Mit Holzers Peepshow bringt das Theater am Käfigturm einen Klassiker zum Jahresbeginn. Die eufassung von Simon Burkhalter hat es in sich und überrascht nicht nur mit Cuco Dietrich als «Ätti».
Als vor ein paar Tagen am Silvesterabend «Holzers Peepshow» im Berner Theater am Käfigturm TaK eine zweifach ausverkaufte Premiere hinlegte, ging für Regisseur Simon Burkhalter ein lang aufgeschobener Traum in Erfüllung. Ganze acht Jahre musste er warten, bis seine Neufassung des Klassikers von 1989 auf die Bühne kommt. Das Stück über Wandel, Anpassung und Familienbande hat ihn, den Burschen aus dem Emmental, immer schon angezogen. «Es hat einen wunderbar zeitlosen Humor und tolle Figuren», schwärmt er. «Eigentlich wollte ich es 2019 im Freien inszenieren, aber aufgrund von Lizenzproblemen kam es nicht dazu», so der Sänger, Regisseur und Intendant der Freilichtspiele Moosegg.
Nun findet Holzers Peepshow im TaK eine Heimat. «Nachdem letztes Jahr zu Silvester «Boing Boing» gut lief, fragte die Theaterleitung wieder an. Hauptsache lustig sollte das Stück sein. Etwas, das chlepft!» Der Regisseur lacht, hatte er doch da einen echten Knaller in der Hinterhand. Burkhalters Neufassung liegt das Originalstück von Markus Köbeli zugrunde: die Geschichte einer Bauernfamilie mit Existenzsorgen, die auf die Idee kommt, das urchige Landleben für Touristen zur Schau zu stellen. Der Regisseur verpasste dem Schwank ein Happy End und eine Frischzellenkur: «Ich wusste, dass es nicht viel braucht, um das Stück in unsere Zeit zu holen, denn die Dialoge sind klasse. Ich habe alle Texte in ein heutiges Berndeutsch übertragen. Und die Holzers sind im digitalen Zeitalter angekommen.» Neu wohnt die Familie im fiktiven Längwylige im Emmental, hat zwei Söhne und streamt ihr vermeintlich idyllisches Bauernleben live ins Internet. Raus aus der Stube, rein in den Garten mit Stewi, Grill und Karohemd. Die Jagd nach Klicks, Reichtum und Likes nimmt ihren Lauf. Der Weg dahin ist gepflastert mit Gags, aber auch mit nachdenklichen Szenen. Denn Familie Holzer droht sich in der virtuellen Inszenierung zu verlieren und auseinander zu brechen. Manche Premierengäste und auch die Darsteller hatten stellenweise Tränen in den Augen. Burkhalter freut sich, dass diese emotionale Bandbreite ankommt. «Es wird viel gelacht, aber das Stück hat auch eine zweite Ebene, die sehr berührend ist. Da wird es still im Publikum.»
Mit Nicole D. Käser, Reto Stalder, Yves Ulrich und Roland Schaffer steht eine erfahrene und diverse Truppe auf der Bühne. Nach nur viereinhalb Wochen Proben sassen Texte und Timing. Urkomisch reden die Familienmitglieder aneinander vorbei. In der ungewohnten Livestreamübertragung wirken alle plötzlich ungelenk und verkrampft. Während Sohn Hans Holzer junior, gespielt von Yves Ulrich, sich voller Elan in die Internetinszenierung seiner Familie hineinwirft, ist sein Bruder Tony, gespielt von Reto Stalder, skeptisch. Noch ahnungs-, plan- und lustlos macht die Familie bei der neuen Geschäftsidee des Juniors mit. «Am Anfang ist sich die Familie noch nicht bewusst, dass alles, was sie mit der Kamera übertragen, Tausende im Netz sehen können. Das Internet vergisst nicht», so Burkhalter, der sichtlich Spass daran hat, seine Figuren in solche Situationen zu werfen. Ungeschickt hantieren sie mit der Technik herum bis sie schliesslich Kameraprofis und Opfer ihres eigenen Erfolgs werden.
Einen Teil trägt dazu auch das Berner Original und Publikumsliebling Marc «Cuco» Dietrich bei. Er lacht: «Die vier anderen haben eine Sprechrolle, ich nur eine Rolle!» Denn für einmal muss der sonst so redselige Sänger schweigen, mimt er doch den wortkargen Grossvater der Familie Holzer, der von seinem Rollstuhl aus vielsagende Blicke verteilt. Dietrich freut’s, kann er so seine Stimme schonen, ist aber trotzdem in jeder Szene dabei. In der Absurdität der Ereignisse hat das Stück für ihn seinen Reiz: «Skurril, schräg, es grenzt schon an Monty Python.» Nicht mal einen Auftritt in vertauschten Geschlechterrollen oder eine Playbackshow lässt die verrückte Familie aus. «Aber das Stück ist eben nicht nur Klamauk, es ist irgendwie auch ein bisschen Emmentaler Shakespeare.» Denn die Familiendynamik geht quer, die Konflikte brodeln generationenübergreifend. «Reto und ich werfen uns manchmal Blicke zu und finden: Ja, spinnen die denn alle.» Dietrich schwärmt vom Ensemble. Die Chemie in der Truppe sei super. «Schon bei den Proben haben wir uns kaputtgelacht und natürlich gehofft, dass das aufs Publikum überspringt», erinnert er sich.
Er freut sich, das beliebte Landstück in der Stadt auf die Bühne zu bringen. Denn die Urbanen haben seiner Meinung nach Sehnsucht nach dem Land. «Es ist eine gesunde Mischung aus Sympathie für das Landleben und dem Gedanken: Also die sind schon etwas hinterm Mond.» Zwar spielt Holzers Peepshow mit Klischees über den «altmodischen Bauern», doch Burkhalter gestaltet alles mit einem Augenzwinkern, nie von oben herab, macht sich nicht lustig. «Familien, die heute Landwirtschaft betreiben, sind modern», sagt er. Umso mehr hat es ihn gefreut, dass zur Premiere viele Zuschauerinnen und Zuschauer vom Land ins TaK kamen und sich köstlich amüsierten.
Der Saal des Theaters ist heimelig und klein, man hocke dem Publikum fast auf dem Schoss, finden Burkhalter und Dietrich. Umso wichtiger die Präzision. «An einer Stelle schiebt mich die Familie im Rollstuhl ganz an den Bühnenrand. Da fehlen nur Zentimeter und ich lande in der ersten Reihe», so Dietrich. Und auch sonst gehts im Livestream der Familie Holzer ab. Burkhalter nutzt geschickt die ganze Fläche der Bühne mit Stoffbahnen, Spiegeln und blitzartigem Kulissenumbau, um noch einige Überraschungseffekte zu zünden. Noch sechs Vorstellungen stehen im Januar an. Burkhalter freut sich auf volle Ränge und unzählige Lacher des Publikums für sein «absolutes Traumstück».