Nach 32 Jahren als Ausstellungsmacher ist Ende 2024 Schluss: Kurt Stadelmann geht in Pension. Zurzeit läuft die von ihm kuratierte Ausstellung «NICHTS». Dass nichts etwas ist, verrät er im Gespräch mit dem BärnerBär.
Seit dem 10. November 2023 läuft die von Ihnen kuratierte Ausstellung NICHTS. Wie sind die bisherigen Reaktionen?
Noch nie in meiner langen Karriere erhielten wir so überdurchschnittlich viele und positive Reaktionen. Wir wollten mit Nichts eine positive Irritation auslösen. Wenn die Menschen ins Museum kommen, sind sie überrascht, dass man mit soviel Nichts etwas hervorbringen kann! Die Ausstellung vermittelt Alltägliches, es gibt eine Vielzahl von Aha-Momenten.
Wie kamen Sie auf die Idee, nichts auszustellen?
Die Idee kam mir vor mehr als zehn Jahren. Ein Berufskollege realisierte damals im Oberaargau eine Ausstellung in einem leeren Raum und erklärte anlässlich einer Führung eine fiktive Druckmaschine. Er machte also im Nichts eine Führung durch das Nichts und regte so die Vorstellungskraft der Besuchenden an. Das beeindruckte mich stark und ich schlug in unserem Museum eine Ausstellung mit nichts vor, stiess aber damit auf ängstliche Ablehnung. 2018 kuratierte ich dann die Ausstellungen «Sounds of Silence» mit Fokus aufs Gehör und 2020 «SUPER – die zweite Schöpfung» mit Live-Schauspielenden. Diese beiden Ausstellungen gaben der Theaterpädagogin und Regisseurin Sibylle Heiniger und mir erneut den Kick zu «Nichts». Zuerst mussten wir im Team aber herausfinden, was Nichts ist: Nichts ist etwas und weil es etwas ist, ist es so einfach. Es ist nichts einfacher als nichts! Dann wusste ich, wie ich Nichts umsetzen wollte: Reduktion auf wenig und mit Schauspielenden auf Videos, welche Alltagssituationen szenisch umsetzen. Weiter habe ich sehr rasch und einfach 70 Alltagsobjekte gefunden, die ich in alten Weinkisten, welche zu Vitrinen umfunktioniert wurden, präsentiere. Die Objekte sind letztlich unwichtig und wertlos, aber die Legende dazu ist zentral.
Welche Botschaft wollen Sie mit dieser Ausstellung vermitteln?
Ich hatte immer Schwierigkeiten, wenn es um Botschaften ging. Eigentlich will ich ja nichts vermitteln. Ich möchte den Besuchenden Spass bereiten. Es geht bei Nichts um den Alltag. Die Leute sollen sich bewusst werden, mit wieviel Nichts sie im Alltag konfrontiert werden. Man lebt mit dem Nichts, man weiss nichts, man will nichts wissen, es macht einem nichts aus, man sieht nichts. Es macht erst etwas, wenn man beginnt zu denken. Ein gutes Beispiel: Ein Loch existiert nicht, wenn es darum herum nichts gibt.
Es ist Ihre letzte Ausstellung. Ende 2024 gehen Sie in Pension. Wie manche Ausstellung haben Sie kuratiert?
Es dürften über 20 Ausstellungen sein, die unter meiner Verantwortung entstanden sind.
Welches war Ihre erste Ausstellung?
Das war die Computer-Oldtimer-Show, wo wir Grossrechner ausstellten. Ich gestaltete damals sogar das Ausstellungsplakat selber!
Welche Ausstellung bezeichnen Sie als Ihre erfolgreichste und persönlich liebste?
Die aktuelle Ausstellung «Nichts» ist der Hammer! Es ist für mich eine der spannendsten Ausstellungen, weil sie auf «Sounds of Silence» aufbaut. Damals handelte es sich um einen Wurf, den ich in meiner Museumslaufbahn nie erlebt habe. Es stimmte einfach alles: Inhalt, Form, Vermittlung. Die Leute waren geflasht nach dem Besuch. Es gab für mich persönlich weitere liebgewonnene Ausstellungen wie «Goodbye & Hello: Im Dialog mit dem Jenseits» im 2008, die mir viele Begegnungen und teils schräge Diskussionen bescherte. Aber auch an «Dialog mit der Zeit. Wie lebe ich, wenn ich alt bin?» erinnere ich mich gerne. Ich habe noch heute Kontakt mit den damaligen Ausstellungsführer:innen, die mindestens 70 Jahre alt sein mussten und die wir eigens für diese Ausstellung rekrutierten und ausbildeten.
Gab es auch Flops?
Nein! Ich musste kein Projekt in den Sand setzen. Ich riskierte immer sehr viel in Bezug auf die technische Umsetzung. Darauf basiert wohl nicht zuletzt der Erfolg unseres Museums. Schwierig gestaltete sich die Ausstellung «Wo bisch? Handy macht mobil» im 2010. Wir machten es möglich, dass die Besuchenden mit ihrem eigenen Handy durch die Ausstellung streifen und dieses als Audio-Guide benutzen konnten – eine Weltneuheit. Wenn das nicht geklappt hätte, wäre es ein Flop gewesen…
Seit der Neuausrichtung des Museums vor bald 30 Jahren sind den Themen praktisch keine Grenzen gesetzt. Kommunikation findet immer und überall statt. Wo holten Sie sich jeweils Ihre Ideen?
Bis 1996 war das PTT-Museum ein Firmenmuseum. Die Öffnung, die wir 1996 unter anderem durch die Namensänderung in «Museum für Kommunikation» in die Wege leiteten, bedeutete für uns, Themen zu finden, welche die Menschen ansprechen. Wir waren offen für alle Bereiche, kommuniziert wird immer mit allem auf verbale oder nonverbale Art. Ich habe mich 30 Jahre nie gelangweilt und habe noch Ideen wie Sand am Meer! Man muss zuhören und beobachten können und mit dem richtigen Team die Ideen umsetzen.
Gab es auch Projekte, die Sie nicht realsieren konnten?
Ja, in der Ausstellung «OhYeah! Popmusik in der Schweiz» 2014 hatten wir 50 sogenannte Best of Swiss Pop und beabsichtigten, davon CD’s zu verkaufen. Aber die Suche von SUISA nach den Urheberrechten gestaltete sich als zu kompliziert und aufwändig, so dass wir leider darauf verzichten mussten.
2016 kuratierten Sie die Ausstellung «Dialog mit der Zeit. Wie lebe ich, wenn ich alt bin?» Womit verbringen Sie selber die Zeit nach der Pensionierung?
Ich habe von den damals eingesetzten Senior:innen gelernt, dass ich die schönste Zeit des Lebens noch vor mir haben werde. Auf einem A4-Blatt mit dem Titel «Tätigkeiten eines Rentners» habe ich mögliche Aktivitäten notiert: Treffen und Austausch mit spannenden Menschen, Beteiligung an Projekten, Pflege meines Wein-Hobbys, lesen und schreiben – alles scheinbar nichtsnutzige Tätigkeiten, die mir aber viel bedeuten.
Angst vor dem berüchtigten Loch haben Sie also nicht?
Nicht Angst, aber grossen Respekt. (Lacht) Nach 30 Jahren «Ramba Zamba» wirds wohl schon etwas ruhiger. Das möchte ich dann in meinem Chalet im Wallis etwas geniessen.