Die Digitalisierung hat in der Klangwelt der Orgelbau Wälti GmbH in Gümligen nichts verloren, wohl aber im Bereich der Spielhilfen und in der Administration. Nach wie vor geben die Orgelpfeifen als klangerzeugende Teile den Ton an.
Die Werkstatt der 1911 gegründeten Orgelbau Wälti befindet sich seit 1968 in einem eher unscheinbaren Mehrfamilienhaus in einem ruhigen Quartier am Turbenweg 14 im Berner Vorort Gümligen. Viel Holz beherrscht das Bild beim Betreten der Werkstatträume. Jérôme Hostettler, lernender Orgelbauer im vierten Ausbildungsjahr, empfängt die Besuchenden, führt sie sicher, selbstbewusst und mit kompetenten, aber für Laien verständlichen Erklärungen durch den Betrieb. «Ja, Jérôme ist für die Betriebsführungen zuständig, er ist prädestiniert dafür», sagt Firmeninhaber Thomas Wälti lachend und zieht sich vorerst zurück.
Filmmusik und Orgelspiel
Jérôme wusste schon bald, dass er nach der obligatorischen Schulzeit nicht weiter «hauptberuflich» die Schulbank drücken wollte. Ein handwerklicher Beruf musste es sein. Er schnupperte nach eigenen Aussagen «so ziemlich alles, was mir in den Sinn kam.» Aber viele Berufe waren ihm zu wenig einzigartig. Sein Vater riet ihm schliesslich, sich doch den Beruf des Orgelbauers näher anzusehen. Den «Aha-Moment» erlebte er dann während der Schnupperlehre bei Orgelbau Wälti GmbH in Gümligen. «Klick» machte es auch bei Inhaber und Berufsbildner Thomas Wälti und Jérôme erhielt die Lehrstelle. In diesem Sommer wird er das Qualifikationsverfahren (früher «Lehrabschlussprüfung») absolvieren. Nach abgeschlossener Prüfung wird er vorderhand im Lehrbetrieb weiterarbeiten. «Nach vier Jahren ist man noch nicht ein richtiger Orgelbauer, diese Reife erreicht man erst nach etwa zehn Jahren», sagt er bestimmt und ist nach wie vor von der richtigen Berufswahl überzeugt.
Jérôme, der gerne Filmmusik und Hits aus den 80ern hört, spielte schon als Kind Bambusflöte und seit dem zweiten Lehrjahr besucht er auf Anraten des Berufsbildners regelmässig Orgelunterricht. «Seither habe ich auch den Zugang zu klassischen Werken gefunden.»
In die Wiege gelegt
Firmenchef Thomas Wälti wurde buchstäblich in den Beruf hineingeboren, besuchte er doch schon im Kindergartenalter die Werkstatt und durfte sich mit Holz beschäftigen. Später verdiente er sich im Wochenplatz sein erstes Sackgeld. Der Orgelbau gehörte einfach zu seinem Alltag. Als er sich entscheiden musste, stand allerdings der Beruf des Elektrikers in Konkurrenz zum Orgelbauer, weil ihn «alles Elektrische» auch faszinierte. «Meine Eltern übten nie Druck aus», lobt er rückblickend ihr Verhalten. Er entschied sich dann doch für den Orgelbauer, aber in welchem Betrieb? «Es gab anfangs der 70er-Jahre nicht viele Orgelbauer, die ausbildeten. Auch sprachen sie damals als Konkurrenten kaum miteinander, es war also schwierig, eine Lehrstelle bei einem Mitbewerber zu erhalten», erinnert sich Thomas Wälti. Also absolvierte er seine Grundbildung im elterlichen Betrieb. Mit seinem Vater und seinem Onkel, der damals auch im Unternehmen tätig war, hatte er beruflich wenig Kontakt. Vater und Onkel beschäftigten sich mehrheitlich im Büro mit der Planung bzw. mit der musikalischen Seite. «Das war wohl auch gut so», schmunzelt Thomas Wälti. In einem langjährigen Mitarbeiter und erfahrenen Orgelbauer fand er einen grossartigen Ausbildner, dem er viel zu verdanken habe, blickt Wälti zurück.
Vor allem Orgelunterhalt
Es sei äusserst schwierig, qualifizierte Orgelbauer:innen zu finden, bedauert Thomas Wälti. Stelleninserate brächten nicht den erhofften Erfolg. Persönlicher Austausch «in der Orgelszene» und Rekrutierung im benachbarten Ausland zeitigten am ehesten Erfolg. In der einzigen Ausbildungsstätte der Schweiz, im Berufsbildungszentrum Arenenberg (TG), werden jährlich bloss zwei bis drei neue gelernte Orgelbauer:innen in den Markt «entlassen». Thomas Wälti, der als Jugendlicher Blockflöte und Klavier spielte und ab Lehrbeginn Orgelunterricht absolvierte, sieht im Spielen eines Instruments einen klaren Vorteil für den Beruf des Orgelbauers. «Wir haben bei uns immer wieder Mitarbeitende beschäftigt, die keine Noten lesen konnten und hervorragende Orgelbauer waren. In der Intonation wiesen sie aber Defizite auf.» Wälti besitzt zwar kein Konzertdiplom, aber eine solide Grundbildung und die Orgelliteratur ist ihm nicht unbekannt.
Der Unterhalt von Orgeln nimmt mit etwa 65 Prozent den Löwenanteil der Arbeit von Orgelbau Wälti in Anspruch. Zirka 25 Prozent entfallen auf den Bau neuer Orgeln und etwa zehn Prozent auf Restaurierungen. Bei einer Dorfkirche mache es beispielsweise Sinn, die Orgel jährlich zu kontrollieren und entsprechend zu reinigen. Er nennt aber aufwändige Projekte, wie eine Kirchenorgel in Winterthur, die vollständig abgebaut und in die Werkstatt in Gümligen gebracht wird, wo sie teils erneuert und erweitert und in der Kirche an einem neuen Standort wieder aufgebaut werden muss.
Nur erstklassiges Holz
Das Unternehmen in Gümligen baut neu fast ausschliesslich Kirchenorgeln, wie Thomas Wälti erzählt. «Dafür verwenden wir Fichten- und Eichenholz, und zwar nur erstklassiges», betont er. Es handle sich dabei um harte und stabile Hölzer, die sich kaum verziehen. Das Fichtenholz bezieht der Orgelbauer aus der Region Habkern. Die Orgeln werden fast ausschliesslich in der Werkstatt gefertigt und spielbar gemacht und in der Kirche noch angepasst. Für eine mittlere Orgel muss der Kunde von der Auftragsvergabe bis zur Lieferung mit etwa zwei Jahren rechnen. «Unsere Belegschaft ist nicht jeden Tag ununterbrochen am gleichen Projekt beschäftigt», erläutert Thomas Wälti.
Hat die Digitalisierung auch beim Orgelbau Einzug gehalten? Dazu Thomas Wälti: «Klanglich nicht, aber im Bereich der Spieltrakturen, den Verbindungen zwischen den Tasten und den Pfeifenventilen, sind wir schon längere Zeit digital unterwegs – nicht ausschliesslich, aber als Alternative.» Und seit mehr als 20 Jahren entstehen die Baupläne nicht mehr am Reissbrett, sondern am Computer «mit schier unzähligen Möglichkeiten», ergänzt Orgelbauer Wälti.