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Mattelift: Nach zwölf Jahren ist Schluss mit «liftele»

Über 100 000 Mal ist Thomas Streit als Kondukteur mit dem Mattelift rauf und runter gefahren. Jetzt geht der 75-Jährige in seine «zweite Pension» und hat sein Kässeli seinem Nachfolger Bernard Loosli übergeben.

«Der Job als Liftboy beim Mattelift hat mich vor zwölf Jahren aus einem tiefen Loch geholt», erinnert sich Thomas Streit bei einer Tasse Kaffee auf der Münsterpattform. Damals habe er völlig unerwartet seine Stelle als Produktionsleiter bei einer Druckerei verloren. «Ich habe sozusagen in der Firma gewohnt und mein ganzes Leben danach ausgerichtet. Der Verlust der Arbeitsstelle war für mich kaum zu verkraften und ich habe nicht gewusst, was ich machen soll.» In dieser dunklen Zeit sei einem seiner Freunde vom Betriebsleiter des Mattelifts, Thomas Zimmermann, die Stelle als Kondukteur angeboten worden. «Mein Freund hat abgewunken und dafür mich empfohlen.»

Kein simples Transportmittel
Aus der Empfehlung wurde eine Anstellung, die er zwölf Jahre lang mit Begeisterung und grossem Engagement ausübte. «Der Lift ist ja nicht nur ein simples Transportmittel, sondern auch eine Art soziale Institution», hält Streit fest.

Weniger sozial denkend zeigte sich die seinerzeitige Oberschicht Berns. Der Wunsch der «minderprivilegierten» Mätteler nach einem Lift stiess vor 130 Jahren bei den reichen und besser gestellten Bernern auf grossen Widerstand. In der Presse war von einer «Verschandelung der Münsterplattform» zu lesen. «Nur, das war ja nicht der wahre Grund», weiss Streit, «die da oben wollten die von unten schlicht und einfach nicht in der Stadt haben.» Diese Zeiten seien zum Glück längst vorbei.

Als Liftboy komme er ins Gespräch mit den Kunden und Kundinnen. «Ich hatte oft den Eindruck, dass ich für viele, vor allem ältere Alleinstehende, der einzige Gesprächspartner war.» Besonders in der Corona-Zeit – da durften die Kondukteure nicht mehr mitfahren – habe er beim Kassenhäuschen an der Talstation ausgiebig «chönne gsprächle».

Streit hat seitdem, wie viele seiner Kollegen, die Arbeit beim Kassenhäuschen dem Mitfahren im Lift vorgezogen. Mit den vielen unterschiedlichen Zahlungsmitteln heutzutage sei zudem während der Fahrt einfach zu wenig Zeit zum Plaudern.

Thomas Streit hat in seiner Lift-Karriere auch Kurioses erlebt. Er erzählt schmunzelnd von einer Begegnung mit einem Karatekämpfer: «Der Sportler hat gefragt, ob ich für ein Wettrennen zu haben wäre. Ich mit dem Lift und er die Treppe hoch.» Der Liftboy verlor das Rennen, denn sein Herausforderer erwartete ihn vor Ablauf der 31 Sekunden Fahrzeit des Liftes bereits am Ziel. «Als sich oben die Tür öffnete, hat er schon fröhlich gewunken.»

Unter seinen Kunden hat er auch bekannte Gesichter ausmachen können: «Wenn im Bundeshaus Session ist, fahren viele Parlamentarier zum Mittagessen in die Matte.» Konnte er da jeweils ein wenig Schweizer Politik mitgestalten? «Nein», muss Streit lachen, «die haben nie viel geredet.» Viel mehr sei dafür jeweils los, wenn abenteuerlustige Foxtrailer unterwegs sind. Ein Highlight seiner Karriere war das Festival Buskers. Der Lift wurde zur Bühne und die zu Herzen gehende Begeisterung der Kundschaft zählt er zu seinen schönsten Erinnerungen.

Alterslimite erreicht
Mitte Juni hat Thomas Streit die bei der Matte-Lift AG geltende Alters­limite von 75 Jahren erreicht und nach über 100 000 Fahrten seine letzte Fahrt als Kondukteuer absolviert. «Meinen letzten Tag habe ich sehr genossen und die herzliche Verabschiedung seitens der Firma, der Kollegen und treuen Kunden hat mich sehr berührt.»

Dem rüstigen 75-Jährigen wird trotz Pensionierung nicht langweilig werden. Er engagiert sich künftig noch intensiver im «Verein 60Plus Oberfeld» in Ostermundigen, seinem Wohnort. Die Organisation von Aktivitäten für die Bewohner und Bewohnerinnen ist ihm eine Herzensangelegenheit und seine helfenden Hände sind stets willlkommen.

Aber auch beim Mattelift wird man ihn sicher hin und wieder antreffen können. Die ihm ans Herz gewachsenen Arbeitskollegen und Mätteler dürfen sich auch in Zukunft auf spannende Gespräche mit dem empathischen «Liftboy im Ruhestand» freuen.

Daniel Zaugg

PERSÖNLICH

Thomas Streit, Jahrgang 1948, wurde in Bern geboren und lebt in Ostermundigen. Der gelernte Buch- und Offsetdrucker war zuletzt Produktionsleiter bei einer Druckerei. Er ist verheiratet und Vater zweier Söhne (45 und 48).

DER MATTELIFT

Neue Antriebsmaschine für den Mattelift
Aktuell ist die Sanierung der Stützmauer der Münsterplattform in vollem Gange. Der Verwaltungsrat der Matte-Plattform AG hat bereits im Vorjahr entschieden, mit der Sanierung der Münsterplattform bereits geplante Unterhaltsarbeiten am Liftturm um vier Jahre vorzuziehen. Die Stahlkonstruktion des Lifts wird gereinigt und an einigen Stellen erneuert, zudem erhält der Aufzug eine neue Antriebsmaschine und an exponierten Stellen der Liftanlage wird ein Taubenschutz angebracht. Die Arbeiten an der Liftanlage werden während den Schulferien im Sommer (10.7.  –  11.8.2023) durchgeführt, weshalb der Lift während dieser Zeit nicht in Betrieb sein wird. Für die Bevölkerung steht während dieser Zeit ein Ersatzbus bereit, welcher die Fahrgäste während den ordentlichen Betriebszeiten zwischen der Talstation des Mattelifts und der Talstation der Marzilibahn hin- und herfährt.

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