Das globale Biotechunternehmen CSL ist auf Medikamente zur Behandlung von unter anderem Hämophilie und Immunschwäche spezialisiert. Eine tragende Säule des Konzerns und in ihrem Bereich weltweit führende Anbieterin ist CSL Behring Bern. Sie erforscht, entwickelt und produziert Biotherapeutika auf Basis menschlichen Blutplasmas. Ein Gespräch darüber mit Dr. Adrian Zürcher, Leiter Forschung Europa.
Zuerst ein kurzer Blick zurück: Vor 75 Jahren, 1949, wurde in Bern das «ZLB Zentrallabor des Blutspendedienstes des Schweizerischen Roten Kreuzes SRK» gegründet. 2000 wurde die Institution vom ursprünglich australischen und heute globalen Pharmaunternehmen CSL übernommen. Seit 2007 firmiert das Unternehmen als CSL Behring AG. Von den weltweit 32 000 Mitarbeitenden des CSL-Konzerns (er ist in seinem Tätigkeitsbereich einer der drei grössten der Welt) beschäftigt die CSL Behring in Bern 1800 Mitarbeitende, davon allein rund 300 im Wissenschaftsbereich, in Forschung und Entwicklung (F & E).
Wie muss man sich das F & E-Team von CSL Behring vorstellen?
Adrian Zürcher: Weltweit arbeiten bei CSL über 2000 Personen in der F&E – vor allem in Bern, Boston, Marburg und Melbourne. Allein in Bern sind es etwa 300 Mitarbeitende in den Bereichen
der frühen Forschung, an klinischen Studien, im Austausch mit Zulassungsbehörden und an der technischen Entwicklung von Herstellungsprozessen von Medikamenten.
Wie kommt es zur grossen Bedeutung Berns innerhalb der CSL-Forschung?
Das ist – ausgehend vom ehemaligen Zentrallabor des Blutspendendienstes in Bern – historisch gewachsen. Deshalb hat ein Teil unserer globalen Forschung sehr starke Wurzeln in Bern. Überhaupt, Bern respektive die Schweiz muss sich nicht verstecken: Im Bereich der Biotechnologie gehören wir zur Weltspitze.
Das deutet auf ein grosses internationales Interesse an Bern hin.
Richtig, innerhalb des CSL-Netzwerks ist das so. Der überwiegende Teil unserer Teams hier ist aus der Schweiz, doch insgesamt sind etwa 40 Nationen vertreten, die Umgangssprache ist Englisch. Die Sympathie, welche CSL Behring in Bern geniesst, ist insbesondere auf das Unternehmen als stabile Arbeitgeberin sowie eine angenehme kooperative Firmenkultur mit recht flachen Hierarchien zurückzuführen. Und Bern bietet als Standort natürlich eine hohe Lebensqualität. All dies sind bei der heute nicht einfachen Suche nach den besten Fachleuten wichtige Erfolgskriterien. Ein weiterer positiver Aspekt ist unsere nach wie vor überschaubare Grösse und die Nähe der Forschung zur Produktion hier im Wankdorf.
Wie spielt die F & E-Zusammenarbeit innerhalb des ganzen Konzerns?
Alle Forschungsprojekte sind global. Das Lokale und die persönlichen sozialen Kontakte sind trotzdem sehr wichtig, aber als globalisierte Firma findet innerhalb des Gesamtunternehmens eine permanente wissenschaftliche Zusammenarbeit und ein aktiver Dialog über alle Zeitzonen statt – sinnbildlich: Morgens stehen wir mit Australien in Kontakt, abends mit den USA.
Die genannte Team-Grösse der F&E-Abteilung erstaunt – was gibt es am Blut noch zu erforschen?
Im Gegensatz zu chemisch hergestellten Medikamenten werden viele CSL-Biotherapeutika aus dem flüssigen Anteil des menschlichen Blutes, dem Humanplasma, hergestellt. Dies beinhaltet eine Mischung aus vielen Bestandteilen (siehe Kasten). Wenn man sich nun diese Zusammensetzung sowie die grosse Breite unserer Forschungs-Disziplinen vergegenwärtigt wird klar, dass es auf lange Sicht noch sehr viel zu erforschen und entwickeln gibt.
In welchen medizinischen Disziplinen sind Sie in der F&E tätig?
In Bern sind es vor allem folgende: Die Immunologie, welche Erkrankungen oder angeborene Defizite des Immunsystems umfasst – zu ihnen gehören z. B. Rheuma, Multiple Sklerose und eine Reihe seltener Erkrankungen. In der Hämatologie geht es um Erkrankungen des blutbildenden Systems, bei uns zum Beispiel um die Hämophilie (Störung der Blutgerinnung), den Schlaganfall oder die mehrheitlich in Afrika und im Mittelmeerraum verbreitete, durch einen genetischen Defekt verursachte sogenannte Sichelzellen-Anämie – ein Defekt der roten Blutkörperchen und dadurch Ursache diverser Leiden. Der dritte Schwerpunkt ist die Pneumologie, also unser Beitrag an Heilung und Therapie bei Lungenerkrankungen, zum Beispiel Lungenfibrose. Und schliesslich Herzerkrankungen. Hier konzentriert sich unsere Forschung auf einen besonderen Aspekt der Diagnose Herzinfarkt: Erst kürzlich haben wir die grösste klinische Studie, die CSL je durchgeführt hat, abgeschlossen. Ferner sind wir im sitem-insel an der Entwicklung neuer Gentherapien beteiligt.
Um was handelt es sich dabei?
Die «sitem-insel AG» – das Schweizerische Institut für translationale und unternehmerische Medizin – dient als praxisorientierte Verbindung von Labor-Forschungsergebnissen mit der klinischen Anwendung. Auf diesem modernen Campus auf dem Areal der Insel-Gruppe arbeiten viele Partner Hand in Hand. Zum Beispiel haben sich die Klinik für Pneumologie des Universitätsspitals Bern, das Berner Biotech-Startup AlveoliX und CSL Behring zusammengeschlossen, um Behandlungen für das akute Atemnotsyndrom ARDS zu erforschen. Unsere intensive Tätigkeit am sitem erleichtert das Überführen von Forschungsresultaten und Prototypen in marktfähige Produkte. CSL Behring war von der ersten Minute an integriert und ist vor Ort das einzige etablierte Biotech-Unternehmen. Dadurch profitieren wir gleich doppelt. Unsere eigene Forschung ist jetzt viel näher an der klinischen Praxis und Wissenschaft, und zugleich bleiben wir eng mit dem Standort Wankdorf und der gesamten CSL-Community verbunden.