Die Berner Keramikerin Adriana Kellenberger Nestić übt nicht einfach einen Job aus – die Kunsthandwerkerin lebt und liebt ihren Beruf mit Hingabe. Das spiegelt sich in ihren Kreationen wider und auch im Gespräch mit dem BärnerBär.
Adriana Kellenberger Nestić empfängt uns in ihrem stimmigen Kellerladen an der Kramgasse 75. Vorsicht ist beim Betreten geboten, damit buchstäblich kein Porzellan zerschlagen wird. Zurzeit ist sie mit der Herstellung von Teekannen beschäftigt, «der Königsdisziplin in der Keramik», wie sie lachend hinzufügt. Warum Königsdisziplin?, will der Laie wissen. Das sei in der Komplexität der Teekanne begründet, antwortet die Fachfrau. «Eine Teekanne besteht aus mehreren Teilen: Körper, Ausguss, Henkel und Deckel. Am Schluss soll eine ästhetische, harmonische und funktionstüchtige Kanne entstehen.» Auf die Funktionalität legt Adriana Kellenberger grossen Wert, denn sie stellt ausschliesslich Gebrauchsgegenstände für den Alltag her. «Was nicht funktioniert, nervt!», sagt sie dezidiert. Die Teekannen würden sie noch längere Zeit beschäftigen und ob eine erste Serie rechtzeitig vor Weihnachten fertig werde, wisse sie zurzeit noch nicht. Sie bezeichnet sich selbst als sehr sorgfältig arbeitende Person, die viel Zeit benötigt und sich nicht so rasch zufriedengibt.
Faszinierendes Material Ton
Für Adriana Kellenberger war schon in ihrer frühen Kindheit klar, dass sie dereinst einen gestalterischen Beruf wählen würde. «Ich habe immer gerne und viel gezeichnet», erinnert sie sich. «Auch spielten wir als Kinder mit regennassen Erdhäufchen, die wir zu Masken formten.» Im gestalterischen Vorkurs an der Schule für Gestaltung begegnete sie erneut dem Material Ton, welcher sie an die Kindheit erinnerte und begeisterte. «Wir arbeiten mit allen vier Elementen: Das Wasser macht Ton plastisch, die Luft trocknet ihn und das Feuer transformiert ihn in die Beständigkeit», schwärmt sie. Der Ton – egal ob Porzellan oder eine andere Drehtonmasse – sei das einzige Material, das die Formgebung des Drehens zulasse. «Dabei werden Formen mit den Händen erfahren und auf diese Weise entwickelt», so Adriana Kellenberger weiter. «Man könnte es die Intelligenz der Hände nennen!»
Wo liegt das Alleinstellungsmerkmal ihrer Produkte? Adriana Kellenberger denkt nach: «Mein Porzellan ist zeitlos, hält ewig und macht ebenso lange glücklich!» Sie ist sich aber bewusst, dass es nicht Dinge sind, die man unbedingt benötigt. Gerade in der zurzeit herrschenden Krisenstimmung verhalte sich die Kundschaft preissensitiver.
Hand- und Lippenschmeichler
Jedem Entwurf ihrer Produkte liegt eine Geschichte zugrunde. Was Adriana Kellenberger damit meint, illustriert sie gleich an einem praktischen Beispiel. Sie nimmt eine Bowl zur Hand, fährt sanft darüber, erklärt: «Wir bereiten uns früh morgens, noch nicht ganz wach, ein warmes Getränk zu, nehmen die henkellose Tasse mit dem abgerundeten Rand behutsam in beide Hände, führen sie an die Lippen. Sie fühlt sich angenehm an, weckt uns sanft und führt uns in den Tag. Es ist ein Hand- und Lippenschmeichler und macht den Morgenkaffee oder -tee zum sinnlichen Erlebnis.» Eine Tasse und ihre Geschichte.
Beeinflusst die Digitalisierung auch den Berufsalltag von Adriana Kellenberger, Stichwort 3D-Drucker? Sie verneint: «Ich benütze den Computer nur für die Administration und für die Bildbearbeitung.» Formen würden an der Drehscheibe von innen heraus begriffen und gefunden und nicht von aussen konstruiert, wie etwa in einem CAD-Programm (computer-aided design). «Das gedrehte Original folgt immer einer inneren Logik und Statik. Bei der Entwicklung einer neuen Form drehe ich nach einer Skizze oder auch nur nach einer inneren Vorstellung drauflos und wenn ich den Gegenstand reproduzieren will, muss ich erst mal herausfinden, wie ich ihn gemacht hatte!», so Adriana Kellenberger weiter. «Es kann sogar mehrere Tage dauern, bis ich eine Form wieder reproduzieren kann.»
Weiterbildung in Asien
Zurzeit bestehe ein Trend bei den Menschen, selber etwas herzustellen. Entsprechend gut besucht seien denn auch ihre Workshops, sagt Adriana Kellenberger. Sie sieht den Grund in der zunehmenden Digitalisierung: «Die Leute möchten wieder physisch mit ihren Händen etwas machen und erleben.» Berufsinteressentinnen und -interessenten empfiehlt die erfahrene Keramikerin, sich der anspruchsvollen Berufsrealität bewusst zu sein. «Man muss den Beruf wirklich wollen und eine grosse Liebe zur Arbeit entwickeln.» Welchen Wunsch möchte sich Kellenberger beruflich noch erfüllen? Ihre Antwort lässt nicht lange auf sich warten: «Aufgrund meiner Formsprache werde ich oft gefragt, ob ich in Japan studiert hätte. Wenn meine Kinder ‹flügge› werden und mich nicht mehr so stark benötigen, möchte ich mich länger in Asien aufhalten und weiterbilden. Auch möchte ich mich skulpturalen Arbeiten zuwenden – es warten noch so viele Ideen auf ihre Realisierung!» Fazit: Der Beruf ist kreativ und der Ideenreichtum schier grenzenlos.