Ob Theater, Musical, Film, ob als Schauspieler, Tänzer, Sänger, Sprecher oder Regisseur – Rolf Sommer ist vielseitig talentiert und diesen Juni auf der Moosegg in der Rolle der unter Gedächtnisverlust leidenden Nonne Amnesia im Stück «Nonnsens 2» zu sehen. Ein Gespräch über Vielfalt, Planbarkeit des Lebens und über die Rolle des Schicksals.
Muss man sich auf eine Rolle, die unter Gedächtnisverlust leidet, überhaupt vorbereiten? Man kann ja einfach immer sagen: «Ich weiss nicht mehr, wies weitergeht!»
(lacht laut) Stimmt eigentlich! Das wäre für die Zuschauer sicher noch amüsant und sie würden vermutlich denken, das gehöre zum Stück. Aber ob es für die anderen Mitspielenden auch so toll wäre, wage ich mal zu bezweifeln!
Wie bereiten Sie sich denn generell auf eine Rolle vor?
Ich habe eigentlich in der Komiker-Ecke mit der Schauspielerei begonnen und diese Erfahrung hat mir sehr geholfen, mich auch in die emotionalen Abgründe einer Figur begeben zu können. Da in dieser Rolle der Gedächtnisverlust zu viel Komik führt und nicht eine ernsthafte Auseinandersetzung mit beispielsweise einer Demenz sein soll, habe ich mich nicht gross mit der Krankheit auseinandersetzen müssen. Im Gegensatz zur tragischen Rolle des «Dällenbach Kari».
Was war dort anders?
Kari wurde ja mit einer Hasenscharte geboren, unter deren Auswirkungen er – so nehmen wir an – sein Leben lang gelitten hat. Deshalb war es für mich wichtig, mich zu informieren, wie man zu jener Zeit eine solche Missbildung operieren konnte und inwiefern sie sich auch auf die Sprache ausgewirkt hatte. Bei Schwester Amnesia ist alles viel weniger tragisch, man weiss auch gar nicht so genau, ob dieser Gedächtnisverlust ihr nicht vielleicht auch grad sehr gelegen kommt! Das Stück geht eher in Richtung Schwank und soll die Leute zum Lachen bringen.
Was ist Ihnen lieber? Klamauk oder eine ernsthafte Rolle?
Das kann ich effektiv so nicht sagen. Ich liebe genau das an meinem Job, dass er so extrem vielfältig ist. Ich mag die ganze Bandbreite und geniesse es, nach einer eher tragischen Rolle auch mal wieder eine Figur zu spielen, die mit ihrer Fröhlichkeit der Seele guttut.
Wollten Sie denn schon als kleiner Junge Schauspieler werden?
Ganz und gar nicht! (lacht) Ich spielte zwar immer mal wieder im Schul- und Laientheater mit, dass daraus allerdings ein Vollzeit-Job werden könnte, kam mir irgendwie gar nicht in den Sinn. So begann ich dann nach der Matur mit einem Geschichtsstudium – weil ich gerne Zeitung las und die grossen Zusammenhänge verstehen wollte. Wohin dieser Weg mich beruflich führen sollte, wusste ich hingegen nicht. Doch dann rutschte ich mehr aus Zufall in eine grössere Theaterproduktion und hatte das erste Mal mit professionellen Schauspielern zu tun. Und ich dachte: Ah wow, eigentlich wäre das ein cooler Job! Und plötzlich wusste ich, wohin es gehen soll.
An die Theaterschule statt an die Uni?
In etwa so. Ich ging nach München und machte dort die dreijährige Schauspiel-, Gesangs- und Tanzausbildung an der Abraxas Musical Akademie, welche ich 2005 abschloss. Nach einigen Jahren im Beruf bildete ich mich ausserdem in New York am William Esper Studio weiter. Das war eine prägende Zeit für mich.
Bewirbt man sich eigentlich auf eine Rolle oder wird man angefragt dafür?
Beides. Gerade im Musical-Bereich ist die Schweizer Szene recht überschaubar und so kommt es immer mal wieder vor, dass man angefragt wird. Insbesondere wenn man seit über 20 Jahren in diesem Beruf unterwegs ist, kennen einem auch die Regisseure. Deshalb wurde ich auch durch die Regisseure Simon Burkhalter und Martin Schurr für die Rolle in Nonnsens angefragt.
Eine weibliche Rolle?
Nun, eigentlich kann man die Schwestern gut mit Männern besetzen, irgendwie hat es gar keine Relevanz, ob eine Frau oder ein Mann die Rolle spielt. Es ist ja ursprünglich ein Broadway-Stück aus den 80ern und wurde bereits oft mit Männern und, oder Frauen gespielt.
Gibt es denn eine Rolle, die Sie unbedingt noch spielen möchten? Eine absolute Traumrolle?
Nun, das verändert sich natürlich mit den Jahren …
Inwiefern?
… nun ja, es ist eher unwahrscheinlich, dass ich mit bald 50 noch jemals einen Romeo spielen werde! (lacht verschmitzt) Genau wie ich auch vor 10, 15 Jahren noch zu jung für einen Dällenbach Kari gewesen wäre. Dass ich letztes Jahr diese Rolle bekam, war sicher eines der Highlights für mich. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und hatte das richtige Alter. Es braucht auch immer wieder die Regie von Meister Zufall, damit im Leben Grossartiges passiert.
Das war also nicht geplant?
Mit der Planung ist das bei einem Schauspieler so eine Sache. Klar möchte man Sicherheit haben und wissen, wie man finanziell vorankommt. Anderseits muss man auch abwägen, ob man sich mit der Zusage zu einer Rolle nicht die Chance auf eine andere, vielleicht grössere Produktion verbaut. Das ist ein Balance-Akt, nicht immer einfach, aber sehr spannend.
Ein neues Stück, eine neue Produktion, das heisst auch immer wieder ein neues Team – fällt das nicht manchmal auch schwer?
Ich denke, als Schauspieler ist man sich dessen sehr bewusst. Und ich glaube, es ist die Neugierde auf andere Menschen, die Fähigkeit, sich in andere Personen hineinzuversetzen, die dafür sorgt, dass man sich fast mit allen Menschen zurechtfindet. Und oft trifft man auf Kollegen aus anderen Produktionen und freut sich, mit ihnen in neuer Konstellation zusammenspielen zu können. So kenne ich beispielsweise Martina Lory seit vielen Jahren und Anina Rosa aus der letztjährigen Zusammenarbeit in Thun und freue mich, mit ihnen in Nonnsens wieder auf der Bühne zu stehen.
Die beiden Stücke verbindet, dass sie in Freilichttheatern aufgeführt wurden, respektive werden – ich stelle mir vor, dass das ein grosser Unterschied zu einem herkömmlichen Theatersaal ist?
Absolut. Ein Theatersaal ist normalerweise dunkel und jedes Geräusch von aussen wird vermieden. Beim Freilichttheater ist das gerade umgekehrt und obendrauf kommt noch das Wetter. Mal friert man, wird verregnet oder schwitzt wie in einer Sauna. Aber das gehört dazu und macht den Reiz des Freilichtspiels aus. Herausfordernd, aber abwechslungsreich, da fast keine Vorstellung wie die andere ist.
Was fasziniert Sie an der Rolle der Nonne Amnesia und generell am Stück Nonnsens?
Grandios finde ich, dass die fünf Nonnen in ihrer Persönlichkeit kaum unterschiedlicher sein könnten. Und für viele Lacher sorgt sicher auch, dass sie so gar nicht dem entsprechen, was man sich unter einer Nonne vorstellt. Deshalb passt es auch wunderbar, wenn diese Rollen von Männern gespielt werden. Nichts ist, wie es sein sollte und gerade deshalb ist es so unterhaltsam. Das Stück feiert eigentlich die Unterschiedlichkeit der Menschen und zeigt auf, dass man vorankommen kann, auch wenn man eigentlich überhaupt nicht zusammenpasst. Wenn alle am gleichen Strick ziehen, kommt es am Ende dennoch gut!