Bei ihm gibt es Sommerfeeling zum Aufkleben: Raphael Santschi hat für die Post zwei Briefmarken mit Grill und Chill entworfen.
Was ist für Sie der Inbegriff von Sommer? Schwimmen in der Aare, Cervelats bräteln, ein Drink in der Hängematte, ein Picknick? Die Leichtigkeit solcher Sommertage hat nun der Berner Illustrator Raphael Santschi auf zwei Briefmarken-Sujets gebannt und damit einen Auftrag der Schweizerischen Post in einem Wettbewerb gewonnen. Santschi, der sonst Postkarten und Poster mit Berner Szenen und Wahrzeichen designt, gelang schon 2022 mit dem Sujet des Berner Stadtfests ein Coup. «Solch ein Auftrag stand schon lange auf meiner Bucketlist. Das fägt», sagt der Illustrator.
Lächelnd sitzt er vor seinem Studio, wie er augenzwinkernd sein Tablet nennt. Auf dieser digitalen Leinwand entstehen seine Ideen und Skizzen. Für einmal bleibt das Studio heute aber geschlossen, denn Santschi öffnet jetzt aufgeregt einen Briefumschlag, der ebenfalls auf dem Küchentisch liegt: «Die ersten Marken hat mir die Post gestern zugeschickt.» Er zieht zwei Sätze mit selbstklebenden Briefmarken heraus. Auf der B-Variante sieht man eine Figur, die grilliert, auf der A-Variante eine Person, die in einem Schwimmring auf dem Wasser treibt.
Reduziert ist Santschis Bildsprache, zugleich farbenfroh. Jede Szene sieht man aus der Vogelperspektive. «Grillieren ist gemütlich und man verbringt dabei viel Zeit. Das passt zu B-Post», findet der Illustrator. Dass man sich jetzt einen Santschi auf jeden Brief kleben kann, erscheint ihm immer noch ein wenig surreal. «Ich werde auf jeden Fall noch in eine Postfiliale gehen und zwei Bögen kaufen. Es ist einfach ein schönes Gefühl, die eigenen Sachen live im Verkauf zu sehen.» Ausserdem wird er sich den Erstausgabe-Umschlag besorgen. Stilecht entwertet die Post den mit Schwimmreifen- und Grill-Stempel.
Genaues Briefing
Der Weg zum fertigen Porto begann für ihn schon vor 12 Monaten. «Die Post fragte mich und zwei andere Mitbewerber an, ob wir eine Briefmarke zum Thema Sommer gestalten möchten», erinnert er sich an die positive Überraschung. In einer Umfrage hatte die Post schon herausgefunden, dass Grillieren und Baden bei den Leuten für das ultimative Sommerfeeling stehen. Nach einem genauen Briefing mit vielen Vorgaben machte sich Santschi also ans Werk. Auf so kleinem Raum eine erkennbare, einzigartige und detailverliebte Gestaltung hinzubekommen, kostete den Illustrator in der Skizzenphase einige Arbeitsstunden. «Die Grundidee hatte ich schnell, aber ich musste einige Finessen berücksichtigen. Ich dachte immer, Briefmarken sind voller Details. Aber alles muss auf dem kleinen Format funktionieren.» So sollte beispielsweise neben der Bratwurst auf dem Grill auch vegetarisches wie Zucchetti und Mais liegen. Sowohl bei der Person am Grill als auch im Schwimmreifen sollte nicht erkennbar sein, ob es ein Mann oder eine Frau ist.
Klischee ade. So setzte Santschi seinen Figuren lässig einen Sonnenhut auf. Zusammen mit dem kreisrunden Grill und dem Schwimmreifen bilden sie eine harmonische Gestaltungseinheit. Und die Rundungen ergeben jeweils eine liegende Acht, wie das Unendlichkeitszeichen. Santschi amüsiert dieser kleine visuelle Kniff: «Im Sommer ist es doch eine unendliche Geschichte: baden, grillieren, baden.» Was links und rechts der Briefmarken-Szenen passiert, überlässt er der Fantasie der Betrachtenden. Vielleicht eine Pool-Party oder ein Nachbarschaftsfest?
Seit 2. Mai zu kaufen
«Während des Gestaltens wurde mir auch bewusst, dass manche Details in dem kleinen Massstab zwar kaum erkennbar sind, aber dennoch ihre Wirkung entfalten.» So tüftelte er lange am Schattenwurf herum, animierte den Schwimmreifen gar dreidimensional. Die Schriftart durfte er ebenfalls aussuchen. Etliche Male reichte er die Entwürfe ein, zählt irgendwann nicht mehr die Änderungen. Duzende Farbvarianten, Linien und Kontraste hielten ihn auf Trab, sein Durchhaltewillen lohnte sich aber. «Ich hatte eine tolle Zusammenarbeit mit der Post.» Im Oktober ging der Zuschlag dann an ihn.
Seit dem 2. Mai gibt es die Marken zu kaufen, solange Vorrat. Der Illustrator, der selbst kein passionierter Briefschreiber ist, wiegt den Kopf hin und her: «Jetzt hätte ich ja mal einen Grund, etwas Handgeschriebenes zu verschicken. Sonst gebe ich ich meine Karte oft den Menschen direkt.» Auch seine Familie hat grosse Freude an den Marken.
Konsequent baut Santschi seit Jahren seine Serie von Stadtansichten aus, hat viele Aufträge von Firmen, YB verkaufte seine Karten und Poster. Sogar Socken gibt es jetzt mit seinen Güsche- und Aare-Motiven. Das von ihm gestaltete Marzili-Plakat hat viel Zuspruch gefunden. Sein nächstes Gadget für den Sommer bleibt Bern natürlich treu: Ein Jutebeutel im Aare-Design. Und darin ist sicher auch Platz für einen Schwimmreifen zum Aufblasen!