Michael Streun, freischaffender Künstler und Dozent an der Schule für Gestaltung in Bern, ist ein Virtuose der Farben und Kompositionen. Bekannt wurde er vielen Bernern, als er bekannte Musiker und Musikerinnen in Öl porträtierte und 2009 in der Galerie 4-8 unter dem Titel «Klingende Köpfe» zeigte. 2023 wurden seine Werke in der renommierten Berliner Galerie Tammen und an der ART Positions Berlin vorgestellt und waren dieses Jahr zudem an der ART Karlsruhe vertreten.
Michael, hatten Sie jemand, der oder die Sie inspirierte, den Weg der Kunst zu gehen?
Mein Onkel Walo Streun machte in den Fünfzigerjahren in Bern eine Lehre als Trickfilmzeichner. Bei meinen Grosseltern hing eine realistische Bleistift-Zeichnung eines Pferdekopfes von ihm. Diese war der Auslöser und Ausgangspunkt für mich; ich wollte unbedingt auch so zeichnen können wie er.
Zeichneten und malten Sie schon als Kind?
Seit ich mich erinnern kann, zeichne ich. In der Schule zeichnete ich mit Comicfiguren und Porträts die Hefte voll. Das Malen interessierte mich noch nicht.
Ihre Lebenspartnerin Franziska Streun ist Autorin diverser Bücher und Literaturpreisträgerin der Stadt Thun. Tauschen Sie sich oft aus, wenn es um kreative Fragen geht? Beflügeln Sie sich mitunter gegenseitig?
Wir sind beide Workaholics – leben unsere Leidenschaften. Wir unterstützen uns gegenseitig sehr. Ich gestalte ihre Buchcovers, Flyers, Website etc. und lese meistens als Erster die Rohfassung zu einem neuen Buch und gebe Anregungen. Sie hilft mir bei meinen administrativen Vor- und Nachbearbeitungen zu den Ausstellungen. Wir reden uns in den kreativen Prozess nicht rein. Franziska tauscht sich aber gerne mit mir über ihren Schreibprozess aus. Ich dagegen arbeite sehr zurückgezogen im Atelier und kann erst über ein Bild reden, wenn es schon fast fertig ist, und ich sicher bin, dass es «Bestand» hat.
Ihre Werke sollten schon lange in namhaften Galerien hängen … Letztes Jahr wurden Sie eingeladen, Ihre Bilder in der Galerie Tammen in Berlin zu zeigen. Wie war das Echo?
Den Kontakt zur renommierten Berliner Galerie von Werner Tammen hatte ich schon 2017 in meinem halbjährigen Berlin Atelierstipendium der Stadt Thun geknüpft. Die Ausstellung und die beiden Messen mit der Galerie in Berlin und Karlsruhe waren ein voller Erfolg, besser als ich mir das hätte erträumen können. Ich erhielt tolle Feedbacks zu meinen figurativen Arbeiten. Inzwischen hat mich die Galerie Tammen fix in ihr Programm aufgenommen, und wir planen bereits die neuen Ausstellungen.
Haben sich spannende Kontakte ergeben oder knüpften Sie diese schon früher?
Schon durch meine frühere Tätigkeit als satirischer Zeichner hatte ich Kontakte in Berlin. Aber seit 2017 habe ich mein Netzwerk zu anderen bildenden Künstlerinnen und Künstlern weiter ausgebaut und konnte 2019 in einer spannenden Gruppenausstellung im Frieder Burda Museum/Salon Berlin teilnehmen.
Wie gehen Sie mit Kritik um?
Kritik finde ich anregend und wichtig. Von der Satire herkommend, war ich immer gesellschaftskritisch und politisch interessiert, was polarisieren kann. Hierbei hatte ich das Gefühl, dass in Berlin das Publikum offener war für jene Kompositionen, die dystopisch anmutenden können.
Sie arbeiten auch als Lehrer an der Schule für Gestaltung in Bern. Was bedeutet Ihnen dieser Ausgleich?
Ich unterrichte seit bald zehn Jahren Aktzeichnen im schönsten Aktsaal von Bern und freue mich, dass ich einmal in der Woche vom einsamen Arbeiten im Atelier rauskomme und geniesse die Zeit mit den begeisterten Aktzeichnenden. Egal in welchem Zustand die Welt «draussen» ist, der Aktsaal ist eine Zeitkapsel und seit 1935 fast unverändert.
Hat es Sie zum Arbeiten nie ins Ausland gezogen?
Ich konnte erst nach meiner Familienzeit als freischaffender Künstler arbeiten. Als ich 2017 ein halbes Jahr in Berlin leben und arbeiten durfte, ging für mich schon ein Traum in Erfüllung. Seither bin ich immer wieder für längere Aufenthalte in der Kunststadt.
Woher kommen Ihre Bildideen?
Ich notiere seit Jahren Titel für Bilder in mein Skizzenbuch. Jeder Titel löst eine Bildkomposition in meinem Kopf aus. Diese entwickle ich auf einer kleinen Kartonstudie weiter, bevor ich mit ihr auf die grosse Leinwand gehe.
Sie thematisieren oft auch düstere Themen. Werden Sie auf diese angesprochen?
Natürlich, doch ich versuche einfach, meiner Intuition zu folgen. Nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz 2017 in Berlin, verbrachte ich während des Atelierstipendiums ein halbes Jahr in der sich in Schockstarre befindlichen Metropole. Die Stimmung von damals in dieser Grossstadt und die Entwicklungen der letzten Jahre mit der Pandemie, den zunehmenden gesellschaftlichen Spannungen und dem folgenschweren Krieg beschäftigen mich seither. Ich arbeite langsam. So langsam, dass die Kompositionen manchmal während des Malprozesses von der Aktualität überholt werden. Dadurch entstehen surreale Überblendungen und Überlagerungen. Sie spiegeln die Komplexität unserer Zeit. Diesen «anrührenden» Bilderthemen der Gegenwart setze ich eine optimistisch starke Kraft mit kleinformatigen Porträts von jungen «Powerfrauen» entgegen. Durch ihre Präsenz schaffe ich eine Balance. Die Serie vermittelt Kraft und bildet zwischen düsteren Aspekten des Zeitgeschehens das selbstbewusste Gegenstück.
Ist es in ihren Augen wichtig, dass Kunstschaffende politische Statements in Bildern darstellen?
Ich finde, dass das jede Künstlerin und jeder Künstler für sich entscheiden soll.
Welche Einladung einer bekannten Galerie würde Sie freuen?
Die Freude hatte ich letztes Jahr, als sich Barbara Marbot und Hans Ryser von der Berner Galerie da Mihi bei mir gemeldet haben. Ich werde dieses Jahr im Herbst mit ihnen am ART Salon Zürich an der Messe vertreten sein und Anfang 2026 in Bern bei ihnen in der Galerie meine erste Einzelausstellung bestreiten.