In ihren fotografischen Stilleben entführt Daniela Constantini die Betrachtenden in zauberhafte kleine Welten. Die Wahlbernerin, die kürzlich den Swiss Photo Award gewann, bringt dabei auch ihre Biografie in ihre Werke ein.
Fast wie ein barockes Meisterwerk, aber in der Gegenwart angekommen. So wirken Daniela Constantinis Fotografien von Pflanzen und Menschen, die die Fotokünstlerin mit viel Licht und Schatten still und doch kraftvoll ins Bild setzt. Der Betrachter taucht in eine magische und in sich abgekapselte Welt ein. Geschickt bringt die Wahlbernerin dabei ihre niederländischen Vorbilder, aber auch die Kultur ihrer mittelamerikanischen Heimat Mexiko zusammen. Überbordende Farben, Schmetterlinge, exotische Früchte.
So erschafft sie in vielen Stunden in ihrem Atelier fotografische Stillleben. «Dieser Prozess gibt mir eine grosse Ruhe. Manchmal habe ich ein Bild vor meinem geistigen Auge, aber mit den zur Verfügung stehenden Pflanzen funktioniert das Arrangement nicht. Dann muss ich mich von dieser Vorstellung und Erwartung trennen und erst wieder offen werden», beschreibt die gebürtige Mexikanerin ihre Arbeit. «Die Sujets sind immer substanziell für mich.»
Mit den aussergewöhnlichen Aufnahmen konnte Constantini unlängst auch die Jury des International Photo Festival Olten begeistern. Ende August gewann sie den ersten Preis beim Swiss Photo Award. Die Trophäe, ein Marmorquader, steht auf ihrem Schreibtisch. Constantini kann ihn kaum anheben und schmunzelt darüber. Sich mit anderen Fotografen zu messen, ist der Fotografin eigentlich kein Anliegen: «Natürlich ist unser Beruf kompetitiv. Aber die Welt ist so gross, selbst wenn wir alle das Gleiche fotografieren, so wird es doch tausende Blickwinkel, Motivationen und Emotionen dahinter geben. Es ist genug für alle da.» Egal in welchem Wettbewerb, es wird immer Menschen geben, die die mit Hingabe erschaffenen Fotografien gut finden werden, ist sie überzeugt.
Verliebt in Bern
Ihr Studio teilt sie sich mit ihrem Mann. Für den Berner Roger Bucher zog sie 2017 in die Schweiz. «Die Liebe hat mich nach Bern verschlagen», nickt sie. Das Paar lernte sich beim Studium in New York kennen, wo beide das International Center of Photography besuchten. Auch zuvor lebte Constantini in einer Megastadt, denn sie wuchs in Mexico-City auf. Ist für sie Bern ein Dorf? «Ja, die Stadt ist sehr klein, aber ich habe mich auch in sie verliebt», lacht sie. «Es ist leicht, Bern ein zu Hause zu nennen.» Besonders mag sie die kurzen Wege. In Mexiko brauchte sie ein Auto und Stunden, um von A nach B zu kommen. «Hier geht alles in zehn Minuten.»
Zu ihren Lieblingswörtern gehört zuweilen «Schoggisite», die Schokoladenseite des Gesichts. Diese Vokabel braucht sie als Fotografin natürlich. Ausserdem mag sie den Wechsel der Jahreszeiten in ihrer Wahlheimat, freut sich schon auf den Herbst. «Doch ich vermisse die mexikanische Sonne», sagt sie, «der Winter und die Kälte hier machen mir nichts aus, nur dass es im Winter so wenig Licht gibt.» Neben Familie und Freunden fehlt ihr die Küche ihrer Heimat. «Das quält mich jeden Tag. Letztens habe ich eine Dokumentation über mexikanisches Essen gesehen. Schliesslich musste ich sie abbrechen, weil ich so sehnsüchtig vor dem Fernseher wurde.» Da schaffen die mexikanischen Foodtrucks in Bern wenigstens etwas Abhilfe.
In der Bärenstadt sind der Rosengarten und der Markt Constantinis Lieblingsorte. Blumen, Gemüse und Früchte sprechen sie an, das Alltagsleben inspiriert sie. Manche Dinge fragten geradezu danach, fotografiert zu werden, sagte die Fotografin einmal. «Dann finde ich eine Blume, suche nach passenden Objekten dazu, Texturen – alles, was meine Aufmerksamkeit anzieht.» Constantini berührt für einen Moment das Bouquet auf ihrem Tisch. Die fragilen Schnittblumen sind vergänglich, bei ihren Arrangements lässt die Fotografin sich dennoch Zeit. «Auch eine abgeblühte Pflanze erzählt eine Geschichte», philosophiert sie.
Blick durchs Objektiv in die Welt
Ihre Begeisterung für die Fotografie fing schon in frühen Jahren an. «Als 12-Jährige war ich mit meinem Vater beim Durchzug der Monarchfalter in Mexiko dabei. Er gab mir eine Kamera und brachte mir bei, wie wichtig der Bildausschnitt ist. Ich begriff, dass der Blick der Fotografie ein anderer ist als im normalen Leben. Da war ich das erste Mal fasziniert.» Ein paar Jahre später besuchte sie mit ihrer Schulklasse einen Zoo. «Meine Schulfreundin versuchte, einen Eisbären zu fotografieren. Geduldig wartete sie mit ihrer Kamera, bis sich der Bär sich endlich rührte. Ich erinnere mich daran, wie konzentriert wir durch den Sucher schauten. Ein wichtiger Moment in meinem Leben.» Ab da war Constantini verliebt in den Blick durch die Kameralinse.
Ebenso gerne wie stille Objekte fotografiert sie Menschen, besonders Frauen. So arbeitet sie derzeit an einer Fotoserie mit Frauen, die sie aus ihrem näheren Umfeld kennt, schwärmt vom Austausch zwischen Fotografin und Fotografiertem. Diese Beziehungen sollen in den Bildern sichtbar werden. Sie arbeitet gerne mit Amateur-Fotomodellen. «Ich sehe Schönheit, die sie selbst in sich nicht vermutet hätten. Das ist für mich sehr spannend und bereichernd.» Oft haben die Menschen auf ihren Bildern einen strengen oder abwesenden Ausdruck, gelächelt wird selten. Ist das Absicht? Constantini muss lachen: «Natürlich mag ich lächelnde Menschen. Aber meine Fotoschule war da sehr streng. Lächeln galt als zu posiert. Die Menschen sind nach dem Lachen echter und interessanter.» Dieser Ausdruck gibt ihren Fotos Tiefe und Authentizität.
Neben ihren künstlerischen Fotografien sind Dokumentationen eines ihrer Fachgebiete. «Das möchte ich bald wieder machen, jemanden einen Tag lang mit der Kamera begleiten. Nichts Gelenktes, einfach im Moment dabei sein.»