Das sagt die Konkurrenz zur Lohn-Kampfansage von Janosch Weyermann

Grosszügige Geste oder nur ein Wahlkampfgag?

Gemeinderatskandidat Janosch Weyermann würde sich mit 200 000 Jahreslohn zufrieden geben. Foto: Keystone/Alessandro Della Valle

Als Gemeinderat würde sich Janosch Weyermann mit 200 000 Franken Jahreslohn zufriedengeben. Billige Eigen-PR, finden die einen. Durchaus eine Überlegung wert, meinen die anderen.

«200 000 Franken sind genug» – so hiess eine Initiative des BDS (Bund der Steuerzahler), die 2001 eingereicht und drei Jahre später von der Bevölkerung angenommen wurde. Seither gilt in Bern für Gemeinderäte sowie leitende Angestellte eine Lohnobergrenze. Eine indes, die laut Reglement stets der Teuerung angepasst wird. Und so beträgt das jährliche Einkommen eines Mitglieds der Stadtregierung derzeit exakt 235 093 Franken, wie es bei der Stadt auf Anfrage dieser Zeitung heisst. Hinzu addieren sich Spesen von 16 000 (Stadtpräsident), 14 000 (Vizepräsidium) und 12 000 (übrige Mitglieder) Franken. Das Salär von Stapi Alec von Graffenried beträgt demnach exakt 251 093 Franken.

Deutlich zu viel, findet Janosch Weyermann, SVP-Stadtrat und Gemeinderatskandidat des bürgerlichen Wahlbündnisses. 200 000 Franken sind laut dem Jungpolitiker noch immer «eine beachtliche Summe». Er sagt: «Nur die wenigsten Gemeinderatsmitglieder würden in der Privatwirtschaft jemals ein solches Gehalt erzielen.» Gelingt Weyermann der Sprung in Berns Exekutive – was aufgrund der politischen Ausgangslage allerdings ziemlich unwahrscheinlich erscheint –, wäre der Jungpolitiker deshalb mit einem Maximum von 200 000 Franken zufrieden.

«Nein, ich verzichte nicht!»
Eine generöse Geste oder reine Eigen-PR? Für den amtierenden Stadtpräsidenten Alec von Graffenried handelt es sich bei Weyermanns Vorpreschen um einen «Wahlkampfgag, mehr nicht». Sich freiwillig das Gehalt zu kürzen, ist für den Stapi kein Thema. «Nein, ich verzichte nicht», hält der 61-Jährige gegenüber dem BärnerBär fest. «Hingegen bezahle ich aus dem Lohn Abgaben für die Partei, Spenden und Mitgliedschaften – das kommt ungefähr aufs Gleiche raus.»

Sowieso, erklärt von Graffenried, liege das Salär eines Berner Gemeinderats im Vergleich mit anderen Städten und Gemeinden «eher tief», dasselbe gelte für «eine vergleichbare Tätigkeit in der Privatwirtschaft». Mühe mit dieser Tatsache habe er jedoch nicht, schliesslich sei die Obergrenze vom Volk so gewollt.

235 093 Franken plus Spesen – Luxuslohn oder bloss anständige Aufwandentschädigung? Darüber gehen die Meinungen auseinander, selbst innerhalb des finanzsensiblen bürgerlichen Bündnisses. Zwar findet EVP-Gemeinderatskandidatin Bettina Jans-Troxler, ein Mitglied der Stadtregierung erhalte grundsätzlich «viel Geld, das man für ein gutes Leben eigentlich nicht braucht.» Andererseits seien diese Zahlen im Verhältnis zu sehen. «Ein Gemeinderat sollte nicht viel weniger verdienen als etwa der Intendant von Bühnen Bern oder der CEO von EWB.» Florian Scholz’ (Intendant Bühnen Bern) Jahreseinkommen lag 2022 übrigens bei 300 000 Franken, Ex-Uni-Bern-Rektor Christian Leumann bringt es in diesem Zeitraum auf 418 000 Franken, EWB-Chefin Cornelia Mellenberger darf sich über geschätzte 281 000 Franken freuen, wie eine Recherche der Tamedia-Zeitungen ergab.

Florence Pärli legt Lohn offen
Ins gleiche Horn bläst Béatrice Wertli, die für Die Mitte ins Gemeinderatsrennen steigt. «Wer die Löhne von Gemeinderäten zu hoch findet, sollte zumindest auch bei städtischen Betrieben wie EWB oder Bühnen Bern hinschauen: Die obersten Kader dort sind noch höher entschädigt als der Gemeinderat.» Zudem erwähnt sie das städtische Lohngefüge, das im Auge zu behalten sein. «Verdienen die Obersten weniger, erhält im gegenwärtigen System auch die Person, die beispielsweise für die Ghüderabfuhr arbeitet, weniger. Das darf natürlich nicht passieren.»

Weyermanns Vorschlag steht Florence Pärli (33) grundsätzlich offen gegenüber. «Ich verstehe die Idee gut», meint die Frau, die Ende November für die FDP antritt. «Jede Sparmöglichkeit und folglich auch der Lohn der Gemeinderäte müssen kritisch überprüft werden.» Sowieso würde sie bei einer Wahl in die Stadtregierung die Aufgabe und «keinesfalls den Lohn» in den Vordergrund stellen. «Ich wäre also durchaus bereit, für weniger als die rund 247 000 Franken zu arbeiten.» In diesem Zusammenhang legt Pärli ausserdem ihren aktuellen Verdienst offen: Es sind dies, auf 100 Prozent, 120 000 Franken jährlich, wobei die Juristin derzeit zu 80 Prozent im Rechtsdienst der kantonalen Steuerverwaltung Solothurn angestellt ist; den Rest ihrer Zeit opfert sie der Politik. «Der Gemeinderatslohn müsste also insofern höher sein, damit ich die Parteibeiträge und die Spesen bezahlen könnte. 160 000 bis 200 000 Franken würden mir somit vollends ausreichen.»

Nun will Janosch Weyermann ja nicht nur auf Geld verzichten – er möchte die freigewordenen Finanzen danach sinnvoll einsetzen, respektive «der Bevölkerung zurückgeben», wie es der SVP-Mann formuliert. «Mir schwebt ein Fonds vor, bei dem Einzelpersonen, Vereine oder soziale Institutionen unkompliziert ein Gesuch um finanzielle Unterstützung stellen können.» Als Beispiel nennt der 29-Jährige eine «Familie, die Mühe hat, die Schulreise ihres Kindes zu bezahlen». Er selbst würde ausserdem in seiner Direktion jenen Lehrabgängerinnen und -abgängern eine Prämie ausbezahlen, die mit Bestnoten abschliessen.

Betrag wäre «schnell verpufft»
Florence Pärli wiederum könnte sich vorstellen, das – theoretisch – eingesparte Geld «langfristig in tiefere Steuereinnahmen» zu investieren. Bettina Jans-Troxler hingegen glaubt, dass ein solcher Betrag im Budget «schnell verpuffen» würde. «Man müsste das Geld sehr gezielt einsetzen, um etwas zu bewirken. Zum Beispiel eine Wertschätzung für Mitarbeitende der Stadt, die für tiefste Löhne arbeiten, oder eine weitere Singklasse vom Jeki-Projekt (das Förderprogramm soll jedem Kind in Bern ermöglichen, ein Musikinstrument zu erlernen, d. Red.).»

Béatrice Wertli ortet, darauf angesprochen, finanziellen Nachholbedarf bei der Sicherheit. «Zudem haben wir hohen Investitionsbedarf im Bereich der Fernwärme.» Alec von Graffenried seinerseits antwortet auf diese Frage mit ironischem Unterton: «Vielleicht liesse sich damit eine Handvoll Vorstösse aus dem Stadtrat beantworten?»

Und wie viel soll eine Gemeinderätin oder ein Gemeinderat in Bern nun an Einkommen erhalten? Nimmt man die Legislaturbilanz der Stadtregierung von Anfang Juli als Massstab, in der selbstkritische Äusserungen so zahlreich vertreten waren wie Eisbären im Tierpark, hätten alle fünf Mitglieder eine satte Lohnerhöhung verdient. Mindestens. Um Finanzdirektor Michael Aebersold zu zitieren: «Wir sind wirtschaftsstark.» Na dann.

Anmerkung der Redaktion: Matthias Aebischer (SP) wollte zum Thema keine Stellung nehmen, Marieke Kruit (SP) weilt derzeit in den Ferien, Melanie Mettler (GLP) sowie Ursina Anderegg (GB) haben auf eine Anfrage nicht reagiert.

Flüstere dem Bär etwas.

In der Flüstertüte berichtet der BärnerBär immer wieder über Gerüchte aus der Hauptstadt. Du hast etwas gesehen oder gehört, von dem der Bär wissen sollte? Hier kannst Du es ihm flüstern!

Name und E-Mail-Adresse benötigen wir nur zur Korrespondenz. Diese Angaben werden wir nie veröffentlichen.

Bitte aktiviere JavaScript in deinem Browser, um dieses Formular fertigzustellen.
Name
Klicke oder ziehe Dateien in diesen Bereich zum Hochladen. Du kannst bis zu 2 Dateien hochladen.
Laden Sie bis zu zwei Bilder zu Ihrer Meldung hoch.

Unterstützen Sie den BärnerBär!

Für Ihre freiwillige Spende danken wir Ihnen herzlich!