Die Künstliche Intelligenz und ihren Einfluss auf die Gesellschaft, gerade auch in der Bildung, ist zur Zeit ein vieldiskutiertes Thema. Auch an den Fachhochschulen. Professor Sebastian Wörwag, Rektor der BFH, erklärt, wie man als Hochschule auf die KI reagiert, welche Fähigkeiten in Zukunft gefragt sein werden und warum Immanuel Kant so aktuell ist wie nie.
«Sapere aude», empfahl im 18. Jahrhundert Immanuel Kant, deutscher Philosoph der Aufklärung, den Menschen: «Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.» Die vier Kant-Fragen: «Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?» sind aktueller denn je. Denn die zunehmenden Fähigkeiten der Künstlichen Intelligenz werfen uns Menschen genau zu diesen Fragestellungen zurück. Was braucht es denn von uns Menschen in Zukunft und wie passt sich eine höhere Ausbildung diesen neuen Anforderungen an?
Wissen ist Macht – aber heute können auf Knopfdruck fast alle alles wissen …
Wir befinden uns tatsächlich mitten in einer gesellschaftlichen Transformation. Es geht nun insbesondere darum, dass der Mensch nach wie vor im sogenannten «Driver Seat» sitzt und die Kontrolle behält. Unsere Aufgabe besteht darin, die Menschen zu einer digitalen Mündigkeit auszubilden.
Das System der Fachhochschulen wurde 1995 eingeführt, die BFH gibt es seit 1997 – wie hat sie sich in diesem Vierteljahrhundert entwickelt?
Die Idee war, das ausgezeichnete Duale Bildungssystem der Schweiz auf die Stufe der Hochschule zu übertragen. So entstand neben der gymnasialen Matur auch die Berufsmatur und die Fachhochschule ergänzt die klassische Universität insbesondere im Bereich der anwendungsorientierten Forschung. Es ist eine praxisnahe Bildung, die sich vorrangig um Fragestellungen aus der Gesellschaft kümmert.
Haben Sie hierzu ein Beispiel?
Während eine Universität beispielsweise Krebsforschung betreibt, deckt eine Fachhochschule vermehrt den gesellschaftlichen Teil rund um die Gesundheit ab. Uns interessiert beispielsweise die Frage nach Caring-Society, also wie können wir Gesundheit und Wohlergehen aller in einer zunehmend alternden Gesellchaft fördern – «Aging in Place» wäre hier ein solches Stichwort. Altwerden zu Hause, welche Rahmenbedingungen bräuchte es dazu und wie können wir diese inskünftig bereitstellen? Wir arbeiten aber sehr eng mit den anderen Hochschulen zusammen, tauschen uns aus und gehören auch der europäischen Hochschulallianz an. Diese Schulterschlüsse sind und werden immer wichtiger.
Universitäten und Fachhochschulen sind also keine Konkurrenten?
Im Gegenteil. Sie sind eine ideale Ergänzung und wir arbeiten, wie erwähnt, auch eng zusammen. Wir sprechen unterschiedliche Menschen an und decken unterschiedliche Bedürfnisse der Gesellschaft ab.
Sie erwähnten die hohe Praxisorientierung einer Fachhochschule.
Ein gutes Beispiel dazu ist aktuell gerade das Thema Nachhaltigkeit und innerhalb dessen die Kreislaufwirtschaft. Wie kommen wir als Gesellschaft zu einer solchen? Hier verstehen wir uns auch als Anlaufstelle beispielsweise für Unternehmen und können mit Beratungsangeboten helfen, so dass möglichst viele Menschen von unseren Erkenntnissen und Forschungen profitieren können. Das ist eines unserer wichtigsten Ziele.
Welches sind denn momentan die aktuellsten Themen?
Wir beschäftigen uns grob zusammengefasst mit drei grossen gesellschaftlichen Themenfeldern: Zum einen sind das Themen rund um die Nachhaltigkeit unserer Ernährungssysteme, unserer Lebensräume und der Kreislaufwirtschaft, dann Fragen zur Gesundheit und dem Wohlbefinden und das dritte grosse Thema ist die digitale Transformation.
Dazu gehört bestimmt auch die Künstliche Intelligenz (KI) – zur Zeit fühlt man sich dabei ja fast ein bisschen wie Goethes Zauberlehrling und fragt sich, wie man diese Geister wieder loswird?
Genau! Wer hat dieses Ding eigentlich bestellt? (lacht) Aber sie ist nun mal da und sie bietet auch viele neue Chancen. Was es jetzt braucht, ist ein reflektierter Umgang damit. Etwas einfach zu verbieten, war noch nie eine Lösung. Denn Fortschritt lässt sich nun mal nicht aufhalten. Genau wie damals bei der Erfindung der Eisenbahn …
Was passierte da?
Nun, damals wurde verfügt, dass die Eisenbahn nicht schneller als ein Pferd unterwegs sein darf. Man war überzeugt, dass diese Geschwindigkeit gesundheitsschädigend für den Menschen sei, weil er mit zu vielen Reizen überflutet würde … und was geschah? Diejenigen, die es sich leisten konnten, buchten Vergnügungsfahrten mit extra hoher Geschwindigkeit …
Wie sollen wir also mit der KI umgehen?
Es braucht Guidelines, einen reflektierten und mündigen Umgang mit diesen neuen Möglichkeiten und eine Anpassung der bisherigen Lernformen insbesondere an den Schulen. Und es geht vor allem darum, alle Menschen auf diesen Weg mitzunehmen und Kompetenzen zu vermitteln, wie sie die KI sinnvoll nutzen und einsetzen können. Gerade ältere Menschen ohne Handy drohen nun komplett den Anschluss zu verlieren und eine Umfrage ergab, dass sich ganze 27 Prozent der befragten Menschen wegen der KI Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen.
Sind diese Ängste begründet?
Nun, es wird veränderte Kompetenzmodelle brauchen. Aber die Menschheitsgeschichte ist eine Entwicklungsgeschichte. Nichts bleibt immer gleich, alles verändert sich. Angst vor Neuem zu haben, ist zwar menschlich, aber leider selten zielführend. Das Einzige, was gegen Angst hilft, ist Aufklärung und Bildung. Und damit sind wir wieder bei Immanuel Kant. Was macht den Menschen eigentlich aus?