilder waren mutig; viele wissen ja wenig, was während einer Chemo genau abläuft.
Das weißt Du erst, wenn Du die Krankheit hast. Und ich muss auch sagen, dass sie auch spannende Seiten hatte; man hat einen neuen Alltag, lernt sehr viel Neues und macht sich schon Überlegungen über das Leben und den Tod.
Hat sich mit dem Krebs auch Ihre Malerei verändert?
Grundsätzlich nicht. Als Künstlerin macht man ja sowieso Prozesse durch, von unbeschwert leicht, spontan und begeistert bis hin zu nachdenklich schwer. Ich mache mir heute aber viel mehr Gedanken, wenn ich arbeite und bin sehr viel kritischer geworden.
Hat das auch mit Ihrem Mann Henri Racz und dessen Galerie DuflonRacz, die er 2006 an der Gerechtigkeitsgasse eröffnet hat, zu tun?
Jein. Es ist aber schwierig, denn in der Kunstszene wird er mehr wahrgenommen als ich und mein Kunstpublikum ist ein anderes als seines. Eigentlich passe ich aber ganz gut ins Programm. Schwierig ist es mitunter für mich, dass ich als Mitinhaberin der Galerie gesehen werde, was ich nicht bin. Ich werde auch nicht bevorzugt behandelt und stelle bei DuflonRacz nur etwa alle vier Jahre aus.
Ist Kunst Ihr absoluter Lebensinhalt?
Sie ist mein Beruf, meine Berufung und ich verbrachte jahrzehntelang jeden Tag im Atelier. Heute nehme ich es ein bisschen ruhiger…
Was macht für Sie gute Kunst aus?
Kunst muss mich berühren.
www.kathrinracz.ch
(hier findet man nebst vielen Werken das Ausstellungs-, Auszeichnungs- und Ankauf-Verzeichnis sowie das Kursangebot der Künstlerin)