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MANUEL LINIGER ALIAS MANILLIO, RAPSTAR

«Manchmal kam ich mir egoistisch vor»

Wieder auf dem Weg nach oben: Rapper Manillio. Foto: Reinhold Hönle

Rapper Manillio (36) kehrt auf seinem fünften Album «Deheim Deheim» zu persönlicheren Texten zurück, die seine Fans mehr be­rühren, und hat sich damit freigeschwommen.

Die letzten beiden Alben haben Sie im Bierhübeli getauft, diesmal treten Sie in der Mühle Hunziken auf. Kein Zufall?
Was soll ich sagen? In den letzten Jahren ist in der Musikszene viel passiert. Speziell die Pandemie hat mich für einen Moment wirklich verunsichert. Noch nie zuvor habe ich über so lange Zeit keine Konzerte gespielt. Früher hatte man ein besseres Gespür dafür, welche Locations man füllt. In der Mühle Hunziken war ich in meinem Leben noch nie, weder als Zuschauer noch auf der Bühne, aber wir waren schon lange im Gespräch. Jetzt gibt es also quasi eine doppelte Premiere, für mich und das Album. (lacht)

Im Booklet steht, Sie hätten vor dem Album öfter ans Aufhören gedacht als auch schon. Sie wussten also nicht, ob es Ihr Vermächtnis würde?
Während der Produktion gab es Momente, in denen ich beim Schreiben blockiert war, nicht weiter wusste. Dann studierte ich schon, ob ich mir nicht irgendwann etwas anderes suchen muss als das Leben als selbstständiger Musiker, welches ich seit 2012 führe. Mit Familie hat man nochmal mehr Verantwortung, aber das Schöne ist, dass sich immer wieder Türen öffnen. Trotzdem überlegte ich, wie das Album sein sollte, falls es das letzte wäre.

Haben Sie deshalb noch thematisiert, was Sie bisher verdrängt oder noch nicht ganz verarbeitet hatten?
Nein, ich glaube, dass die Songs viel persönlicher wurden, weil ich zuletzt das Gefühl hatte, dass sich Manuel und Manillio voneinander entfernt hatten. Aber klar, selber Vater zu werden hat thematisch nochmal einiges aufgewirbelt.

In «Mama liebt mi» danken Sie Ihrer Mutter, die Sie und Ihre beiden Brüder allein grossgezogen hat, nachdem Ihr Vater früh gestorben war.
Das war natürlich ein grosser Einschnitt. Vorher hatte ich eine sorglose Kindheit, spielte viel Basketball und irgendwann auch Schlagzeug. Dann wurde bei meinem Vater Krebs diagnostiziert und als ich 13 Jahre alt war, starb er.

Er war es, der Ihre Hiphop-Begeisterung geweckt hatte?
Ja, er nahm mich 1999 an ein Freundeskreis-Konzert ins Bierhübeli mit, das mich extrem beeindruckt hat. Als ein Livealbum davon herauskam, habe ich es gefühlt hundert Mal gehört und konnte jede Ansage auswendig. Lustigerweise war Stress mit Double Pact die Vorgruppe. Seither kreuzen sich unsere Wege regelmässig. Erst kürzlich bin ich bei ihm in seiner MTV Unplugged Show in Bern aufgetreten.

Wir erklären Sie sich, dass sich die Kluft zwischen Ihnen als Künstler und Privatperson nach «Kryptonit» geweitet hatte?
Ich war in eine Sphäre des Prominententums geraten, in der ich mich nicht mehr wohl fühlte. Die Distanzierung war wohl ein Schutzreflex.

Wie ist es Ihnen gelungen, sie rückgängig zu machen?
Das Schöne ist, dass es passierte, ohne dass ich es mir zum Ziel gesetzt hatte. Manchmal kam ich mir dabei sogar etwas egoistisch vor, im Sinne von, ich denke bei diesen Songs nur an mich. Jetzt, wo es schon ein paar Tage draussen ist, bekomme ich sehr viele Nachrichten von Menschen, die mir schreiben, «Hey, danke für das Album, das ist genau das, was ich gerade brauche» oder «Ich habe auch einen Elternteil verloren und erkenne mich in dem wieder, wovon Du sprichst».

Welche Rolle spielte der Wechsel zu einer kleinen Plattenfirma?
Tatsächlich sind viele Dinge zusammengekommen. Man muss ja auch sehen, dass ich bis zum letzten Album ein verwöhnter Künstler war. Seit meinem ersten Album ist es bei mir immer bergauf gegangen, bis ich 2017 mit «Kryptonit» den Gipfel erreichte. Dann blieb der Erfolg von «Plus Minus» hinter den Erwartungen der Major-Plattenfirma zurück und der Vertrag wurde nicht verlängert. Gleichzeitig kamen die Pandemie und die Verantwortung als Vater von zwei Kindern. Ich musste mich hinterfragen, ob ich das mit der Musik noch die nächsten 20 Jahren machen kann oder mir mal Alternativen überlegen sollte.

Woran denken Sie?
Ich könnte mir gut vorstellen als Texter zu arbeiten. Ein Teilzeitjob wäre sicher etwas Gutes, um für die Familie mehr Sicherheit zu haben und als Manillio weniger Druck.

Sie entsprechen nicht dem Klischeebild des Rappers. Wie hat sich Ihre Definition von Erfolg verändert?
Ich gebe mir viel Mühe, qualitativ hochwertige Musik zu machen und entsprechend zu präsentieren. Das zeigt sich auch in Grafik, Videos und Liveshow. Früher dachte ich, dass mein persönlicher Geschmack, was ich am besten finde, auch von der Allgemeinheit geteilt und verstanden würde – ein Trugschluss. Mittlerweile ist mir klar, dass mein textintensiver Rap vielleicht nicht die ganz breite Masse erobert, die sonst Trauffer, Gölä oder Bligg hört, sondern eher ein Nischending für Liebhaber bleiben wird. Sich darüber klar zu werden, dass man es vermutlich nie auf die Hauptbühne des Gurtenfestivals schaffen wird, hat eine gewisse Tragik, aber ich habe meinen Frieden damit gemacht.

In «45 Boogie» zählen Sie Ihre verschiedenen Einflüsse auf. Welche Rolle spielt die Länggasse?
Ich habe mit meiner Familie dort gewohnt und das Lied kurz vor unserem Umzug in Richtung Bümpliz geschrieben. Solothurn ist für immer meine Heimatstadt, es gibt inzwischen aber sehr viele Orte an denen ich mich irgendwie zuhause fühle, nicht nur geographische. Bern gehört dazu, spätestens seit unsere Kinder geboren wurden. Sie sprechen Spanisch und Schweizerdeutsch, und «bernern» auf jeden Fall schon mehr als ich.

Was bedeutet «Monbijou» für Sie?
Der Song war für mich sehr wichtig, aber hatte nichts mit dem Quartier zu tun, sondern ist ein Kosewort.

Das dürfte allen bewusst sein, die Ihren Sommerhit kennen …
Ich wollte nur sicher sein. (Lacht) Da ich mit Viva und MTV aufgewachsen bin und geliebt habe, was die Neptunes zum Beispiel mit Justin Timberlake produzierten, war für mich klar, dass ich auch mal was in dem Stil ausprobieren wollte. Ich spiele «Monbijou» noch immer sehr gerne live, da der Song immer zu den Höhepunkten der Konzerte zählt.

Sie haben Ihren Künstlernamen von Manuel abgeleitet. Mit der Absicht, dass er einem Spanisch vorkommt?
Nein, aber damals fand ich brasilianische Namen wie Ronaldinho cool. Als ich dann einen ersten Gastauftritt auf der CD eines Kollegen hatte und das Booklet gedruckt wurde, brauchte ich plötzlich ganz schnell einen Künstlernamen. Ich konnte nicht ahnen, wie lange er mich begleiten würde, sonst hätte ich mir wahrscheinlich etwas anderes überlegt. Manillio wird dauernd falsch geschrieben, mit einem L oder ohne I. Es ist eine Katastrophe, aber ich habe mich daran gewöhnt! (Lacht)

PERSÖNLICH

Manuel Liniger alias Manillio wurde am 14. Mai 1987 in Frauenfeld geboren und wuchs in Solothurn auf. Er lebt seit acht Jahren in Bern, ist verheiratet und Vater zweier Kinder (4 & 2). 2003 begann er sich im Hiphop einen Namen zu machen, trat 2008 erstmals am Openair Frauenfeld auf und veröffentlichte danach sein Debütalbum «Jede Tag Superstar». Alle folgenden Alben erreichten die Top-10 der Charts, «Kryptonit» mit dem Hit «Monbijou» sogar Platz eins und «Deheim, Deheim» Platz zwei.

WETTBEWERB

Der «BärnerBär» verlost zwei Tickets für die ausverkaufte Plattentaufe von «Deheim Deheim» am 13. April in der Mühle Hunziken. Wer kein Glück hat und Manillio live erleben möchte: Es gibt noch einige wenige Tickets für Manillios Konzert am 18. Juli am Gurten Festival.

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