SVP-Stadtrat Janosch Weyermann will Stadtpräsident werden. Welcher Vergleich ihn nervt, wieso er sich im Parlament im falschen Film wähnt und wem er in einer Stapi-Stichwahl seine Stimme geben würde.
Janosch Weyermann, Sie kandidieren fürs Stadtpräsidium. Wie kam es dazu?
Wir als Zweckbündnis, bestehend aus SVP, FDP, Mitte, EVP und GLP, haben uns überlegt, ob wir ebenfalls ins Stapi-Rennen einsteigen wollen. Die Ankündigung von Marieke Kruit, Alec von Graffenried herauszufordern, brachte uns diesbezüglich ein bisschen in Zugzwang. Wir haben dann beschlossen, dass jeder von uns antreten soll, der möchte. Es handelt sich um keine Bündnis-Entscheidung. Wir sind schlicht der Meinung, dass Bern eine Auswahl braucht; Personen, die politisch unterschiedlich ticken.
Auf Seiten des BGM treten nun also Sie und Melanie Mettler von den Grünliberalen fürs Stadtpräsidium an. Zufrieden mit dieser Konstellation?
Ja, absolut, sie widerspiegelt unser Bündnis sehr gut. Die Mitte sowie der rechte Flügel sind vertreten, zudem Mann und Frau.
Ist es nicht frustrierend, für eine Partei anzutreten, die bei den Wahlen keine Chance hat? Die SVP wird es niemals in den Gemeinderat schaffen – ins Stadtpräsidium sowieso nicht.
Ich wehre mich gegen die Aussage, ich hätte keine Chance. Klar, ich bin realistisch genug, um zu wissen, dass ich wohl nie Berner Stapi werde. Trotzdem darf Links-Grün das Amt nicht einfach im Schlafwagen einnehmen. Marieke Kruit wird bei Podiumsdiskussionen Alec von Graffenried wahrscheinlich kaum angreifen – ich hingegen werde klar auf seine Fehler hinweisen.
Wie gross, glauben Sie, ist die Möglichkeit, auf zwei Sitze für Ihr Bündnis in Berns Exekutive?
Rein rechnerisch müsste es reichen. Aber ja, wenn Rot-Grün-Mitte nochmals zulegt, wird es schwierig. Deshalb appelliere ich an alle, die mit der aktuellen linken Übermacht unzufrieden sind, an die Urne zu gehen, namentlich unsere Stammwählenden.
Wären Sie selbst überhaupt bereit für den Gemeinderat?
Natürlich, sonst hätte ich nicht kandidiert.
Was beschäftigt Sie politisch am meisten?
Das Hauptproblem sind die Finanzen. Der Schuldenberg ist mittlerweile auf 1,4 Milliarden Franken angewachsen. Im Stadtrat werden Geschäfte durchgewunken, bloss weil man dem eigenen Gemeinderat nicht ans Bein pinkeln will. Dazu kommt das Image-Problem, das Bern zunehmend ereilt: Unternehmen wollen sich je länger, je mehr gar nicht mehr in der Stadt ansiedeln. Weil sie sehen, wie hier mit dem Gewerbe und mit Steuergeldern umgegangen wird.
Was sind Ihre Schwächen?
(überlegt) Schwierig zu sagen. Einige halten mein Alter für einen Nachteil und sagen, ich sei für ein solches Amt noch zu jung. Andere wiederum sind, wie in Zug oder in der Waadt, in ähnlichem Alter bereits Regierungsrätin.
Manche sagen, Sie seien ein Anhängsel von Thomas Fuchs oder Erich Hess. Nervt Sie das?
Ich habe den beiden viel zu verdanken. Sie haben mir auf meinem Weg einiges beigebracht und mitgegeben. Wir verbringen auch privat Zeit miteinander. Was nicht heisst, dass wir politisch deckungsgleich sind, ich vertrete beispielsweise oft liberalere Positionen als die beiden. Ja, vielleicht ist der Vergleich hie und da etwas störend, denn ich kann durchaus unabhängig politisieren.
Sie werden in den Medien zudem als «freundlichstes Gesicht der SVP» bezeichnet.
(lacht) Für diesen Satz bin ich der «BZ» wirklich dankbar, daraus hat sich fast eine Art Werbespruch entwickelt. Ich fände es jedenfalls deutlich unangenehmer, als unfreundliches Gesicht wahrgenommen zu werden. Nur habe ich mich gar nicht speziell um dieses Image bemüht, so bin ich einfach.
Sie sind tatsächlich ein zuvorkommender Mensch. Irgendwie passen Sie nicht so richtig in diese Polteri-Partei mit ihren lauten, immer mal wieder populistischen Tönen.
Ich schaue jeweils situativ auf die Dinge. Im Stapi-Wahlkampf wäre es kaum die richtige Taktik, forsch aufzutreten. Auf nationaler Ebene finde ich diese Zuspitzung hingegen schon richtig. So sind wir als SVP gewachsen – die Leute wissen, dass wir nicht aufs Maul hocken und Themen ansprechen, die andere lieber unter den Teppich kehren.
Von rechtsextremen Gruppierungen oder Personen dürfte sich Ihre Jungpartei trotzdem distanzieren.
Ich weiss, worauf Sie ansprechen. Ein schwieriges Thema, über das eigentlich schon genug geschrieben worden ist. Persönlich finde ich solche Treffen heikel. Man wird das in Zukunft sicherlich anders handhaben. Andererseits sind Richtungsstreits in Jungparteien keine Seltenheit. Fragen Sie mal die Juso.
SP-Grossrat David Stampfli betitelte BGM als «Braun-Grün-Mitte».
Darüber kann ich nur lachen. Wenn man die SP als Kommunisten betitelt, dann toben sie. Es darf jeder sagen, was er will, doch das ist einfach schlechter Stil.
Claudio Righetti, der im Herbst auf eine erneute Kandidatur verzichtet, sagte im BärnerBär, er sei sich im Stadtrat wie «Harry Potter bei den Todessern» vorgekommen. Ist es wirklich so schlimm?
Das Parlament hat sich leider sehr zum Negativen verändert. Früher konnten wir zusammen mit der GFL noch gewisse Entscheidungen verhindern – nun sind selbst diese Zeiten passé. Man diskutiert lieber über Fleischverbote in öffentlichen Kantinen als über echte Probleme. Ja, ich komme mir häufig vor wie im falschen Film. Trotzdem bleibe ich Stadtrat, sonst wird es bloss noch schlimmer.
Was ist denn eigentlich gut an Bern?
Das ist ja das Frustrierende: Die Stadt an sich ist toll. Die Aare, die Lebensqualität, die Verkehrsanbindung … Bern punktet mit anderen Dingen als mit Politik.
Mit welcher linken Politikerin können Sie es eigentlich richtig gut?
Mit Marieke Kruit, mit ihr habe ich in der Verkehrskommission lange zusammengearbeitet. Persönlich habe ich übrigens mit niemandem aus der städtischen Politik ein Problem.
Wer wäre der bessere Stapi? Marieke Kruit oder Alec von Graffenried?
Alec ist ein Verwalter und kein Macher. Er verspricht vieles und kann nicht einmal die Hälfte davon einhalten. Er sollte auch mal bereit sein, einen Entscheid zu treffen, der Emotionen auslöst. Doch er will es allen recht machen: den Bernburgern, den Bürgerlichen, den Linken … als Stadtpräsident muss man aber entscheiden können.
Und wenn Sie sich entscheiden müssten zwischen den beiden?
Ich hoffe, dass in einem zweiten Wahlgang noch jemand von uns mitmischt. Und falls nicht, würde ich Marieke den Vorzug geben. Diese Stadt hat etwas Besseres verdient.