Melanie Mettler (GLP) will vom Nationalrat in den Gemeinderat wechseln. Nach 12 Jahren Parlamentsarbeit reizt sie die Rolle der Umsetzung. In der Präsidialdirektion könnte sie ihren Erfahrungsschatz und Schwung einbringen.
Melanie Mettler, wie fanden Sie den Weg in die Politik?
Ich war immer ein politischer Mensch, hätte mir aber als junge Frau nie zugetraut, ein Parlamentsamt auszuüben. Ich wurde 2012 von einem Freund gebeten, als Listenfüllerin für den Stadtrat zu kandidieren. Weil ich in Bern sehr gut verwurzelt bin, wurde ich prompt gewählt. Inzwischen trage ich einen prall gefüllten Rucksack an politischer Erfahrung.
Was hat Sie politisiert?
Ich wollte schon früh wissen, was Menschen zu ihrem Tun motiviert. So waren mir auch politische Themen stets sehr nahe. Als erstes bewusst politisches Erlebnis ist mir die Demo gegen die Beschaffung von F/A-18-Kampfflugzeugen im Mai 1993 auf dem Bundesplatz in Erinnerung. Es war ein Musikfestival mit populären Bands wie Sens Unik, Patent Ochsner und Polo Hofer. Ich nahm damals als 15-Jährige begeistert teil, weil ich Musik mochte und für den Frieden war. Parteipolitik konnte mich aber nie besonders überzeugen.
Warum politisieren Sie gerade in der Grünliberalen Partei GLP?
Ich konnte mich früher nie zu hundert Prozent einer Partei zuordnen. Auf meinen Wahllisten panaschierte ich immer Kandidierende verschiedener Parteien. Aber die GLP wendet meines Erachtens die richtigen Kriterien an bei der Beurteilung, wie wir uns als Gesellschaft organisieren sollen: Wir müssen ökonomisch unseren Wohlstand halten, gesunde Lebensgrundlagen und eine soziale Absicherung haben. Diese drei Bereiche sind für mich bei der GLP am besten abgedeckt.
Wie können diese GLP-Grundsätze in der Stadt Bern umgesetzt werden?
Ich stelle fest, dass nach Jahrzehnten Dominanz von Rot-Grün bei einigen dieser Grundkriterien Lücken bestehen. Wenn ich mit Gewerbetreibenden spreche, fühlen sie sich nicht auf Augenhöhe behandelt, ihre Anliegen werden zu wenig ernstgenommen. Ich spüre wenig politische Kraft, Bern als Wirtschaftsstandort in die Zukunft zu führen. Bei der Klimapolitik sind wir ziemlich unambitioniert unterwegs und wir bleiben immer wieder stecken bei der digitalen Transformation.
Sie lebten seit Geburt fast ausschliesslich in der Stadt Bern, sind also «durch und durch» Stadtbernerin. Was fasziniert Sie dermassen an unserer Stadt?
Bern ist meine Heimat. In meinen 20ern habe ich viel im Ausland gearbeitet und konnte vergleichen, wie es sich andernorts lebt. Bern hat eine unvergleichlich hohe Lebensqualität. Es ist phänomenal, wie es Bern schafft, einen sehr nachbarschaftlichen Charakter aufrechtzuerhalten, wo man sich daheim fühlt. Gleichzeitig gibt es ein Angebot wie in einer Grossstadt, gerade auch bei der Qualität des Kulturschaffens. Bern ist einfach eine unheimlich faszinierende Stadt!
Was motiviert Sie, für den Berner Gemeinderat zu kandidieren?
Ich beteilige mich als Parlamentarierin nun seit zwölf Jahren mit der Gesetzgebung, also dem Setzen von strukturellen Rahmenbedingungen. Ich möchte nun die Chance wahrnehmen, die Vorgaben auf Gesetzesebene in einem Exekutivamt umzusetzen und zu begleiten.
Werden Sie Ihr Nationalratsmandat aufgeben, falls Sie gewählt würden?
Ja, denn das Gemeinderatsmandat ist ein Vollamt. Doppelmandate sind mit den heutigen Anforderungen an diese Ämter kaum mehr zu stemmen.
Welches wäre Ihre Wunschdirektion im Gemeinderat?
Da ich bekanntlich auch für das Stadtpräsidium kandidiere, möchte ich natürlich in der Präsidialdirektion mit der Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung, Kultur, den Aussenbeziehungen und Gleichstellungsfragen meine Erfahrungen und Schwung einbringen.
SVP-Kandidat Janosch Weyermann fordert für Gemeinderatsmitglieder eine Jahreslohn-Obergrenze von 200 000 Franken. Was halten Sie davon?
Ich finde die Entschädigung in Ordnung. Schliesslich entscheidet das aber der Stadtrat oder die Bevölkerung.
Was bereitet Ihnen in der Stadt Bern am meisten Sorgen?
Es ist bedenklich, wenn sich ein zunehmender Teil der Bernerinnen und Berner nicht repräsentiert fühlt. Die politischen Mehrheitsverhältnisse, welche sich seit Jahren sowohl im Stadt- als auch im Gemeinderat durchsetzen können, sind für die Demokratiefähigkeit nicht gut. Es fehlen der Widerspruch und der Ideenwettbewerb! Es sind immerhin etwa 40 Prozent der Stimmberechtigten, die nicht Rot-Grün wählen. Wir müssen Wege finden, wie sich diese wieder repräsentiert fühlen in unserer Stadt. In der Regierung eine Meinungsvielfalt einzubringen, wäre ein Weg dazu.
Die Stadtfinanzen befinden sich in Schieflage. Der rot-grüne Stadtrat erhöhte die Ausgaben für 2025 noch um 1,8 Millionen Franken und genehmigte das Budget, das dann ein Defizit von rund 30 Millionen Franken aufweisen wird. Wie würden Sie die Finanzen wieder ins Lot bringen?
An einem Podiumsgespräch, an dem ich teilnahm, war von linker Seite zu vernehmen, die Stadt Bern sei «steinreich»! Diese Ansicht teile ich nicht. Es kommen – noch mehr als heute – grosse Aufgaben auf die Allgemeinheit zu. Wir sollten Konsum nicht mit Lebensqualität verwechseln. Staatliche Mittel sollten so investiert werden, dass der Handlungsspielraum künftiger Generationen vergrössert wird. Das kann Infrastruktur sein, der Abbau des Sanierungsstaus, Massnahmen zum Klimaschutz und -anpassung, aber auch soziale Innovation und digitale Transformation. Stattdessen haben wir einen steigenden Schuldenberg. Dennoch sehe ich leider keinen Willen, Konsumausgaben zu priorisieren. Das ist verantwortungslos.
Sie würden also eher sparen als Steuern erhöhen?
Ich sehe noch viel Potenzial, dass wir mit kluger wirtschaftlicher Entwicklung Wertschöpfung und Mehreinnahmen generieren können. Die Chancen, die Bern als Wirtschaftsmotor dieses Kantons hat, sind noch lange nicht ausgeschöpft.
Zum Beispiel?
In Bern gibts enorm viel Innovation, sowohl in der Bildung als auch in der Wirtschaft, Zugang zu internationalen Partnerschaften und viele dynamische Köpfe. In der Bundesstadt sind Gesellschaft, Wirtschaft und Politik in Gehdistanz beieinander. Das können wir nutzen, um den Wirtschaftsstandort Bern stärker vorwärtszutreiben.