Seit 2018 ist sie Berner Regierungsrätin, nun hat sie zum ersten Mal das Präsidium inne. Evi Allemann über ihre neue Rolle, YB und die Aaretemperatur.
Evi Allemann, Sie sind seit dem 1. Juni Regierungspräsidentin des Kantons Bern. Was hat sich seither für Sie geändert?
Jetzt trage ich die Verantwortung der Sitzungsleitung in der Regierung, was eine andere Vorbereitung bedingt. Neu ist auch die Repräsentation gegen aussen. An Anlässen kommt es zu Begegnungen, die vielleicht sonst so kaum stattfinden würden.
Wie sind Sie bis jetzt mit sich zufrieden?
Ich mache diesen Job gerne und glaube, dass mir diese Rolle liegt. Bis jetzt jedenfalls waren die Feedbacks positiv. Am kantonalen Schwing- oder Jodlerfest habe ich zudem festgestellt, dass die Leute es schätzen, wenn jemand von der kantonalen Regierung vor Ort ist und den direkten Austausch pflegt.
Ist der Respekt Ihrer Kolleginnen und Kollegen Ihnen gegenüber seither gestiegen oder gar gesunken? Vielleicht denken einige ja: Harte Kritik muss eine Regierungspräsidentin schon aushalten
Daran hat sich nichts geändert, nein. Der Respekt gegenüber der Person, die das Präsidium innehat, war und ist hoch. Das war bei meinen Vorgängerinnen und Vorgängern kaum anders. Alle sind sich bewusst, dass dieses Amt eine zusätzliche Verantwortung bedeutet. Mir ist es ein grosses Anliegen, während der Sitzungen eine gute Diskussionskultur zu pflegen.
Die angenehme Stimmung wird von Ihnen wie von anderen Regierungsratsmitgliedern immer wieder betont. Also muss es wohl stimmen.
Ja, der kollegiale Umgang ist gegeben, obschon die Diskussionen definitiv immer mal wieder sehr intensiv geführt werden. Wir bringen alle verschiedene Rucksäcke an Erfahrungen und Weltanschauungen mit. Trotzdem schaffen wir es, die gemeinsame Verantwortung für diesen Kanton wahrzunehmen, um das Beste für die Bevölkerung herauszuholen. Als Arbeits-, Wohn- und Wirtschaftsstandort.
Der Berner Gemeinderat behauptet von sich ja ebenfalls, man führe kontroverse Debatten – was bei einer 4:1-Konstellation zugunsten von Rot-Grün eher schwer vorstellbar ist. Bei Ihnen sind die politischen Verhältnisse ausgewogener.
Richtig. Sämtliche Regierungsmitglieder haben ausserdem ein ausgeprägtes Rollenbewusstsein und können sich gut in die Köpfe der anderen hineinversetzen. Klar werden Entscheidungen aufgrund persönlicher Auffassungen nicht immer gleich überzeugt mitgetragen – doch gegen aussen kommunizieren wir einheitlich, die eigene Meinung ist Nebensache.
Sie haben sich in Ihrem Amtsjahr die digitale Transformation auf die Fahne geschrieben. Was heisst das konkret?
Wir wollen Dienstleistungen für die Bevölkerung möglichst digital erbringen. Nicht, weil das ein Trend ist, sondern weil es zu einem guten Service public gehört. Vieles ist schon möglich, zum Beispiel einen Handelsregisterauszug zu erhalten oder einen Umzug anzumelden. Es soll nicht mehr von den Öffnungszeiten eines Amtes abhängen, ob man sein Anliegen deponieren kann. An diesem Anspruch arbeiten wir. Zudem möchten wir vermehrt Künstliche Intelligenz einsetzen, im Sinne der Effizienz. Allerdings überlegen wir uns genau, wo KI Sinn ergibt und wo es den Menschen selbst benötigt. Wir möchten als Kanton diesbezüglich ein Vorreiter sein, was bei der elektronischen Baubewilligungsmöglichkeit bereits der Fall ist. Dann noch ein zweiter Aspekt.
Bitte.
Wir werden so schnell wie möglich die elektronische Verwaltungsrechtspflege einführen, denn ohne sie ist die Verwaltung nur teilweise digitalisiert. Sie ist nötig, damit am Ende des Tages beispielsweise nicht doch noch etwas ausgedruckt werden muss. Dieses Projekt wird übrigens die gesamte Verwaltung durchziehen. Im Moment wird der Auftrag formuliert, um ein gesamtkantonales Projekt zu starten.
Wie benutzen Sie persönlich KI? Suchen Sie bei ChatGPT manchmal nach Rezepten oder schönen Wanderungen?
Ich selbst benutze das Tool eher aus Gwunder, weniger, um mir den Alltag zu erleichtern. In der Direktion verwenden wir KI manchmal dazu, um Ideen zu generieren, etwa zur Vorbereitung einer Rede. Doch es braucht natürlich nach wie vor die eigenen Gedanken.
Es folgen nun einige Stichworte, zu denen wir gerne Ihre Meinung hätten. Erstens: Eurovision Song Contest.
Zunächst einmal habe ich mich wahnsinnig über Nemos Sieg gefreut. Das Bewerbungsdossier von Bern und Biel fand ich überzeugend – die Absage habe ich extrem bedauert.
Ist es von Vorteil für eine Kandidatur, wenn ein Regierungskollege auf X schreibt: «Nemo, bleib fern von Bern?»
Wir haben als Regierung Nemo gratuliert und eine Austragung in der Region unterstützt. Das andere war ein Nebenschauplatz.
Nächstes Stichwort: Pro-Palästina-Demos an Berner Unis.
Ich habe diese Kundgebungen sehr ambivalent erlebt. An Hochschulen sollen kontroverse Diskussionen möglich sein. Militante Forderungen zu stellen, die in Boykottaufrufen münden, halte ich aber für äusserst gefährlich.
Manche in Ihrer Partei haben sich nicht eindeutig von den linksextremen Demonstranten distanziert.
Das kann in breit aufgestellten Parteien passieren, ja.
YB.
Ich bin nach wie vor Fan (lacht). Es ist ein emotionales Auf und Ab in dieser Saison.
Bundesrat. Zwei Kandidaturen haben Sie unternommen, zweimal wurden Sie gestoppt. Ist die Landesregierung für Sie abgehakt?
Das ist kein Thema, zurzeit gibt es keine Vakanz. Würde ein Sitz frei werden, weiss ich Stand heute nicht, wo ich dann beruflich stehe. Momentan füllt mich das Regierungspräsidium voll und ganz aus.
Letztes Stichwort: Ihre Sommerferien.
Privat war ich mit der Familie mit dem Zug auf einer Reise durch Europa. Es war erholsam und gleichzeitig inspirierend. Wir waren ziemlich aktiv und haben uns selten wirklich zurückgelehnt (lacht).
Nun ist die Ferienzeit vorbei. Was steht beruflich als Nächstes an?
Ich bin auch Raumplanungsdirektorin. Es stellt sich die Frage, wie wir es schaffen, die Energiewende und den Klimawandel auf einer planerischen Ebene zu berücksichtigen, um diesen grossen Herausforderungen zu begegnen. Dazu sind erste Anpassungen in der Vernehmlassung, der Richtplan wird revidiert. Im sozialen Bereich beschäftigen uns die Krankenkassenprämien und damit zusammenhängend die Kaufkraft der Bevölkerung. Wir sind daran, das Prämienverbilligungssystem zu modifizieren und weiter stark auf Familien auszurichten. Laut Gesetz sollen zwischen 25 und 45 Prozent der Berner Bevölkerung in Genuss solcher Verbilligungen kommen. Gleichzeitig müssen wir uns auf den Gegenvorschlag zur Prämienentlastungsinitiative vorbereiten und wollen diese Anpassungen voraussichtlich 2027 in Kraftsetzen.
Letzte Frage: Wie oft waren Sie diese Saison schon in der Aare?
Bis Mitte Juli war sie für mich zu kalt und führte zu viel Wasser.
Ab welcher Temperatur gehen Sie rein?
Ab etwa 19 Grad, idealerweise ab 20. Und ich gehe nie alleine. Es muss also immer jemand mit mir mitkommen und mitfrieren (lacht).
Aber sie waren schon drin?
Klar, sicher mehr als eine Handvoll Male. Halt nicht Nachmittage lang rauf und runter, sondern einfach rein, um mich abzukühlen. Das liegt auch bei einer vollen Agenda drin.