Klimapolitik sei wichtig, aber nicht alles, sagt Gemeinderatskandidatin Florence Pärli. Wen sie sich zudem als Stapi wünscht und wie sie ihre eigenen Wahlchancen einschätzt.
Florence Pärli, was bekommt man eigentlich, wenn man Sie wählt?
Jemanden, der sehr dossiersicher ist und hart arbeitet, um seine Ziele zu erreichen. Und mein Ziel ist, dass Bern endlich wieder schwarze Zahlen schreibt. Sonst werden künftige Generationen unsere Schulden abbauen und wir werden die Steuern erhöhen sowie Leistungen streichen müssen. Das wäre höchst unverantwortlich. Ich will mich in den Dienst der Stadt stellen und mache das alles nicht für mich selbst, da gäbe es gemütlichere Jobs.
Wen bekommt man persönlich?
Oje, ich hasse es, mich selbst zu beschreiben (lacht). Ich bin ein fröhlicher, zuverlässiger und optimistischer Mensch, höre mir gerne andere Meinungen an und bevorzuge es, im Konsens zu arbeiten, also Lösungen zu finden, die für alle stimmen. Ja, ich bin eine Teamplayerin.
Ihr politisches Hauptanliegen sind also die Finanzen?
Die Stadt soll weiterhin so viel bieten wie möglich, dafür müssen aber die nötigen Mittel vorhanden sein. Man kann nicht immer nur ausgeben, es braucht ein Gleichgewicht. Bern als Bundesstadt hat in verschiedenen Bereichen wie Wirtschaft, Kultur, Soziales und Sport eine riesige Verantwortung, der wir gerecht werden müssen. Stattdessen wird der Fokus von linker Seite seit Jahren sehr einseitig gelegt.
Worauf?
Auf das Klima, im Stadtrat das alles dominierende Thema. Verstehen Sie mich richtig: Natürlich ist das Klima relevant, wir wollen eine lebenswerte, grüne Stadt sein. Allerdings gibt es noch zig weitere Dinge, die es anzupacken gilt.
Das Budget 2025 mag tiefrot sein, laut Stapi Alec von Graffenried ist Bern indes «sehr, sehr vermögend», zudem nehmen die Steuereinnahmen von Jahr zu Jahr zu.
Das Vermögen mag gross sein – die Schulden aber ebenso. Das Eigenkapital der Stadt beträgt derzeit rund 110 Millionen Franken. Das klingt im ersten Moment nach viel, doch die laufende Rechnung budgetiert ein Defizit von rund 40 Millionen Franken. Ergo bleiben noch 70 Millionen übrig. Gemäss dem Budget des Gemeinderats geht das in diesem Stil bis 2028 weiter, danach wäre das Eigenkapital aufgebraucht und die Stadt somit überschuldet. Die Folgen sind, wie bereits erwähnt, Steuererhöhungen und Leistungsabbau. Das Beispiel Köniz, wo aufgrund finanzieller Engpässe der Bibliotheksbetrieb eingestellt werden musste, sollte uns eine Warnung sein. Bern lebt auf Pump.
Rot-Grün sagt, man sei wegen des Investitionsstaus dazu verdammt, Geld auszugeben.
Niemand stellt die Investitionen infrage. Nur: Sie haben vorhin die Steuereinnahmen erwähnt. Diese sind in den letzten zehn Jahren um 100 Millionen Franken gestiegen – pro Jahr! Dieses Geld hätte man eins zu eins für Investitionen einsetzen können. Doch was ist passiert? Wir haben uns Jahr für Jahr im Schnitt um mindestens 50 Millionen Franken neu verschuldet.
Das Geld muss ja trotzdem irgendwo sein?
Es wurde anderweitig ausgegeben, etwa für eine Verwaltung, deren Ausbau dramatisch ansteigt. Eine heilige Kuh, die nicht geschlachtet werden darf. Ähnlich ist es im Kulturbereich: Er erhielt noch vor kurzem 30 Millionen Franken pro Jahr, unterdessen sind es 38 Millionen.
Fakt ist hingegen auch, dass die Stadt Bern mit finanziellen Anfragen von Kulturschaffenden förmlich überrannt wird.
Ja, die Behörden kommen mit deren Bearbeitung kaum nach. Und was ist ihre Antwort darauf? Mehr Personal anstellen, anstatt zu überlegen, ob der Gesuchsprozess vielleicht effizienter gestaltet werden sollte. Eine solche Praxis wäre in der Privatwirtschaft unmöglich.
Was ist Ihnen politisch sonst wichtig?
Der Wohnungsbau, der nur schleppend vorankommt, Stichwort: Viererfeld oder Gaswerkareal.
Moment: Es wurden so viele Wohnungen gebaut wie seit den 70er-Jahren nicht mehr.
Stimmt, das haben wir allerdings nur zu einem geringen Teil der Stadt zu verdanken. Vor allem reichen diese Anstrengungen offensichtlich nicht; die Nachfrage übersteigt das Angebot. Wer den Bauherren zuhört, erfährt ausserdem, dass sich die Bauvorschriften in den vergangenen Jahren enorm verkompliziert haben und es unglaublich schwierig geworden ist, ein Bauprojekt zu realisieren. Einige dieser Vorschriften sind kantonal geregelt, das ist mir bewusst. Was sich davon auf kommunaler Ebene an bürokratischen Hürden beseitigen lässt, würde ich allerdings gerne angehen. Bauen wurde schlicht ideologisiert. Ein weiteres Thema, das mir unter den Nägeln brennt …
Bitte.
Die Wirtschaft. Die Schikanen gegen das lokale Gewerbe müssen endlich aufhören. Einem Unternehmen, das mit Lastwagen unterwegs ist, wurde in der Nähe des Güterbahnhofs ein 30er-Zone-Schild so mitten auf die Strasse gestellt, dass die LKW nun mühsam darum herumfahren müssen. Das ist sinnbildlich: Rot-Grün hat kein Gespür dafür, welche Bedürfnisse Firmen haben. Wie viele Steuern, nämlich ein Fünftel, sie zu sämtlichen Einnahmen beitragen und wie wichtig sie als Arbeitgeber sind. In den Legislaturzielen wird die Wirtschaft übrigens nicht einmal erwähnt. Nein, Firmen müssen nicht aktiv gefördert werden – man soll sie einfach in Ruhe arbeiten lassen.
Offenbar rennen Sie beim Gemeinderat offene Türen ein. Denn dieser will den Wirtschaftsverkehr in Zukunft priorisieren und den Freizeitverkehr eindämmen.
Erstens: Wie definieren sie Wirtschaftsverkehr? Zweitens: Wie wird er kontrolliert? Und was ist mit jenen, die körperlich beeinträchtigt unterwegs sind? Die Idee klingt gut, doch sie ist kaum realisierbar.
Wie nehmen Sie den Politbetrieb im Stadtrat generell wahr? Bürgerliche klagen oft über eine linke Machtarroganz.
Dieses Bild ist nicht falsch. Rot-Grün weiss, dass sie uns aussen vor lassen können, um ihre Geschäfte durchzubringen. Man will nicht einmal unsere Einwände anhören. Teilweise werden wir sogar von gewissen Diskussionen ausgeschlossen: Als es um die Rolle von Berns Kitas ging, lud Franziska Teuscher exklusiv eine Gewerkschafterin und rot-grüne Parlamentsmitglieder zu sich ins Büro ein. Das ist undemokratisch.
Wen wünschen Sie sich als Stapi? Marieke Kruit oder Alec von Graffenried?
Persönlich tendiere ich zu niemandem. Strategisch wünsche ich mir den im Vergleich zu Ursina Anderegg gemässigteren Grünen Alec von Graffenried zumindest wieder im Gemeinderat.
Wäre von Graffenried auch der bessere Stapi?
Nein.
Ihre grösste Konkurrentin um einen Sitz im Gemeinderat ist Béatrice Wertli. Wer von Ihnen beiden machts?
Meine grösste Konkurrenz ist die Rot-Grün-Mitte-Liste. Falls wir mit der Liste «Meh Farb für Bärn!» einen zweiten Sitz holen, stehen die Chancen zwischen Béatrice Wertli und mir fünfzig zu fünfzig. Ich würde das Amt gerne ausüben, lebe seit meiner Kindheit in Bern, bin seit vier Jahren als Stadträtin fest in der Berner Politik verankert, habe noch keine Familie. Ich habe 100 Prozent Kapazität für diese Stadt.
Apropos: Sie würden während Ihrer Amtszeit auf Kinder verzichten?
Würden Sie einem Mann diese Frage auch stellen?
Fakt ist: Frauen haben es nach der Geburt eines Kindes wegen der geltenden Umstände nach wie vor schwer, zurück ins Berufsleben zu finden.
Mein Mann befindet sich mitten in seiner Ausbildung zum zweiten Facharzt, daher ist das momentan kein Thema. Dass Kind und Verantwortung im Beruf zusammen gehen, wurde mir mitgegeben: Meine Eltern waren beide zu 100 Prozent in anspruchsvollen Berufen tätig.
Ihre Partei hat sich vor vier Jahren einen linksliberalen Kurs verpasst. Die Wahl am 24. November ist also auch ein Plebiszit darüber, was die Wählenden von der neuen Ausrichtung halten.
Diesen Stempel haben uns vor allem die Medien aufgedrückt. Innerhalb der Fraktion ist die politische Bandbreite nach wie vor gross. Persönlich bin ich weder links- noch rechtsliberal, sondern sehr eingemittet. In einer Partei wie der FDP ist eine gewisse politische Spannbreite ganz normal.
Wenn Ihr Wahlversuch scheitert, ziehen Sie sich dann aus der Politik zurück?
Zunächst einmal wäre ich frustriert. Denn noch haben wir es in der Hand, den Kurs zu ändern, weitere vier Jahre in dieser Konstellation würden die finanzielle Lage unserer Stadt hingegen nachhaltig verschlechtern – und wir wollen ja kein zweites Biel werden. Um Ihre Frage zu beantworten: Nein, ich würde mich nicht zurückziehen, ich kann nicht weg von der Politik (lacht). Wahrscheinlich würde ich aber nur noch im Hintergrund wirken.