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Eine Frau zu ihrem Traumberuf: Carosseriespenglerin

«Ich sehe am Abend, was ich tagsüber geleistet habe»

Carrosseriespenglerin Valerie Schwab macht alles gern, was es bei ihrer täglichen Arbeit zu tun gibt. Fotos: Daniel Zaugg

Valerie Schwab liebt Autos schon von Kindesbeinen an. Nach einer Erstausbildung als Fachfrau Betreuung, Fachrichtung Kinder, war sie nicht glücklich. Das Glück fand sie als Carrosseriespenglerin. Der BärnerBär hat mit ihr in der Carrosserie G&G AG in Niederwangen gesprochen.

Wir treffen die 30-jährige Valerie Schwab in der hellen Werkstatt. Sie montiert gerade eine neu gespritzte Vordertüre eines BMWs. Es handelt sich dabei um ein Occasionsfahrzeug, welches kleine Dellen und Lackschäden aufwies, verursacht wohl von einem Parknachbarn des Besitzers, wie Valerie schildert. Die vordere Türverkleidung musste entfernt werden, weil sich der Stecker des Aussenspiegels halbhoch in der Verkleidung befindet. Auch die Türgriffe und die Spiegel mussten weg, bevor alles der Lackiererei übergeben werden konnte.

In einem Männerberuf
Valerie Schwab entschied sich für einen Beruf, der bisher fast ausschliesslich von Männern gewählt wurde. Sie fand ihren Traumberuf auf Umwegen: Von der Ausbildung zur Carrosserielackiererin wurde ihr im Elternhaus wegen schädlicher Dämpfe eher abgeraten. Sie absolvierte schliesslich die dreijährige Lehre als Fachfrau Betreuung, Fachrichtung Kinder – mehrheitlich ein Frauenberuf. Diese Grundbildung schloss sie auch erfolgreich ab. «Aber glücklich war ich nicht», blickt sie heute zurück. Die Liebe zu Autos war stärker. So schnupperte sie in einer Carrosserie und kam bald zur Erkenntnis: Carrosseriespenglerin musste es sein! In einem Betrieb in Langenthal nahm sie die vierjährige Grundbildung in Angriff, bestand das Qualifikationsverfahren im Sommer 2023 mit Erfolg und arbeitet nun seit einigen Monaten als «Carrosseriespenglerin EFZ» in der Carrosserie G & G in Niederwangen.

In ihrer Klasse der Carrosseriespengler in der Berufsfachschule war sie die einzige Frau. Im Umkehrsinn war sie sozusagen «das Huhn im Korb», was sie aber keineswegs störte. Sowohl in der Schule als auch im Betrieb fühlte sie sich von ihren männlichen Berufskollegen «gut aufgenommen und akzeptiert», wie sie sagt. Einzig wenn besonders viel Kraft erforderlich sei, wenn zum Beispiel die Frontscheibe eines Kleintransporters demontiert bzw. montiert werden müsse, sei sie manchmal auf die Hilfe ihrer (grös­seren) Kollegen angewiesen, wie sie schmunzelnd erzählt. Valerie Schwab schätzt es besonders, defekte Autoteile reparieren zu dürfen, damit diese nach Abschluss ihrer Arbeit wieder wie neu aussehen. «Ich sehe am Ende des Tages, was ich gemacht habe. Ich bin stolz, diesen Beruf ausüben zu können.» Dabei ist es ihr egal, wenn sie schmutzige Hände kriegt, das gehöre dazu «und man kann sie wieder reinigen», fügt sie lachend hinzu. Damit auch die Hände wieder wie neu aussehen.

Die Nase vorn bei Berufsmeisterschaften
Es gebe bei ihrer täglichen Arbeit nichts, was sie nicht gerne verrichte, sagt Valerie Schwab. Beim Ausbeulen sieht sie aber beispielsweise noch Handlungsbedarf, hier möchte sie sich noch verbessern, verrät sie. «Bei grösseren Schäden verliere ich mich manchmal ein wenig.» Sie hat noch genügend Zeit, sich zu perfektionieren, liegt doch der Lehrabschluss erst bloss mehrere Monate zurück. So möchte die Jung-Carrosseriespenglerin vorerst noch einige Jahre Berufspraxis sammeln, bevor sie allenfalls eine Weiterbildung ins Auge fasst. Der Fortbildung zur Fahrzeugrestauratorin wäre sie nicht abgeneigt, orakelt Valerie. «Aber zurzeit bin ich noch restlos glücklich mit dem was ich mache», fasst sie zusammen.

Urs Boss, Inhaber und Geschäftsführer der 27-köpfigen Carrosserie G & G AG in Niederwangen, bildet seit vielen Jahren Lernende in den Berufen Carrosseriespengler:in EFZ und Carrosserielackierer:in EFZ aus, zurzeit sind es in jedem Beruf zwei Lernende. Boss legt besonderen Wert darauf, dass die Eltern der Berufsanwärter:innen bei der Selektion hinter der Berufswahl stehen können. Nicht ohne Stolz betont der Firmeninhaber, dass die Lernenden der G & G AG bei den Berufsmeisterschaften Bern-Mittelland schon viermal den Berner Meistertitel in den Carrosserieberufen errungen haben. «Auch den amtierenden Vize-Weltmeister durften wir hier in Niederwangen ausbilden», ergänzt er. Obschon der Betrieb für den Lehrbeginn 2024 zurzeit noch keine Kandidaten vorweisen kann, ist Urs Boss zuversichtlich, noch geeignete Lernende zu finden. In den letzten Jahren beschäftigte er zwei weibliche Carrosseriespengler in seiner Werkstatt, ausgebildet hat er bisher aber noch keine. Wer weiss, vielleicht melden sich junge Frauen, ermutigt durch das Beispiel von Valerie Schwab …

Vorsicht vor orangen Kabeln!
Die vorrückende Elektromobilität hat den Beruf des Carrosseriespenglers/der Carrosseriespenglerin nach Aussagen von Urs Boss nicht grundlegend verändert. «Wir haben schon längere Zeit mit Elektrizität zu tun. Wenn wir beispielsweise eine Türverkleidung entfernen, stossen wir auf ein orangefarbenes Kabel des Seitenairbags», veranschaulicht er die Arbeit. Unfallfahrzeuge mit grossen oder Totalschäden kämen kaum in die Carrosserie. «Zu 90 Prozent entfernen und reparieren wir Stossstangen, Kotflügel und Türen. Es ist die Batterie, die gefährlich ist, nicht das Auto!», so Urs Boss weiter. Auf die Signalfarbe orange haben sich Autohersteller für die Hochvolt-Kabel im Fahrzeug geeinigt. So fliessen denn bei voll geladener Batterie in Elektrofahrzeugen je nach Fahrzeugkategorie schon mal bis zu 400 Volt – in der Steckdose zu Hause sind es «nur» 220. Bei der Carrosserie G & G AG haben mehrere Mitarbeitende die entsprechenden Kurse besucht, sind gut vorbereitet und hantieren vorsichtig mit den orangen Kabeln. «Strom können wir nicht sehen, nicht riechen und nicht hören», macht Urs Boss auf die Gefahr aufmerksam.

Es sei vor allem die heute sicherere Bauweise der Autos, welche die Arbeit des Carrosseriespenglers und der Carrosseriespenglerin stark verändert habe, stellt Urs Boss fest. «Eine Türe ist mit Verstrebungen ausgerüstet, das Ausbeulen ist schwierig geworden, alles ist steinhart. Grosse Dellen behandeln wir mit Vordrücken und Ausmassieren. Sobald wir mit Hammer und Maschinen anrücken, verändern wir das Gefüge», illustriert Boss an diesem Beispiel. So ist denn auch der Beruf Carrosseriespenglers gekennzeichnet durch lebenslanges Lernen.

CARROSSERIESPENGLER/IN EFZ

Carrosseriespengler führen technisch anspruchsvolle Reparaturarbeiten an Personenwagen und leichten Nutzfahrzeugen aus. Eingedrückte Stellen bringen sie in die ursprüngliche Form zurück und stark beschädigte Carrosserieteile ersetzen sie durch neue Teile.

Ausbildung
4 Jahre

Bildung in beruflicher Praxis
In einem Carrosseriebetrieb

Schulische Bildung
1 Tag pro Woche an der gibb Berufsfachschule Bern

Vorbildung

  • Obligatorische Schule abgeschlossen
  • Schnupperlehre und Eignungstest

Anforderungen
Ausgeprägtes handwerkliches
Geschick; technisches Verständnis;
geschickte Hände und genaues Arbeiten; Fähigkeit, sich Sachen räumlich vorzustellen; Sinn für Formen und Farben; Zuverlässigkeit; Selbstständigkeit.

Abschluss
Eidg. Fähigkeitszeugnis «Carrosseriespengler:in EFZ»

Weiterbildung

  • Kurse
  • Angebote vom Verband Carrosserie Suisse, von Spezialwerkzeug-Her­stellern und von Berufsfachschulen

Branchenzertifikat

  • Carrosseriefachmann:frau (Fachrichtung Spenglerei)
  • Werkstattkoordinator:in (im Carrosseriegewerbe)
  • Fahrzeugrestaurator:in (Fach­richtung Carrosseriespenglerei)
  • Restaurationsberater:in

Berufsprüfung BP

  • Carrosseriewerkstattleiter:in mit eidg. Fachausweis (Fachrichtung Carrosseriespenglerei)
  • Fahrzeugrestaurator:in mit eidg. Fachausweis (Fachrichtung
    Carrosseriespenglerei)

Höhere Fachprüfung HFP
Dipl. Betriebsleiter:in Carrosserie

Infos
carrosserie suisse, Zofingen,
www.carrosserieberufe.ch

Quelle: berufsberatung.ch

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