Seit etwas mehr als einem Jahr ist Peter Steck Präsident des Gewerbeverbandes KMU Stadt Bern. Im Interview erklärt er, wieso seine Arbeit «Chnochebüetz» ist und warum der Wirtschafts- nicht dem Privatverkehr gleichgestellt werden darf.
Peter Steck, wie lautet Ihr Fazit nach rund einem Jahr als stadtbernischer KMU-Präsident?
Es gibt viel zu tun auf dem Weg zu einer gewerbefreundlicheren Stadt. Wir suchen mit etlichen Playern den Dialog respektive nehmen ihn wieder auf. Wir wollen nicht nur kritisieren und meckern, sondern uns aktiv einbringen. Als Verband streben wir eine stärkere Präsenz an, um zu zeigen, was wir können und wer wir sind.
Wer sind Sie denn?
Das Gewerbe, klar. Unsere Bedürfnisse, unser Wirken in der Stadt, den Menschen plausibel näherzubringen, ist allerdings «Chnochebüetz».
Tragen diese Bemühungen schon Früchte?
Definitiv. Wir werden vermehrt angehört, nicht nur, wenn wir Beschwerden einlegen, sondern auch bei vielen Arealentwicklungen und der Transformation von Gewerbegebieten in neue Wohnquartiere. Wir können bereits teilweise auf Augenhöhe mitreden und die Bedürfnisse der gewerblichen Arbeitsplätze in die Siedlungsentwicklung einbringen.
Welche Entwicklungen bereiten Ihnen sonst noch Sorgen?
Die geplanten Verkehrsmassnahmen, die darauf abzielen, den motorisierten Individualverkehr in Bern um rund 50 Prozent zu reduzieren – mit provozierten Staus, aufgehobenen Parkplätzen, Umleitungen oder Fahrverboten – beeinträchtigen auch den stadtnotwenigen Wirtschaftsverkehr stark. Solange diesem nicht genügend Zugang- oder Durchfahrtsberechtigungen sowie Ladezonen gewährt werden. Wenn aus Angst, der Verkehrsknoten am Bubenbergplatz könnte kollabieren, dem motorisierten Individualverkehr der Zugang zum Zentrum nur extrem dosiert oder über Umwege zugestanden wird, dann müssen wir Wirtschaftsverbände uns wehren, weil der nötige Gewerbeverkehr dem privaten Autoverkehr gleichgestellt wird. Man macht das Autofahren absichtlich unattraktiv, und doch, braucht es nach wie vor Versorgung, Entsorgung, ja eine intelligente Stadtlogistik.
Hat sich in Ihrer Amtszeit schon etwas zum Besseren verändert?
(Überlegt) Wir arbeiten an der Wahrnehmung der Wirtschaft. Es stehen zig Arealentwicklungen an. Überall wird damit geworben, dass dort Arbeiten, Wohnen und Gewerbe gemeinsam unter einem Dach möglich sein werden. Bloss: Was ist mit Gewerbe gemeint? Eine Bäckerei im Quartier? Dann kommt allerdings ein Lastwagen, der störend frühmorgens anliefern muss und im schlechtesten Fall gar nicht hinfahren darf. So passiert es, dass das Gewerbe aus der Stadt verdrängt wird.
Anlieferung ist ja nicht schlimm?
Der Punkt ist schlicht: Wenn es uns braucht, sollten wir schnell vor Ort sein, aber auch schnell wieder weg, weil wir alle anderen stören. Wenn das Gewerbe aus der Stadt verdrängt wird, dann werden die Wege länger und durch die Verkehrsreduktionsmassnahmen noch gestaut. So werden wir bei der Ausübung unserer Arbeiten selbst gestört. Gestört werden auch Betriebe wie unsere Carrosserie, die vorläufig in der Stadt bleiben, aber bald in einem Wohnquartier stehen werden, in dem neue Bewohnerinnen und Bewohner das Recht haben, sich über Lärm oder andere Dinge zu beschweren. Der Gemeinderat versucht, günstigen Wohnraum bereitzustellen. Wir kämpfen hingegen für günstigen Gewerberaum, der in dieser Stadt je länger, je mehr fehlt.
Grundsätzlich lebt es sich doch in Bern ganz formidabel: Es ist ruhig, es existieren zahlreiche Grünflächen, die Stadt ist sicher – kurzum: Sie weist eine hohe Lebensqualität auf.
Das will ich nicht in Abrede stellen. Bloss merken jene, die in den lauschigen, gemütlichen Gebieten leben kaum, dass sie von der Unruhe da draussen abhängig sind. Wie etwas angeliefert wird, darüber machen sich die wenigsten Gedanken. Das war gut zu beobachten bei der Diskussion um die Parkplätze in der Zeughausgasse, als einige dachten, die Migros Marktgasse liesse sich statt mit einem Lastwagen mit dutzenden Lastenvelos beliefern.
Was möchten Sie in Bern konkret ändern, wenn Sie könnten?
Am liebsten wäre mir eine diversere politische Vertretung im Stadtrat, die sich offener für die Anliegen der Handwerkerwelt zeigt und sich für die Bedürfnisse des Gewerbes interessiert. Selbstverständlich ist die Zusammensetzung demokratisch legitimiert – aber Sie haben mich ja nach meinem Wunsch gefragt (lacht).
Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit mit den politischen Entscheidungsträgern generell?
Sie ist in Ordnung, namentlich der Austausch mit dem Gemeinderat und Projektleitenden in Stadt- und Verkehrsplanungen scheint mir auf gutem Weg. Man hört einander zu und ich denke, langsam werden wir als Partner für eine lebendige Stadtentwicklung wahrgenommen. Wir sind nicht nur die «störenden Gewerbler»; im Stadtrat ist das Verständnis für uns bei vielen leider noch geringer.
Was sagen Sie zum Schulterschluss der bürgerlichen Parteien von GLP bis SVP vor den Wahlen im Herbst?
Ich finde es gut, dass man zusammenrückt. Das hat die andere Seite ja ebenfalls immer getan. Andere Meinungen müssen ein Gewicht haben in dieser Stadt, damit der Diskurs nicht einfach von Links-Grün bestimmt wird. Dazu kann dieses Bündnis beitragen, obwohl es, da müssen wir uns keinen falschen Hoffnungen hingeben, nach wie vor in der politischen Minderheit ist.
Was wünschen Sie sich für Bern?
Ich wünsche mir eine lebendige Stadt. Zum Leben gehört auch Arbeit, sprich: Gewerbe und Handwerk. Bern hingegen befindet sich eher auf dem Weg zu einer Freizeitstadt. Die Vergnügungszonen sollen zwar gut erreichbar sein, aber doch nicht zu nah, denn da stören sie wieder. Nehmen Sie die Mittelstrasse: Wer selbst direkt dort wohnt, findet die zeitweise Sperrung zugunsten einer Begegnungsstrasse weniger cool.
Ihr Anliegen ist klar: Die Stadt muss wirtschaftsfreundlicher werden.
Absolut, namentlich in Bezug auf Wege und Standorte. Es geht weniger um dreckige Hände, wir sind durchaus stadtverträglich. Und wir wollen mithelfen. Die Bevölkerung arbeitet nicht nur in der Verwaltung, sondern auch auf dem Bau, in Reparaturbetrieben oder in der Stadtversorgung.