Immer mehr KMU verlassen die Stadt. Der Grund: Gewerbler fühlen sich von Berns Politik nicht mehr ernst genommen. Als Gemeinderat möchte Matthias Aebischer diesen Trend stoppen.
Matthias Aebischer, sind Sie vor den anstehenden Gemeinderatswahlen überhaupt nervös? Sie sind ja so gut wie gewählt.
(lacht) Sie waren wohl noch nie Kandidat.
Das haben Sie absolut richtig festgestellt.
In der Politik gilt: Gemäht ist erst, wenn das Heu im Trockenen ist. Deshalb engagiere ich mich sehr im Wahlkampf. Das Ziel muss sein, unsere vier Regierungssitze zu verteidigen.
Was hat Sie eigentlich dazu bewogen, für den Gemeinderat zu kandidieren? Wurde es Ihnen im nationalen Parlament langsam langweilig?
Ganz und gar nicht. Ich bin seit 2011 im Nationalrat. Ich mag die Arbeit im Bundeshaus sehr. Als Gemeinderat in Bern hätte ich viel Gestaltungsmöglichkeiten in der Stadt, in der ich seit mehr als 30 Jahren lebe. Das ist ebenfalls eine sehr spannende Aufgabe.
Wenn Sie in die Stadtregierung gewählt werden: Um welche drei Themen kümmern Sie sich als Erstes, wenn Sie frei wählen dürften?
Es ist in der Politik nicht so, dass man irgendwo hinkommt und den Hebel umlegt. Ich lebe gerne in Bern. 97 Prozent der Leute, die hier wohnen, sagen das übrigens auch. Unsere Stadt ist sozial, nachhaltig und lebensfroh. Das soll so bleiben, dafür müssen wir kämpfen.
Gut, dann fragen wir anders: Wo hat die Stadt Nachholbedarf?
Ich glaube, dass wir uns punkto Chancengerechtigkeit noch verbessern können. Nach wie vor erhalten nicht alle Kinder denselben Zugang zur Bildung. Die Chancengleichheit ist zwar Realität, doch Chancengerechtigkeit gibt es nach wie vor nicht.
Auf Ihrer Website erklären Ihre Unterstützer, Sie würden sich für Schulen, Kultur, Gastronomie, Gewerbe und Bedürftige einsetzen. Sie sind also ein Mann für alles und für alle?
Also keine meiner Unterstützerinnen und keiner meiner Unterstützer sagt, ich würde mich für Milliardäre einsetzen. (lacht) Aber klar, ich werde als Berufsbildungs-, Kultur und Sozialpolitiker wahrgenommen. In diesen Bereichen scheine ich glaubwürdig zu politisieren.
Was auffällt, ist, dass Sie von zahlreichen Gewerblern unterstützt werden.
Ja, das ist so. In meinem Kolleginnenkreis hat es viele Unternehmerinnen und Unternehmer. Bei Wahlen unterstützen sie mich stets.
Trotzdem hat das Gewerbe das Gefühl, es werde in der Stadt zu wenig ernst genommen. Werden Sie ihm die Hand reichen? Oder geht der Gewerbeexodus Richtung Agglomeration weiter?
Für mich ist klar: Das Gewerbe muss in der Stadt bleiben. Nicht nur, damit die Jugendlichen in der Stadt eine Lehre machen können, sondern vor allem auch, damit sichtbar ist, wie Handwerken geht. Zwei Drittel aller Jugendlichen machen eine Berufslehre. Das muss so bleiben. Das duale Bildungsmodell ist ein Erfolgsfaktor, nicht nur für die Schweiz, auch für Bern.
Kommentieren Sie bitte ganz kurz folgende Stichworte: Parkplätze, städtische Vegi-Kantinen, Reitschule, Finanzen?
Parkplätze gibt es genug, Vegi-Kantinen kann man machen, das Kulturzentrum Reitschule ist wichtig für Bern, bei den Finanzen muss die schwarze Null das Ziel sein, genauso wie in den letzten drei Jahren.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Stapi Alec von Graffenried?
Wir sind Kollegen. Wir waren zusammen im Nationalrat, haben zusammen Fussball gespielt. Jetzt gehen wir gemeinsam mit dem RGM-Bündnis in die Wahlen. Ich freue mich auf den gemeinsamen Wahlkampf.
Die SP ist zwar die grösste Partei in Bern – tendenziell tickt der Stadtrat aber noch etwas linker. Das bekam Ihr Parteikollege Michael Aebersold als Finanzdirektor ebenfalls ab und an zu spüren. Wie gehen Sie damit um?
Es ist völlig normal, dass sich Exekutive und Legislative nicht immer einig sind. Dieses Rollenverständnis ist wichtig, das versteht Michael Aebersold bestens – und ich ebenso. Wichtig ist allerdings, stets im Dialog zu bleiben und unsere Geschäfte gut zu begründen.
Sie werden Ihrer Partnerin Tiana Moser fortan nun nicht mehr regelmässig bei der Arbeit über den Weg laufen. Schade – oder hat das auch etwas Gutes?
(lacht) Seit meine Partnerin im Ständerat ist, laufe ich ihr primär in der Freizeit über den Weg. Darüber freue ich mich weiterhin.