Die Amerikanerin Kendra Jayne Patrick wollte ursprünglich Anwältin werden. Nun führt sie in Bern eine Galerie von internationalem Rang und Namen und setzt auf avantgardistische Kunst.
Ein historisches Haus und ein wilder Garten: Hier, im Berner Länggasse-Quartier, befindet sich seit 2022 eine avantgardistische Galerie von internationalem Rang und Namen. Die Galerie Kendra Jayne Patrick, trägt den Namen der Gründerin, die der Liebe wegen von New York nach Bern übersiedelte. Ihr Freund, der gemeinsam mit ihr die Galerie führe, sei «so swiss», wie sie lachend erklärt als sie auf die rustikalen Holzstühle verweist, die aussehen als stammten sie aus einem Albert Anker Bild. Tatsächlich hat Ernst Fischers Familie Schweizer Geschichte geschrieben. Er ist der Enkel von Hans Fischer, dem Illustrator und Autor des legendären Kinderbuches «Pitschi». Eine Katze streicht auch in der Galerie umher. Sie heisst allerdings nicht Pitschi, sondern Kofi, benannt nach dem einstigen Generalsekretär der Vereinen Nationen Kofi Annan. Ihr Bruder, der sich gerade nicht zeigt, heisst Boutros nach Boutros Boutros-Ghali, ebenfalls einst Generalsekretär der Vereinten Nationen. «Politik liegt uns beiden am Herzen», so die Galeristin. Sie selbst studierte ursprünglich Politikwissenschaften und Jura an der renommierten Universität in Georgetown. «Ich wollte Anwältin werden.» Die akademische Welt gefiel ihr sehr gut. «Die Dozenten waren spannend, erzählten unter anderem von ihrer Arbeit am Supreme Court», so Jayne Patrick. Doch das Umfeld habe ihr zunehmend missfallen. «Zu langweilig, zu bieder». Nichtsdestotrotz schloss sie das Studium ab und arbeitete nebenbei für eine Fotoagentur, die Grössen wie Mario Testino beauftragte. Dass Jayne Patrick Mode liebt, ist an ihrem eigenen Look sichtbar. Bei unserem Besuch kombiniert sie zu einem Jumpsuit aus Jeans neongrüne Schuhe mit Keilabsätzen.
Kuchenfetisch und Selbstinszenierung
2012 zog Jayne Patrick von Washington D.C. nach New York und wusste sofort: «Hier will ich leben.» Als sie für das Modemagazin Muse über Kunst zu schreiben begann, dachte sie: «This feels right» – das fühlt sich richtig an. Sie wollte unbedingt mit Kunst zu tun haben und begann ihren eigenen Blog zu schreiben. Ab 2018 begann sie ihre nomadische Tätigkeit als Galeristin Sie lernte unter anderem die New Yorker Galeristin Stefania Bortolami kennen und bekam die Chance Künstler:innen in deren «viewing room» zu zeigen. Sie präsentierte drei Kunstschaffende unter dem Titel «Magnification». Unter anderem zeigte sie ihre Lieblingskonzeptkünstlerin, die 1977 geborene US-Amerikanerin Kenja Robinson. «Ich würde sie als hellsichtig in ihrer Beurteilung ihres Daseins als schwarze Frau in der westlichen Welt bezeichnen», so Jayne Patrick. Die Multimedia-Künstlerin bricht Tabus. So schuf sie Videos, die sich dem Fetisch «Cake Sitting», auf Deutsch «Torten sitzen» widmen. Nur filmte sie von unten und nutzte sich zuweilen selbst als Modell. Die zerdrückten Kuchen verwandelte sie in zuckersüsse Gipsskulpturen. «Die Beschäftigung mit weiblicher Sexualität wird in der Kunst von weissen Frauen dominiert», so Jayne Patrick. Dass schwarze Frauen mit ihrem Körper arbeiteten, stelle hingegen ein grösseres Tabu dar.
Surfen im Hedonismus
Um Körperbilder geht es auch in der grossformatigen Tapisserie, die zurzeit in der Galerie hängt und darauf wartet nach Paris gebracht zu werden. Es ist das Werk «Swag Surfin» (2023) der amerikanischen Künstlerin Qualeasha Wood, die sich selbst in verschiedenen Posen in Szene setzt. Durch entsprechende, in die textile Arbeit eingeflochtene Symbole, begreift man, dass die Porträtierte sich im virtuellen Raum befindet und sich selbst mit Filtern auf Instagram bearbeitet. Es ist ein ambivalentes Bild: Es geht um unterschwellige Kritik an den sozialen Medien aber auch um den Spass, den man beim «swag surfing» – beim angeberischen Surfen – haben kann.
Im Verein Berner Galerien
Ihren Freund lernte Jayne Patrick in einer New Yorker Galerie kennen. Im März 2020 zog das Paar, mitten in der Pandemie, nach Bern. 2022 eröffneten sie gemeinsam ihre Galerie. Jayne Patrick hat sich bereits vernetzt mit der lokalen Szene und ist das neueste Mitglied des Vereins Berner Galerien. Dass sie international operiert und als einzige Berner Galerie an der wichtigsten Kunstmesse der Welt, der Art Basel, präsent ist, dürfte die Szene aufmischen. Sieben Ausstellungen hat die Galerie in Bern bisher eröffnen können. «Wir haben jeweils viel Spass und grillen im Garten», so Jayne Patrick über die Eröffnungen ihrer Shows. Kunst, die heute stattfinde, wolle sie zeigen, Künstler:innen, die sich bewusst seien, von den aktuellen kulturellen und politischen Umständen und Geschehnissen. Aber auch Kunst, die schräg und komisch ist, mag Jayne Patrick. Etwa das Video von Ivan Argote, der während einer Performance die Leute im öffentlichen Raum aufschreckt, weil er ihnen «I love you» zuschreit. Jayne Patrick kommentiert die Arbeit wie folgt: «Wir kriegen Angst, wenn man uns sagt, dass man uns liebt. Verrückt nicht?»