Musiker, Fasnächtler, Stadtführer, Beizer, Musicalstar: Der Kultberner Marcel «Cuco» Dietrich wird heute 75 Jahre alt. Das Energiebündel beschenkt sich und die Menschen mit einem tollen Bern-Buch.
Angesprochen darauf, wie man sich ein Dreivierteljahrhundert-alt so fühlt, hat das Berner Original wie immer den Schalk im Nacken: «Jetzt bin ich in der Hälfte vom Leben, oder?», zwinkert Marcel «Cuco» Dietrich. Scherz beiseite, er fühle sich wirklich gut, bestätigt er. «Gehen möchte ich noch nicht gerade heute oder morgen», sagt er mit Vorfreude auf weitere Lebensjahre. Wichtig sei die positive Einstellung. «Die guten Dinge kommen auf uns zu, wir müssen sie nur auffangen.»
Glücklich wagt er dieser Tage auch einen Blick zurück. Viele Anekdoten kommen ihm da in den Sinn: «Ich weiss noch, als 1956 die erste Rolltreppe im Loeb eingebaut wurde. Ich war ein kleiner Bub. Tagtäglich bestürmte ich meine Mutter, dass ich unbedingt damit fahren möchte.» Zusammen mit seinen Freunden verbrachte er Stunden auf der Neuheit. «Eine Sensation in Bern. Und wir Goofe zogen unsere Eltern natürlich auch ins Geschäft. Ein geschickter Zug von Loeb», lacht er heute.
Über 1000 Auftritte
Ebenso ein Auf und Ab wie auf der Rolltreppe war in manchen Jahren auch Dietrichs Leben selbst. Mit dem Musiktrio Peter, Sue & Marc war er in den 70ern ein Superstar, trat viermal mit der Band für die Schweiz am Grand Prix Eurovision de la Chanson an. «Meinem Ich von 1971 würde ich vorschwärmen, was da noch alles auf ihn zukommt und wie cool es ist, mit zwei Freunden Musik zu machen. Zwei Klampfen, drei Stimmen, that’s it. Und damit nach Dublin. Das ist Wahnsinn.» Es folgten über 1000 Auftritte und eine Million verkaufte Tonträger. Mit einem breiten Lächeln erinnert er sich an ein Konzert am Bärnfest 1976 beim Berner Münster. Der Aufstieg des Trios war steil. In der Rückschau kann Dietrich erkennen, wie aussergewöhnlich diese Erlebnisse waren. «Das wusste ich damals noch nicht. Aber ich war glücklich», erinnert sich der Musiker und fügt hinzu. «Doch auch ohne Erfolg kann man sehr glücklich sein.»
Einige Jahre nach der Auflösung von Peter, Sue & Marc folgte dann ein grosses Tief. Dietrichs Weinhandlung ging pleite, um die Schulden zu decken musste er seine Sieben-Zimmer-Villa in Köniz verkaufen. «Danach wohnte ich in einem Knechtzimmer bei einer Bauernfamilie in Köniz. Ich verliess auch meine Familie. Es war ein tiefer Sturz.» Geschäftliche Misserfolge, Arbeitslosigkeit, Depressionen, Rückenversteifung, ein Herzinfarkt 2005. Dietrich macht keinen Hehl daraus, dass es ihm damals gar nicht gut ging. «Dem Cuco von 2005 würde ich sagen: mach eifach! Und so hab ich’s einfach
gemacht.» Er engagierte sich u. a. als freiwilliger Stadtreiniger, wurde Stadtführer und 2006 Fasnachtsbeizer mit der «Zunft zur füfte Jahreszyt». Heute ist er froh, sich erholt zu haben, beschreibt sich als Maulwurf, der wieder aus der Erde aufgetaucht ist. Ab 2012 feierte er als Musicaldarsteller sogar eine zweite Musikkarriere. Und wie würde ein Musical über sein Leben heissen? Dietrich studiert lange, nippt am doppelten Espresso. «Uff, ich weiss nicht.» Dann der Geistesblitz! «Cuco, der Bernflüsterer. Das tönt doch gut, gäu?»
Die Mischung machts
Der Titel hätte sich sicher auch gut auf Dietrichs neustem Buch gemacht. Pünktlich zu seinem Geburtstag erscheint «Mein Bern. Mein Leben», in dem er 30 Orte der Unesco-Stadt Bern vorstellt und aus seiner Biografie erzählt. «Lukas Heim vom Helvetia Verlag hatte die Idee. Ich war erstmal skeptisch: Es schreibt in letzter Zeit jeder ein Buch. Ich auch noch?» Doch die Mischung aus Unesco-Altstadtbummel, persönlichen Erinnerungen und «Unterhaltungsbuch mit Cuco» überzeugte ihn dann. In Gesprächen mit Autorin Nicole Amrein reflektierte Dietrich Stationen seines Lebens, förderte auch Begebenheiten zu Tage, an die er Jahrzehnte nicht gedacht hatte. «Wir haben stundenlang geschnurret, sind im Keller gewesen und durch die Stadt gewandert. Nicole hat es genial aufgeschrieben und ich habe gegengelesen. Eine tolle Zusammenarbeit.» Viele der Gespräche fanden auch im legendären Café des Pyrénées, kurz Pyri, statt. Im Vorbeigehen begrüsst Dietrich hier gefühlt jeden, man kennt und schätzt sich.
Anlässlich seines Jubiläums kann das Stadtoriginal auch die Veränderungen einschätzen. Der anfangs noch so kritisierte Meret-Oppenheim-Brunnen ist ihm heute ans Herz gewachsen. «Erst mit der Zeit merkte man, was sie dort geschaffen hat: Einen Brunnen, der nie gleich aussieht. Item: 1983 sprudelte das Wasser noch nicht so recht. Also haben die Fasnächtler in einer Nacht- und Nebelaktion einen Bären auf die Spitze gehievt, der brunzet. Damit wenigstens etwas läuft.»
Was hat sich bei den Bernerinnen und Bernern verändert? Dietrich findet viel Positives, aber bemängelt auch: «Wir haben ein wenig das Herzblut verloren. Früher hat man sich rein aus Freude an der Sache in Vereinen engagiert, nicht fürs Geld. Diese Veränderung tut mir weh.»
Inzwischen hat er seine Weisheiten auch in kurzen Prosa-Gedichten niedergeschrieben: «Meine Alltagsphilosophie. Es geht ums Alter, die Liebe, Gott, den Tod.» Im Buch haben sie natürlich einen Platz gefunden. Am 3. Oktober ist Vernissage. Dazu kommen auch Stadtpräsident und Vorwortschreiber Alec von Graffenried und Dietrichs «Freund fürs Leben» Peter Reber, der das Schlusswort verfasst hat. «Und mein Sohn Bruno gestaltete eine Doppelseite», freut sich das Geburtstagskind besonders. Dazu gibt es einen Song für den «Papi». Neben dieser grossen Geburtstagssause wird Dietrich seinen Ehrentag aber auch leise und romantisch geniessen. Mit seiner Frau Beatrice. «Wir werden schön essen gehen.»