Dodo Hug (75) feiert drei Jubiläen, sinniert über ihre komödiantische Ader und erklärt, weshalb ihr als Wandervogel ein warmes Nest wichtig ist.
Wie kommt es, dass Sie immer noch auf Tournee gehen, obwohl Sie vor dreissig Jahren «I ma nümm» sangen?
Heute habe ich keine andere Wahl. Wie könnte ich allein von 1480 Franken AHV leben? (Lacht) Nein, die Musik ist mein Leben, ich könnte nicht sein ohne sie. Und das Publikum scheint sie zu lieben, sind doch fast alle Konzerte zu meinem 50-jährigen Bühnenjubiläum ausverkauft. Aus diesem besonderen Anlass leiste ich es mir auch, im Sextett aufzutreten. Einige Lieder meines Best-of-Programms «dodoLogie» spielen wir jedoch in kleinerer Besetzung.
Was hat Sie zu Ihrem Evergreen inspiriert, der humorvoll und musikalisch originell den zunehmenden Stress thematisierte?
Mit Mad Dodo gaben wir am Ende 150 Konzerte pro Jahr und das war «nid nüt»! Wegen der vielen Kostümwechsel waren wir dauernd am Herumrennen. Als ich in jener Zeit wieder einmal am Schreibtisch beim Songschreiben sass, wurde mir das richtig bewusst. Daraus entstand «I ma nümm» und der Wunsch, allein bestimmen zu können, wohin meine musikalische Reise geht. Zumal es in einem Ensemble auch sehr anstrengend ist, wenn alles ausdiskutiert werden muss. Ich fragte Efisio (Contini), meinen heutigen Ehemann, den ich Mad Dodo kurz zuvor als Gitarristen vorgeschlagen hatte, ob er sich eine Zusammenarbeit mit mir auch vorstellen könnte, falls ich solo weitermache.
War es bei Ihnen musikalisch und privat Liebe auf den ersten Blick?
Ich glaube, das kann man schon so sagen. Oder was meinst du, Efisio? (sein Lachen dringt aus dem Nebenzimmer) Ich habe mir immer einen Mann auf Augenhöhe gewünscht, mit dem ich viel gemeinsam unterwegs bin, der aber auch sein eigenes Ding macht. Wenn er einmal mehr gefragt wird, ob es ihm nichts ausmache, bei mir nur die zweite Gitarre zu spielen, antwortet er selbstbewusst: «Ich spiele die erste Gitarre und finde das toll!»
Wie stellen Sie Ihre Programme zusammen?
Nebst eigenen Songs von mir oder Efisio interpretieren wir auch Songs und Covers aus den Sparten Weltmusik und Pop. Es gibt so viele tolle Lieder, weshalb sollen wir hier nicht aus dem Vollen schöpfen und sie den Leuten näherbringen? Die eigenen Sachen haben den Vorteil, dass man Geschichten erzählen und Anliegen platzieren kann, wobei ich es mag, wenn man es nicht besserwisserisch, sondern auf witzige Art macht.
Sie lieben Wortspiele.
Ja, und es zog mich schon immer nicht nur zum Ernsthaften, sondern auch zum Humorvollen hin. Anders als bei Mad Dodo sind es heute keine Schlagerparodien mehr, sondern mehrheitlich kritisch-witzige Gedankengänge, wie im Chanson «Bitti Bätti mache» über Kulturpolitik oder «Am Pfyl na», wo ich meine Ikea-Besuche verarbeite. Es handelt von Menschen, die stets dem Strom folgen, um nicht aufzufallen.
Was bedeutet es Ihnen, dass Ihr komödiantisches Talent sogar mit dem Deutschen Kleinkunstpreis und dem Salzburger Stier ausgezeichnet wurde?
Natürlich habe ich mich darüber gefreut, aber mehr noch über ein Kompliment, das mir Viktor Giacobbo gemacht hat, in dessen Sendungen ich immer wieder aufgetreten bin. Es sagte mir einmal, für ihn sei ich die beste Komikerin der Schweiz, weil sich mein Humor nicht nur in den Songtexten zeigt, sondern auch, weil ich mein komisches Talent bei meinen Auftritten spontan einzusetzen weiss.
Ich realisierte früh,
dass ich die Töne treffe, aber Lob erhielt ich
nur selten.Dodo Hug
Wie kommt es, dass Sie eines Ihrer bekanntesten Lieder aus ihren Programmen verbannt haben?
«Dr Ätti», der auf YouTube 120 000 Likes hat, ist schon so oft in Mini-Playback-Shows und bei irgendwelchen Grümpelturnieren zu hören, da braucht es mich nicht mehr. Zudem geht das Lied ganz schön an die Stimmbänder, weil ich gegen den Schluss des Songs fast schon Tina Turner-mässig schreie.
Wie kommt es, dass Sie seit bald fünfzig Jahren in Zürich leben?
Einerseits bin ich dankbar, dass wir eine erschwingliche Wohnung gefunden haben, anderseits bin ich – wohl auch wegen meiner Kindheitserfahrungen – froh, mich zwischen den Konzerten in ein «Nest» zurückziehen zu können. Ich bin eben ein Wandervogel mit dem Bedürfnis nach Geborgenheit.
Wie sieht bei Ihnen ein typischer Tag zuhause aus?
Gerne fahre ich zum Gemüsemarkt, besuche danach mit Freundinnen ein Café und koche dann mit Efisio unseren Zmittag. Nachmittags habe ich meistens im Haushalt und Büro zu tun. Ausserdem unterrichte ich Liedbegleitung auf der Gitarre und Ukulele. Ich gehe aber auch regelmässig schwimmen, schreibe, lese und stricke gerne.
Wann merkten Sie, dass Sie musikalisches Talent besitzen?
Schon mit fünf oder sechs Jahren begann ich bei allem mitzusingen, was im Radio lief, speziell bei Caterina Valente, Vico Torriani und Hazy Osterwald. Ich realisierte früh, dass ich die Töne treffe, aber Lob erhielt ich nur selten. Mit den Lehrern konnte ich es nicht so gut …
Woran lag das?
Sie mochten meine unbändige Art und mein Talent zum Clown, mit dem ich meine Mitschüler unterhielt, nicht. Dabei machte ich es nicht, weil ich den Unterricht stören wollte, sondern, um zu kompensieren, dass ich eine sehr strenge Mutter hatte. Bruno Ganz sagte mal in einem Interview, dass viele, die auf der Bühne stehen, auf der Suche nach Zuneigung sind, geliebt werden möchten. Da bin ich keine Ausnahme.
Wie ist es zu Ihrem Beruf geworden?
Das ist eine längere Geschichte. Zuerst sang ich nur für Brot und Wein in den Gassen und Beizen der Berner Altstadt. Besonders gut klangen die Lieder unter den Lauben. Meinen Lebensunterhalt verdiente ich damals noch als Kellnerin, Keramikmalerin, Tankwartin, Bürohilfe oder Verkäuferin. Als mich der Jazzmusiker Bruno Spoerri entdeckte, sind für mich einige Dinge ins Rollen gekommen. Ich habe dabei nie eine Strategie verfolgt, sondern die Dinge immer auf mich zukommen lassen.
So einfach dürfte es aber wohl doch nicht gewesen sein …
Wenn mich die Leute fragen, wie es mir gelungen ist, eine so lange und erfolgreiche Karriere zu haben, sage ich immer, für eine solche Laufbahn – ich mag das Wort Karriere nicht – braucht es sicher Talent, aber mindestens ebenso wichtig sind Leidenschaft und Durchhaltevermögen.
Wie feiern Sie Ihre beiden privaten Jubiläen in diesem Jahr?
Meinen 75. Geburtstag und unseren 30. Hochzeitstag feiern Efisio und ich in erster Linie, indem wir zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder einmal richtig Ferien machen, einen Monat in seiner Heimat Sardinien. Da freuen wir uns schon riesig drauf.
Foto: zvg