Es gibt Immobilien, die sind mehr als nur vier Wände und ein Dach. Sie sind gelebte Geschichte, ein Lebenswerk – und manchmal auch ein Herzensprojekt. Und für ein solches wird eine passende Familie gesucht. Nicht das höchste Gebot soll entscheiden, sondern ob die Menschen zum Haus passen.
«Bist du sicher, dass wir da noch richtig sind?», frage ich den Fotografen, da das Navigationssystem auf meinem Handy unsere Position nicht mehr findet. Irgendwie sieht der Hof hier nicht so aus, wie das Haus, welches wir suchen. Der Bauer, der soeben aus dem Stall tritt, lacht fröhlich, als wir ihn nach Herrn und Frau Vogt fragen. «Uh, da seid ihr schon zu weit gefahren – Vogts leben etwas weiter unten, nach gut einem Kilometer links und dann alles dem Strässchen entlang bis zu dessen Ende», erklärt er uns. Man kennt sich hier, obwohl der nächste Nachbar ziemlich weit entfernt lebt.
Am Ende der Strasse
Und tatsächlich, am Ende der kleinen, privaten Sackgasse empfängt es uns, das rund 400 Jahre alte ehemalige Taglöhnerhaus. Beim Aussteigen hören wir – nichts. Die Ruhe ist wohltuend, besonders wenn man aus der Stadt kommt. Kein Verkehrslärm, keine Hektik, nur Natur pur. Hier, an dieser sonnigen Südlage, scheint die Welt noch in Ordnung zu sein.
Die seitliche Fassade wartet mit viel Glas und einer modernen Haustür auf, aus welcher beim Öffnen ein kleiner herziger Cavalier King Charles-Spaniel auf uns zuspringt und uns freudig begrüsst. Henry und Ruth Vogt lassen uns in ihr Bijou eintreten. Sie haben uns geschrieben, weil die anonymen Online-Verkaufsplattformen einfach nicht zu ihnen passen würden und sie sich von einem Artikel im BärnerBär erhoffen, eine passende Familie für ihr kleines Paradies zu finden.
Von der Ruine zum Traumhaus
Aber, alles schön der Reihe nach. Wir staunen, als wir nach dem Glasvorbau die alten Holzwände der angrenzenden Wohn- und Essräume betreten. Eine gelungene und spezielle Architektur, die Rücksicht auf die alten Räume und Balken nimmt und dennoch eine moderne, helle und komfortable Atmosphäre schafft.
Bis dieser Ort aber so aussah, wie er das heute tut, brauchte es unzählige Arbeitsstunden und hohe Investitionen. Denn als Henry Vogt das im Jahr 2000 zum Verkauf stehende Objekt erstmals besichtigte, war es kaum mehr als eine baufällige Ruine. «Aber die Energie, die ich hier spürte, war absolut einzigartig», erinnert sich der ehemalige Buchhalter noch gut. «Es ist ein ganz besonderer Ort, dessen Magie mich sofort in den Bann zog. Und ich hatte das ganz starke Gefühl, dass ich hier schon einmal gewesen war.»
Aussergewöhnliche Energie
Jetzt galt es nur noch, seine Frau Ruth zu überzeugen. Und diese war alles andere als begeistert: «Als ich zum ersten Mal hierher kam – und Sie müssen sich vorstellen, es gab nicht mal eine Strasse hierhin! Wir kamen also zu Fuss hier den Hügel hinab und ich sagte zu Henry: ‹Niemals, vergiss es!› » Henry zeigt uns in einem Fotoalbum Bilder aus den Anfängen und wir verstehen, warum sich Ruth Vogt anfänglich gegen den Kauf sträubte. Das Haus war in einem absolut desolaten Zustand. «Aber dann spürte auch ich, dass die Energie hier effektiv eine aussergewöhnliche ist und je länger ich hier stand, desto stärker wurde mein Wunsch, hier zu bleiben», erzählt sie und ihre Augen strahlen.
Mit zwei jungen Architekten an der Seite begannen sie, Schritt für Schritt aus dem halb verfallenen Taglöhnerhaus ein kleines Paradies zu schaffen. Das ehemalige Tenn wurde mit viel Glas, Eisenelementen und einer modernen, offenen Küche ausgebaut und verbindet sich nun auf spielerische Art und Weise mit dem jahrhundertealten Holz des ursprünglichen Wohnhauses. Eine Treppe führt hinauf in die Schlafräume, 247 Quadratmeter Wohnfläche entstand auf diese Weise. «Es gab im Haus weder Wasser, Strom noch eine Heizung und auch keine Toilette», sagt Henry Vogt lachend. «Und zuallererst mussten wir mal eine Strasse bauen, damit man das Haus überhaupt erreichen konnte!» Man kann nur erahnen, wie aufwändig die Arbeiten gewesen sein mussten. Aber die Mischung aus Tradition und Komfort ist wahrlich gelungen.
Ruhe und Natur
Auch den Garten haben die beiden liebevoll gestaltet – er verfügt nun über Gemüsebeete und besitzt auch eine eigene Wasserquelle, die in einem kleinen Bächlein friedlich plätschernd neben dem hinteren Sitzplatz verläuft. Wer die Natur mag und die Ruhe schätzt, findet hier definitiv sein Paradies. «Wir waren ja beide noch berufstätig, als wir hier einzogen», erzählt Henry. Seine Arbeit führte ihn jeweils nach Bern, Ruth besass eine Geschenkboutique in Lyss. «Das Schönste war immer, wenn man am Feierabend aus der lärmigen Stadt kommend hier ausstieg und von dieser wunderbaren Stille und dem Frieden empfangen wurde», sagt sie mit einem schwärmerischen Lächeln.
Einmal um die Welt
Doch nach bald 25 Jahren sei es nun an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen. «Wir möchten noch einmal um die Welt reisen», erklärt Henry ihre Pläne. Mit 78, respektive 80 Jahren müsse man mit der verbleibenden Zeit gut haushalten. Und solange es gesundheitlich und politisch noch möglich sei, möchten sie beide noch ein paar andere Länder erkunden. Ausserdem merkten sie, dass sich mit zunehmendem Alter der Unterhalt von Haus und Garten allmählich etwas schwieriger gestalte. «Ich bin auch nicht mehr so gut zu Fuss, und da man hier aufs Auto angewiesen ist, ist das für unsere Zukunft auch nicht so optimal», sagt Ruth nachdenklich.
Eine junge Familie
«Natürlich fällt es uns schwer, unser geliebtes Daheim zu verlassen. Aber wenn wir damit eine junge Familie – das kann auch eine nicht klassische Familienkonstellation sein – glücklich machen könnten, dann gingen wir leichteren Herzens», ist sich Henry Vogt sicher. «Es geht uns nicht darum, das Maximum herauszuholen. Wir haben rund 1,4 Millionen Franken in dieses Heim investiert, so viel möchten wir aber gar nicht zurück. Es sollte uns einfach für unsere Reise und ein weiterhin angenehmes Leben reichen. Viel wichtiger ist für uns, dass dieses Haus auch in Zukunft mit Leben gefüllt ist, mit Lachen, mit Kinderstimmen, mit Menschen, die diesen Ort genauso lieben wie wir es tun», betonen sie. Sie seien sich aber bewusst, dass Wohneigentum für junge Familien heutzutage kaum mehr erschwinglich sei. Deshalb – und weil sie selbst keine Nachkommen hätten – hätten sie sich überlegt, dass sie nicht nur zu einem fairen Preis verkaufen wollten, sondern auch bereit seien, finanziell zu unterstützen. «Denkbar wäre eine Übernahme von Sicherheiten oder eine nachrangige Hypothek», führt Henry Vogt weiter aus.
Chicca möchte hier bleiben
Etwas allerdings trübt die Vorfreude auf ihre kommenden Reiseabenteuer: Hundedame Chicca, die zwar noch fit, aber dennoch schon 12 Jahre alt ist. «Eine solche Reise könnten wir unserem geliebten Tier nicht mehr zumuten, sie ist das nicht gewohnt. Zudem ist sie hier wohl, kennt die Umgebung, geht auch oft allein auf Entdeckungstour, und wir sind sicher, dass es ihr am besten gehen würde, wenn sie in der gewohnten Umgebung bleiben könnte», sind Vogts überzeugt. Deshalb wäre von grossem Vorteil, wenn die neue Familie der Hündin weiterhin ein liebevolles Daheim garantieren würde. «Das ist uns ein grosses Anliegen. Sie ist ein ganz lieber und unkomplizierter Hund. Aber wer die Natur liebt, liebt ja meistens auch Tiere», ist sich Ruth Vogt sicher. «Hier ist nämlich ein idealer Platz auch noch für weitere Kleintiere.»
Wer fühlt sich angesprochen?
Soeben lichten sich die Wolken draussen und ein paar scheue Sonnenstrahlen beleuchten das liebevoll dekorierte Haus. Wir bewundern die Fernsicht. «Die Süd-Lage garantiert den ganzen Tag über Sonne. Mit unseren drei Sitzplätzen hat man immer die Wahl zwischen Sonne und Schatten. Da, am gegenüberliegenden Hang, kann man übrigens im Winter Skifahren und dort unten, ganz vorne bei der Strassengabelung, hält der Schulbus», erklärt uns Ruth Vogt. Der rund zehn Kilometer von Sumiswald entfernte Ort ist zwar aus städtischer Sicht abgelegen und ländlich, weist aber gerade deshalb auch viele Vorteile auf. Wer also genau so etwas für sich und seine Familie – in welcher Form diese auch immer zusammengestellt ist – sucht, wird hier mit einem absolut einzigartigen Haus, mit einem Stück gelebter Geschichte und einer zauberhaften Umgebung belohnt.
«Wir leben nach dem Glücksprinzip und sind überzeugt, dass Glück sich verdoppelt, wenn man es teilt», sagen die beiden und freuen sich auf Herzensmenschen, die genauso denken.