Nach Jahren der Krise steht Köniz finanziell wieder auf sichereren Beinen. Nun will Gemeindepräsidentin Tanja Bauer (SP) mit einer neuen Wirtschaftsstrategie vorwärtsmachen – und ist damit der Hauptstadt weit voraus.
Tanja Bauer, wie geht es der krisengeschüttelten Gemeinde Köniz derzeit wirtschaftlich?
Wir sind finanziell zum Glück wieder stabil unterwegs, die letzten beiden Jahre haben wir die Rechnung jeweils positiv abschliessen können. Aus der kritischen Zone sind wir somit raus, dennoch gilt unser Fokus weiterhin den Finanzen. Jene Ziele, die wir als Gemeinde anstreben, sollen effizient erreicht werden. Und wir konzentrieren uns aufs Wesentliche, ohne Nebenschauplätze.
Vor kurzem konnte mit Phoenix Pharma der Zuzug eines grösseren Unternehmens bekanntgegeben werden. Kann es den Wegzug der Swisscom im Herbst 2020 kompensieren?
Wir sprechen hier von zwei komplett unterschiedlichen Firmen: Die Swisscom war ein Dienstleister im Telekombereich, die das gesamte Gebäude des Business Parks gemietet hatte. Phoenix Pharma beansprucht indes nur einen Teil der Fläche und ist ein global tätiger Konzern. Um Ihre Frage zu beantworten: Den Arbeitsplatzverlust, der durch den Swisscom-Wegzug entstand, haben wir einigermassen ausgemerzt, der Business Park ist wieder ausgelastet.
Zwischen Brühlplatz und der BLS-Haltestelle Liebefeld sollen neue Wohnungen entstehen, ebenso auf der Morillonmatte in Wabern. Herrscht in Köniz wieder Aufbruchstimmung?
Ja! Köniz ist eine sehr dynamische, spannende Gemeinde, zum Beispiel in Bezug auf das Verhältnis zwischen städtischem und ländlichem Teil. Die Stimmung in der Bevölkerung hat sich in letzter Zeit deutlich verbessert, das wird bei Gesprächen schnell klar. Auch bei der Wirtschaft ist Optimismus zurückgekehrt. Es geht wieder vorwärts.
Ihre Wirtschaftsstrategie, die Sie Anfang November verabschiedet hatten, setzt gezielt auf die Pflege ansässiger Firmen. Gerade viele gibt es ja in Köniz nicht davon.
Dieser Aussage widerspreche ich vehement. In Köniz gibt es rund 20 000 Arbeitsplätze! In jedem Sektor – Landwirtschaft, Industrie oder Dienstleistung – finden sich wichtige Player, alle von ihnen arbeiten durchaus innovativ. Nehmen wir Adval Tech in Niederwangen: Kürzlich feierte das Unternehmen, das in Niederwangen seinen Hauptsitz hat und auch dort produziert, seinen hundertsten Geburtstag. Denken Sie zudem daran, wie viele Velos in Köniz hergestellt werden. In Köniz gehen Innovation und Produktion Hand in Hand. Dazu müssen wir Sorge tragen.
In Ihrer Strategie heisst es weiter, dass man die «Beschäftigungs- und Arbeitsplatzentwicklung» langfristig positiv gestalten wolle. Was heisst das konkret?
Das Verhältnis zwischen Wohnbevölkerung und Beschäftigten soll in Zukunft zwei zu eins betragen. Bei der insgesamt hohen Wohnbautätigkeit in Köniz ist das eine Herausforderung. Sie haben vorhin die Pflege lokaler Firmen angesprochen – sie macht einen Teil unseres Konzepts aus, ja. Genauso wichtig ist hingegen die Entwicklung des Standorts Köniz: Es braucht eine gute Durchmischung von Wohnen und Arbeit. Bauen wir ein Quartier bloss mit Wohnungen, ist das gesellschaftliche Leben dort praktisch tot. Das heisst folglich, dass wir bei einer Arealentwicklung immer alles mitdenken müssen. Nur wenn ein gutes Zusammenspiel von Wohnen und Arbeiten stattfindet, sind die Ortsteile belebt. Davon profitieren sowohl die Bewohnerinnen und Bewohner wie auch das Gewerbe.
Was das Gewerbe anbetrifft: Sie haben offensichtlich aus den Fehlern von Bern gelernt, wo die rot-grüne Politik die KMU in den letzten Jahren wortwörtlich links liegen liess.
Wir sind als Gemeinde eine Ergänzung zu Bern, keine Konkurrenz. Vielleicht sind wir tatsächlich noch etwas diverser als Bern, was sich schon rein strukturell ergibt. Das Zusammenspiel mit der Hauptstadt ist wichtig, natürlich, doch wir sollten der Region und dem Kanton ebenfalls Beachtung schenken. Firmen sollen sich im Wirtschaftsraum Bern ansiedeln, man muss im Grossen denken.
In Ihrem Wirtschaftspapier ist häufig von der 15-Minuten-Gemeinde die Rede.
Wir benötigen öffentliche Räume, wo sich die Menschen gerne aufhalten. Doch ohne Verdichtung klappt das nicht. Wenn wir richtig verdichten, schaffen die Leute ihre Wege zu Fuss, was Platz für den Wirtschaftsverkehr schafft – und wir schonen gleichzeitig das Kulturland. Durch den Mix aus Arbeiten und Wohnen können Dienstleistungsangebote wie Bäckereien, Apotheken, Poststellen oder Restaurants rentabel betrieben werden. Das kommt wiederum angrenzenden Quartieren zugute. Im Idealfall kann also jemand in 15 Minuten vom Arbeitsplatz nach Hause laufen und unterwegs bei der Bäckerei noch ein Brot kaufen. Die Nahversorgung ist zudem für Firmen relevant, wenn es etwa darum geht, dass die Mitarbeitenden am Mittag ein Restaurant finden oder in einer Apotheke ein Medikament abholen können.
Am 16. Mai ist die erste Könizer Industrienacht geplant. Eine «Nacht der Wirtschaft» will auch Ihre Berner Amtskollegin Marieke Kruit lancieren. Haben Sie von ihr abgekupfert?
Nein. Auf das Konzept der Industrie-
nacht, welches bereits in Burgdorf erfolgreich angewandt wird, sind wir schon vor zwei Jahren gestossen. Es fand Anklang bei Könizer Unternehmen und den Wirtschaftsverbänden. Den Firmen ist es enorm wichtig, zu zeigen, was sie fabrizieren.
Was wollen Sie mit dem Anlass erreichen?
Grundsätzlich zwei Dinge. Erstens: Wir möchten Köniz als innovativen Standort präsentieren. Zweitens sollen die MINT-Berufe gefördert werden, die für unsere Gesellschaft äusserst relevant sind. Damit das passiert, müssen wir bereits die Jugendlichen von den Vorteilen jener Tätigkeiten überzeugen. Deshalb liegt uns das junge Publikum bei dieser Veranstaltung besonders am Herzen, vor allem am Nachmittag, wenn die Schulen zu Besuch sind.
Sie sind nun seit etwas mehr als zwei Jahren Könizer Gemeindepräsidentin. Wie wohl fühlen Sie sich?
Sehr wohl. Ich empfinde meine Arbeit als wahnsinnig bereichernd und freue mich sehr auf die nächsten Projekte. Köniz ist wie eine kleine Schweiz – ich bin beeindruckt von der grossen Vielfalt, die es bei uns gibt und dem grossen Engagement der Bevölkerung in Kultur, Sport und Wirtschaft.
Werden Sie bei den Erneuerungswahlen im Herbst erneut antreten?
Ja. In diesen ersten Jahren konnten wir mit der Stabilisierung der Finanzen, der Stiftung Schloss Köniz und der Wirtschaftsstrategie schon sehr viel erreichen. Diese Arbeit möchte ich fortführen und dabei das Beste für die Könizer Bevölkerung erreichen. Mein Ziel ist ein soziales, umweltbewusstes und innovatives Köniz, das positive Impulse über die Gemeindegrenzen hinaus setzt.
Foto: Matthias Luggen