Stapi Alec von Graffenried gibt Einblick in sein Gefühlsleben

«Logisch wünsche ich mir das nicht»

Stadtpräsident Alec von Graffenried im Interview mit dem BärnerBär. Foto: Daniel Zaugg

Ob er Angst vor einer Abwahl hat? Im Interview beantwortet Stadtpräsident Alec von Graffenried diese und weitere unangenehme Fragen. Und er verrät, wie es um sein Verhältnis zu Herausfordererin Marieke Kruit steht. 

Alec von Graffenried, wie lautet Ihr Wahlkampfslogan? 
Bern geht es gut – das zeigen die Zufriedenheitsumfragen und die Abstimmungsresultate. Das freut mich und dafür arbeite ich ja täglich – deshalb sollte mit den bestehenden Kräften weitergearbeitet werden. Ich habe mich deshalb für «Wytermache» entschieden, im Sinne von: weiter denken, weiter lenken, weiter liefern, und Bern damit weiterbringen. 

Sie wollen «wytermache», auch als Stadtpräsident natürlich. Was tun Sie persönlich, damit das so bleibt? 
Ich zeige, was ich bereits erreicht habe und was ich noch vorhabe. Ich setze mich nun seit acht Jahren für diese Stadt und die Menschen ein, ich brauche mich daher nicht neu zu erfinden. Die Leute wissen, was sie an mir haben. Was ich kann und was weniger. Von daher ist die Wahl auch ein Plebiszit darüber, ob sie mit den Entwicklungen in Bern zufrieden sind. 

Wenn Sie es schon selbst erwähnen: Was können Sie denn gut und was weniger? 
Ich kenne mich in Bern und in meinen Dossiers fundiert aus und weiss, was wann anzupacken ist. Handkehrum werde ich definitiv kein Social-Media-King mehr (lacht). Ich will die Menschen ja auch nicht mit Facebook-Posts langweilen. Wichtiger ist mir sowieso, anstehende Dinge anzupacken und zu erledigen, im Sinne von: Lifere statt lafere. 

Ihr Video, das Sie am Gurtenfestival auf dem Rücken eines kräftigen Herrn zeigt und in welchem Sie zu «Scharlachrot» mitsingen, ging aber durchaus viral.
Es war eine spontane Aktion und nicht, wie manche spekulierten, ein Wahlkampfgag. Der sehr «kräftige Herr», Bäru, wollte damit eine Wette gewinnen.

Welche Bilanz ziehen Sie von den letzten vier Jahren Ihrer Amtszeit?
Ich hatte mir vorgenommen, mehr in Planungsvorlagen zu investieren, um den Wohnungsbau anzukurbeln. Das ist gelungen, daher wurden rekordweise neue Wohnungen gebaut, im letzten Jahr so viele wie noch nie seit den 70er-Jahren. Trotzdem ist der Wohnungsmarkt immer noch ausgetrocknet. Das Bedürfnis, in der Stadt zu leben, bleibt gross.

Ihre grösste Konkurrentin um das Stapi-Amt ist Ihre RGM-Kollegin Marieke Kruit. Wie würden Sie das Verhältnis zu ihr beschreiben, nachdem Sie über ihre Kampfansage nicht gerade erfreut waren?
Es gibt zahlreiche Schnittstellen mit der Tiefbaudirektion, gerade bei den Planungen. Wir arbeiten hervorragend zusammen. Deshalb gibt es eigentlich keinen Grund, an der aktuellen Konstellation etwas zu ändern. 

Und auf persönlicher Ebene? 
Ihre Kandidatur hatte mich irritiert. Nun fordert Marieke Kruit, man müsse Wohnungen bauen, Bäume pflanzen, beim Klima vorwärts machen … das ist ja schön und gut, läuft aber alles schon, und für die Bäume und die Klimaanpassung ist sie ohnehin selber zuständig. Einen politischen Grund für ihre Stapi-Kandidatur sehe ich nicht.

Trotzdem hoffen Sie sicherlich darauf, dass es auch nach dem 24. November beim 4:1-Verhältnis für Rot-Grün-Mitte im Gemeinderat bleibt?
In Bezug auf die politische Repräsentation wäre ein 3:2 ebenfalls in Ordnung, doch wir tun natürlich alles für ein 4:1. 

Fühlt sich das Gewerbe mittlerweile eigentlich besser verstanden als in der Vergangenheit? 
Arbeitsplätze nehmen in Bern ungebremst zu, laut den neuesten Zahlen 2024 sind es in der Stadt unterdessen 200 000. 2022 waren es noch 193 000, und das bei 146 000 Einwohnenden. Sprich: Die Wirtschaft wird nicht verdrängt, weil die Standortqualität der Stadt enorm gut ist. Doch es stimmt, dass für gewisse Betriebe, die wachsen, die entsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten fehlen. Die grösste Schwierigkeit besteht dabei, bestehende Industriezonen zu erneuern. Auf einem alten Industriegelände, wie dem Zent-Areal im Galgenfeld, siedeln sich fast ausschliesslich kleine Dienstleistungsbetriebe an, statt jene Industrie- und Gewerbebetriebe, für welche die Zone eigentlich bestimmt ist. Bei der Güter- und Weyermattstrasse ist die Entwicklung gelungen, im Galgenfeld müssen wir uns andere Strategien ausdenken. Zum Beispiel, indem die Stadt Bern auch mal ein Grundstück kauft und damit die Entwicklung aktiv steuert.

Was ist mit dem Wirtschaftsverkehr?
In der Unteren Altstadt läge ein neues Verkehrskonzept bereit, dort könnte das Gewerbe freie Fahrt haben zum Anliefern, weil die Parkierung ins Rathausparking verlegt werden soll. Das wird allerdings durch Beschwerden blockiert. Es ist übrigens das erste Projekt, das gemeinsam mit Wirtschaftsvertretern entwickelt wurde. In dieser Weise wollen wir den Wirtschaftsverkehr in Zukunft auch andernorts priorisieren und gleichzeitig den Freizeitverkehr eindämmen.

Beim Kampf ums Stadtpräsidium wird es ziemlich sicher zu einem zweiten Wahlgang kommen. Wenn Sie abgewählt würden – worauf würden Sie das zurückführen?
Logisch wünsche ich mir das nicht. Würde es so weit kommen, müsste ich mir aber überlegen, wie das passieren konnte. Ich möchte eigentlich, so komisch das vielleicht tönt, dass Politik langweilig ist, weil es den Menschen dann gutgeht. Die Bevölkerung hat ein Anrecht darauf, ein eigenes Leben zu führen, ohne stets von der Politik «tryschaagget» zu werden. Ich renne deshalb nicht dauernd zu den Medien oder hänge auf Social Media alles an die grosse Glocke. Das ist allerdings eine riskante Strategie, da ich dadurch womöglich etwas weniger präsent bin als andere. Wenn die Wiederwahl scheitert, wäre das im Nachhinein wohl einer der Fehler gewesen. 

Und wie feiern Sie, wenn Sie wiedergewählt werden?
Ich würde über die Wahl jubeln, feiern und hätte «e Schiissfröid». Danach würde ich mit meiner Familie in den Kornhauskeller essen gehen, denn meine Familie macht das alles mit und gibt mir Kraft.

10 PRIVATE FRAGEN AN ALEC VON GRAFFENRIED

Was darf bei Ihnen im Kühlschrank nicht fehlen?
Milch.

Wie viel schläft man als Stapi pro Nacht?
Unterschiedlich, zwischen vier und sieben Stunden. Meist wache ich ohne Wecker auf.

Ihr Sehnsuchtsort?
Ich werde nie in die Antarktis oder nach Australien reisen. Ich finde, dass zu viel und zu gedankenlos geflogen wird. Wir überlegen oft, wo wir hinfahren sollen, am Schluss gehen wir fast immer nach Italien. Trotzdem war ich noch nie in Apulien oder Kalabrien. Mein Sehnsuchtsort ist Italien.

Mit wem möchten Sie nie länger Zeit auf einer einsamen Insel verbringen?
Mit Wladimir Putin.

Ihr meistgenutztes App?
Kein App, Wikipedia.

Welche Musik soll an Ihrer Beerdigung
gespielt werden?
Das Klarinettenkonzert A-dur von Mozart, 2. Satz, Solveigs Song von Edvard Grieg und zum Schluss «Let the sunshine in» oder «Aquarius» aus dem Musical Hair.

Für wen haben Sie als Kind geschwärmt?
Trudi Gerster und Jim Knopf, wobei einiges von Trudi Gerster heute nicht mehr geht.   

Welches Vorurteil über Sie würden Sie gerne aus
der Welt schaffen?
Er ist reich und abgehoben. Das ist ein Vorurteil, das
sich nur auf meinen Namen bezieht.

Haben Sie eine Phobie?
Rassismus widert mich an.

Erinnern Sie sich an Ihren letzten Traum?
Nein, an Träume erinnere ich mich leider nie.

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