TIERPARK-DIREKTORIN FRIEDERIKE VON HOUWALD

«Bern würde ein Ja zur Initiative sehr bedauern» 

Die Kritik an Friederike von Houwald und ihrem Führungsstil im Dezember 2023 war riesig. Heute habe sie alles im Griff, sagt die Direktorin des Berner Tierparks. Die Streichelzoo-Initiative lehnt sie aus mehreren Gründen ab. 

Friederike von Houwald, wie geht es Ihnen?
Gut (lacht).

Sie sind unterdessen seit rund dreieinhalb Jahren im Amt und damit nicht mehr ganz so neu dabei.
Ich bin überzeugt, dass ich den Tierpark jetzt ganz verstehe. Das hat doch etwa zweieinhalb Jahre gedauert.

Was meinen Sie damit?
Das Spannende an einem Tierpark sind seine verschiedenen Schichten. Nach aussen wahrnehmbar sind hauptsächlich die Tiere, die damit verbundenen Erlebnisse sowie die freundlichen Pflegerinnen und Pfleger. Dann gibt es aber auch noch jene, die im Hintergrund wirken. Ähnlich wie bei einem feinen Essen, wo man sich vielleicht überlegt, wer eigentlich die Kartoffeln angebaut hat. Bei uns ist das ähnlich: Über die Verwaltung oder über die politischen Abläufe im Hintergrund denkt kaum jemand nach. Das musste ich erstmal sortieren und ordnen.

Klingt so, als wäre Ihr Start ein bisschen harzig gewesen. 
Sagen wir: rassig. Es standen gleich zu Beginn meiner Tätigkeit ein paar Geschäfte an, beispielsweise die am Ende nicht umgesetzte Erweiterung des Bärenparks. Aufgaben, in die ich zuvor nie involviert gewesen war. Folglich hatte ich Entscheidungen zu fällen, bei denen ich mir erst überlegen musste, was sie für die Zukunft des Tierparks bedeuten. Rassig trifft es deswegen recht gut.

War der «rassige» Start, wie Sie ihn bezeichnen, ein Grund dafür, dass über Ihre Person intensiv und kontrovers diskutiert wurde?
Der Tierpark wurde zuvor fast 25 Jahre lang von ein und derselben Person geführt. Dass es nach einem Wechsel in der Direktion zu einer gewissen Unruhe kommt, ist daher fast normal. Nach knapp vier Jahren merke ich nun: Die Mitarbeitenden und ich verfolgen eine gemeinsame Vision. Viele haben ausserdem verstanden, wo die Herausforderungen liegen und wie diese uns in eine Art Korsett zwängen. Schnüre, die uns, wenn an ihnen gezogen wird, einengen. Mittlerweile wissen alle um diese Themen, gleichzeitig läuft der Betrieb untereinander wunderbar.

Erklären Sie das bitte ein wenig genauer.
Als ich anfing, hiess es, die Gesamtplanung für den Tierpark hätte zu jenem Zeitpunkt bereits fertig erstellt sein müssen. Ich fühlte mich folglich von Anfang an dazu verpflichtet, Gas zu geben. Es wurden Dinge aufgearbeitet, von denen manche zuvor noch nie gehört hatten und die lange nicht angegangen wurden.  

Das Klima war
nicht vergiftet

Friederike von Houwald 


Konkret? 
Planungsrechtliche Paramater oder gesetzliche Vorgaben. Erklärt man Aussenstehenden diese Aufgaben, reagieren viele dann meist mit: Aha, jetzt verstehe ich euch. 

Würden Sie im Nachhinein alles nochmals genau gleich machen?
Wir würden teilweise anders kommunizieren, da sind sicherlich Fehler passiert. Was die eben angesprochenen Hürden anbetrifft, kann man indes nicht einfach die Arme verschränken und finden: Nun ja, lassen wir es halt so, wie es ist.

«Zoo-Direktorin unter Beschuss», titelte diese Zeitung Ende Dezember 2023. Auch weitere Berner Medien berichteten kritisch über Ihren Führungsstil respektive die Zustände im Tierpark.
Ich fand die Berichterstattung einseitig. 

Der BärnerBär sprach damals mit Tierpark-Mitarbeitenden, mit Ihrem Vorgänger Bernd Schildger, mit dem verantwortlichen Gemeinderat Reto Nause und mit Ihnen selbst. Selbst in einem internen Dokument wurde Kritik geäussert. Das heisst, es lief definitiv einiges nicht rund.
Nun, was bedeutet «alles rund laufen»? Wenn jemand bestimmte Sachen anders handhabt als der Vorgänger, kommt es zu Veränderungen. Die meisten fanden das gut, einige weniger. Das ist klar.

Es war die Rede von einem «vergifteten Betriebsklima». Klingt schon nach etwas mehr als nur nach einem leichten Rumoren infolge eines Direktorenwechsels. 
Das Klima war nicht vergiftet.

Wie würden Sie das Verhältnis zu Bernd Schildger, der Sie im Artikel heftig attackiert hat, beschreiben?
Dazu äussere ich mich nicht.

Sie haben von Herausforderungen gesprochen. Welches sind die grössten, die für den Tierpark anstehen?
Für mich am zentralsten ist das Thema Inklusion. Also: Wie komme ich zum Beispiel als Person im Rollstuhl vom Vivarium an die Aare und wieder zurück? Über einen Lift wird schon länger diskutiert. Jetzt wäre es an der Zeit, diese Idee zu realisieren. Zum anderen reden wir über zukunftsweisende Tieranlagen. «Mehr Platz für weniger Tiere», das frühere Motto, das wir nach wie vor leben, soll in sämtlichen Bereichen umgesetzt werden – also auch im Kinderzoo. Anlagen, die gegenseitige Begegnungen im Sinne der Menschen, aber natürlich ebenso im Sinne der Tiere ermöglichen. Ein dritter Punkt ist die Infrastruktur: Uns fehlen Räumlichkeiten. WC-Anlagen, Sitzungsräume, Werkstätte, Büros, Rückzugsmöglichkeiten. Wir sind diesbezüglich sehr stark eingeschränkt, die Gebäude stammen aus der Gründungszeit. Es ist wie Ballenberg, nur sind wir kein Museum, sondern ein Zoo mit lebenden Tieren für lebendige Menschen. Die Gebäude müssen saniert, teilweise total verändert werden – die planungsrechtlichen Vorgaben verbieten es uns indes, irgendwo Neues zu bauen, sowohl Anlagen für Tiere wie für Menschen. Das schränkt enorm ein. Zudem werden die Anforderungen unserer Gesellschaft, gerade an die Tierhaltung, immer strenger. Die Gesamtplanung des Tierparks ist der Lösungsversuch, all diesen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Sie dürfen nicht neu bauen, wollen jedoch einiges verändern – wie lösen Sie diesen Konflikt?
Nun, es wird möglich sein müssen, zu bauen. Stand heute darf im Tierpark keine einzige Tieranlage vergrössert, nirgendwo ein geräumigerer Stall gebaut werden. Wenn ich wiederum überlege, in welchen Anlagen gewisse Tiere leben, stellt sich schon die Frage nach deren Zukunftsfähigkeit. 

Insofern empfinden Sie die «Streichelzoo-Initiative» als störend? 
Ich finde es gut, dass unsere Demokratie solche Abstimmungen zulässt. Und ich verstehe, dass Bernerinnen und Berner Veränderungen von Liebgewonnenem bedauern und sie mitunter schwierig nachzuvollziehen sind. Schade finde ich allerdings schon, dass der Initiativtext keine Rücksicht nimmt auf jene Dinge, die ich gerade dargelegt habe. Es ist stets bloss die Rede vom Streicheln, dabei geht es um so viel mehr, nicht zuletzt um Kosten. Diese Hintergründe bleiben der Bevölkerung bei dieser Debatte leider verborgen.

Ist die Situation im Kinderzoo denn für die Tiere so unbefriedigend? 
Wir müssen uns als Tierpark Gedanken dazu machen, ob wir den Betrieb im Kinderzoo weitere zwanzig oder dreissig Jahre so aufrechterhalten können. Wäre das okay? Wenn Sie unseren Tierarzt fragen, lautet seine Antwort klar: nein. Wir bauen die Seehundanlage um, Ähnliches soll nun im Kinderzoo passieren. Wir wollen nicht wegnehmen, sondern nur andere Tierbegegnungen möglich machen.

Das heisst? 
Darauf kann ich Ihnen keine konkrete Antwort geben (schmunzelt). Wie auch sonst üblich, wird die Stadt Bern einen Studienauftrag respektive einen Wettbewerb inklusive diverser inhaltlicher Optionen organisieren, die genau darauf abzielen, zu erläutern, wie Begegnungen mit Tieren aussehen würden. Das ist extrem spannend. Das gesamte Areal soll und muss entwickelt werden. In einem partizipativen Prozess wird sich schliesslich zeigen, was für Bern das Richtige ist. 

Nochmals: Sind die Menschen den Tieren heute zu nahe? 
An welche Tiere kommen Sie persönlich im Kinderzoo denn ran?

An Ziegen zum Beispiel.
Das sind aber auch die einzigen. Alle übrigen Tiere wollen nicht; Esel stehen weit weg, weil sie in Ruhe gelassen werden möchten. Ja, man kann im Kinderzoo etwas richtig Geniales schaffen, allerdings muss man sich gut überlegen, wie so ein Ort der Begegnung in Zukunft aussehen kann und auch in 20 bis 30 Jahren noch funktioniert. Wir möchten ja keine baulichen Veränderungen tätigen, die in zehn Jahren wieder abgerissen werden müssen, weil sie die Standards und auch die Bedürfnisse von Mensch und Tier nicht erfüllen.    

Was tun Sie, wenn die Initiative angenommen wird?
Dann bleibt alles, wie es ist. Wir können höchstens mit dem Tierarzt sprechen und ihn fragen, welche Tiere am dringendsten einen ruhigeren Platz benötigen. Wir können den Ponys rund um die Uhr schlicht keine grosse grüne Wiese als Rückzugs,- aber auch Bewegungsmöglichkeitsgebiet hinzaubern. Wir werden die Haltung gewisser Tierarten dort prüfen müssen.

Wäre ein Ja für einen Menschen wie Sie, der nach Modernisierung und Veränderung strebt, nicht wahnsinnig frustrierend?
Ich glaube, Bern würde es dereinst sehr bedauern, der Initiative zugestimmt zu haben. Weil sich Diskussionen eröffnen würden, die Zookritikern recht gäben. Wo man wird sagen müssen: Das geht so nicht mehr! Der Gedanke eines Kinderzoos ist brillant – doch es benötigt ein Konzept dafür. Wenn wir einen Kinderzoo am richtigen Ort unter den richtigen Voraussetzungen, mit grosser Fläche und moderner Tierhaltung, aufbauen können – Hammer! Die Tiere im Kinderzoo haben genauso ein Recht auf zukunftsweisende Anlagen wie alle anderen Tiere im Tierpark und ich denke, dass die Besucher ebenfalls davon profitieren würden.  

Wo steht der Tierpark in zehn oder fünfzehn Jahren? 
Der Tierpark befindet sich, heute schon, auf einem wunderschönen Areal: im Wald und direkt an der Aare, er ermöglicht wunderbare Begegnungen. Und zwei Drittel der Fläche sind erst noch gratis – in kürzester Distanz zur Stadt. Genial. Mein Ziel ist es, der charmanteste Tierpark der Schweiz zu sein. 

So wie es tönt, arbeiten Sie sehr gerne hier.
Ja! 

Wie lange möchten Sie den Job eigentlich ausüben? 
Wir reden jetzt nicht über mein Alter, oder? (lacht) Im Idealfall, bis ich pensioniert werde.

Sie meinten in einem BärnerBär-Interview einst auf die Frage, ob Sie ein Kontrollfreak sind, «ja und nein». Stimmt diese Aussage nach wie vor?
(Überlegt) Ja, die stimmt so.

Sind mittlerweile im Tierpark wirklich alle glücklich? 
Bis auf Jakob, die Ziege, die gerade Klauenprobleme hat … (schmunzelt). Im Ernst: ja.

Friederike von Houwald dz 10 5

Foto: Daniel Zaugg

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