Defizit-Budget 2025: Berns bürgerliche schäumen

«Das ist eine Farce!»

Die Stadt Bern will sich auch in Zukunft verschulden. Die politische Linke hält das Defizit 2025 für «verkraftbar» – die Bürgerlichen hingegen fordern ein sofortiges Umdenken.

Bis 2031 ist es noch eine ganze Weile hin. Erst ab dann allerdings soll Berns Schuldenberg wieder sinken. Jedenfalls wenn es nach dem scheidenden Finanzdirektor Michael Aebersold geht. Der SP-Gemeinderat präsentierte vergangene Woche das Budget 2025, das dieselbe Farbe hat wie seine Partei: tiefrot.

Mit einem Defizit von 28 Millionen Franken rechnet Aebersold, der Ende Jahr abtritt, nächstes Jahr. Die Verschuldung dürfte gar um weitere 80 Millionen Franken steigen. Einnahmen von 1,43 Milliarden Franken stehen Ausgaben von 1,46 Milliarden Franken gegenüber. «Ungläubig» habe sie auf diese Ankündigung reagiert, sagt die städtische FDP-Fraktionschefin Florence Pärli. Wie der Gemeinderat mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler umgehe, empfinde sie als «Farce».

«Bern hat leider nichts gelernt»
Pärli, die im November auch für den Gemeinderat kandidiert, rechnet vor – und ahnt daher Schlimmes: «Für 2025 sind 53 Millionen Franken Zinsaufwand budgetiert. Damit gibt die Stadt mehr Geld für Zinsen aus als für die Polizei, die 32 Millionen Franken kostet. Es droht eine Steuererhöhung!» Schulden würden die Bevölkerung langfristig einschränken. «Unsere Kinder werden die in fünfzehn Jahren notwendigen Investitionen nicht im gleichen Mass tätigen können wie heute, weil sie unsere Schulden erst abbauen müssen.» Maurice Lindgren von den Grünliberalen ergänzt: «Eine generationengerechte Finanzpolitik heisst für uns, dass in einem langjährigen Schnitt sämtliche Aufgaben eines Gemeinwesens, einschliesslich der Investitionen, mit eigenen Mitteln getragen werden können. Das ist in Bern nach wie vor nicht der Fall. Und das muss sich ändern.»

Ähnlich tönt es bei SVP-Fraktionschef Alexander Feuz, wie Pärli und Lindgren ist er ebenfalls Mitglied der städtischen Finanzkommission. «Es braucht endlich eine Abkehr von der frivolen rot-grünen Finanzpolitik», erklärt der Fürsprecher in gewohnt markigen Worten. Das Geld werde dafür andernorts unnötigerweise ausgegeben. «Trotz rekordhoher Einnahmen will Bern weiterhin nicht sparen. Zudem soll jetzt noch der ESC mit knapp sieben Millionen Franken finanziert werden, obwohl doch jeder zugeben muss, dass Bern aus verkehrstechnischen Gründen aber auch wegen der BEA und der Frauen-EM dafür gar nicht infrage kommt.»

Auch Feuz macht der Schuldenberg, der erst im nächsten Jahrzehnt wieder etwas sinken soll, Bauchweh. «Die KaWeDe-Renovation war nötig, andere Projekte hingegen sind sinnlos und dienen vorab der Bewirtschaftung der eigenen Klientel.» Und weiter: «Wenn die Stadt zu viel Geld hat, wird es verschleudert.» Bern habe aus der Vergangenheit «leider nichts gelernt», resümiert Feuz.

Stadt muss 70 neue Stellen finanzieren
Tatsächlich zeigt ein Blick in die Vergangenheit: Aebersold ging in seiner vergangenen Legislatur immer von einem Minus aus. Für 2024 wurde ein Budgetdefizit von über 37 Millionen Franken veranschlagt, 2023 waren knapp 30 Millionen Franken vorgesehen, 2022 waren es über 50 Millionen Franken. Die Argumentation seitens Exekutive ist dabei stets dieselbe: Man investiere halt wahnsinnig viel.
Heuer vor allem in Stellenwachstum: 118,5 neue Jobs will Bern schaffen. Zwar übernimmt nicht die Stadt, sondern der Kanton bei einem beträchtlichen Teil dieser Stellen die Kosten – dennoch muss die Stadt fast 70 Stellen aus der eigenen Tasche berappen. Eine gerechtfertigte Massnahme?

Florence Pärli winkt ab. Zwar sind ihrer Meinung nach gewisse neue Posten wie jene «bei Schutz und Rettung, beim Sozialamt und in der Schule unabdingbar». Diese würden jedoch, wie oben geschrieben, sowieso durch den Kanton alimentiert. Gleichzeitig habe ein «unnötiger Ausbau in den Tagesschulen» stattgefunden. Was die freisinnige Politikerin meint: Den sogenannten 1:6- statt 1:10-Betreuungsschlüssel, wonach auf sechs Kinder, selbst für ältere, neu mindestens eine Betreuungsperson einzusetzen ist. Ausgaben, sagt sie, müssten «endlich priorisiert» werden.

SP betont die Lebensqualität
Anders tönt es – logischerweise – auf linker Seite. Aebersolds Parteikollegin, Ingrid Kissling, hält auf Anfrage des BärnerBär fest, bei einem Budget von 1,4 Milliarden Franken sei ein Defizit von 28 Millionen «verkraftbar». Bern sei eine Stadt «mit hoher Wirtschaftskraft», die in Infrastrukturen investieren müsse. «Auch wenn der finanzielle Spielraum eng bleibt.» Dafür, sagt Kissling, steige hingegen die Lebensqualität.

Persönlich hätte Kissling «noch etwas mehr» in den Klimaschutz investiert, antwortet die Vizepräsidentin der städtischen Finanzkommission auf die Frage, wie sie persönlich die Budgetprioritäten gesetzt hätte. «Es geht darum, die Stadt mit vorhandenen Ressourcen lebenswert zu gestalten und in die Zukunft zu investieren. Und dies im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten.»
Florence Pärli wiederum findet es grundfalsch, «in dieser ausgezeichneten Konjunkturlage» überhaupt ein rotes Budget vorzulegen. Sie würde im Gegenteil versuchen, Schulden abzubauen. Sämtliche Aufwände seien «kritisch zu hinterfragen». Konkret erwähnt sie das IT-Projekt Citysoftnet, dessen Betriebsversuch in einem Debakel geendet hat. «Aufwände für Projekte, die nicht Gemeindeaufgaben sind, gehören abgeschafft.» Mitgemeint sind damit gemäss Pärli auch, wie sie es nennt, «Nice-to-have-Projekte» wie Hallo Velo.

«Die Stadt verschwendet unsere Steuern»
Maurice Lindgren wiederum erklärt, seine GLP sehe die geplante Neuverschuldung kritisch. «Sie liegt weit über den 30 Millionen Franken, die der Gemeinderat selber mal als Grenze definiert hat für eine sogenannt nachhaltige Finanzpolitik.» Von dieser Grenze wolle die Stadtregierung aber aktuell nichts mehr wissen.

Angesprochen darauf, was er als Schatzmeister ändern würde, holt SVP-Mann Feuz zum Rundumschlag aus. «In Berns Wohnungen leben noch immer viele Personen, die dies gar nicht nötig hätten. Die Stadt nimmt keinen Anstoss daran, dass gewisse Personen ihren Anstellungsgrad reduzieren, damit sie in den Genuss von vergünstigten Wohnungen kommen.» Feuz weist zudem auf den «gendergerechten Sprachleitfaden» und eine Fachstelle, die den Bernerinnen und Bernern «den Fleischkonsum madig machen» solle, hin. «Das sind nur weitere Beispiele dafür, wie die Stadt unsere Steuern verschwendet.»

Wie immer hat, nachdem der Stadtrat darüber befunden hat, das Volk beim Budget das letzte Wort. Im letzten November betrug der Ja-Anteil noch gerade rund 56 Prozent – Tendenz sinkend. Und diesmal? Die Unzufriedenheit über den Umgang mit den monetären Mitteln reicht mittlerweile, das belegen die Abstimmungszahlen, weit über die bürgerliche Wählerschaft hinaus.

Armes Bern? Ja im engeren Sinn. Und vielleicht auch in einem doppeldeutigen.

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