Alex Bangerter, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Von Graffenried AG Vermarktung, bricht eine Lanze für Bümpliz als Wohngebiet, wünscht sich mehr Flexibilität von Wohnungssuchenden und äussert sich zur Vision einer 16-Millionen-Schweiz.
Alex Bangerter, wann sinkt der hypothekarische Referenzzinssatz von derzeit 1,75 Prozent wieder?
(Schmunzelt) Die Zinsentwicklung kann man nicht voraussagen, deshalb ist eine zuverlässige Antwort nicht möglich. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Referenzzinssatz den Zinsentscheiden der Nationalbank hinterherhinkt. Aber ich denke, dass er nicht mehr in diesem Jahr sinken wird.
Der Leerwohnungsbestand in der Stadt Bern anfangs Juni 2024 bewegt sich bei rund 350 und ist damit gegenüber dem Vorjahr stabil geblieben. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung und spricht man immer noch von Wohnungsnot?
Von einer Not würde ich nicht gerade sprechen, denn die Verfügbarkeit ist vorhanden. Ein Mangel herrscht vor allem bei grossen Wohnungen, die zu vernünftigen Preisen erhältlich sind. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach der Flexibilität. Wer in der Stadt Bern eine Wohnung sucht, die bloss fünf Minuten vom Arbeitsplatz entfernt ist, wird sicher Mühe haben, zu günstigen Konditionen Wohnraum zu finden. Fährt man beispielsweise Richtung Schwarzenburg, wird man ein grösseres Angebot freier Wohnungen mit dieser Eigenschaft vorfinden.
Die meisten Leerwohnungen befinden sich im Stadtteil 6 (Bümpliz-Oberbottigen). Ist dieses Gebiet unattraktiv als Wohngebiet?
Früher war Bümpliz ein Dorf und wurde erst 1919 in die Stadt Bern eingemeindet. Gewiss, es besteht eine räumliche Distanz zur Stadt, aber Bümpliz ist ein attraktiver Wohnort und vereint sowohl Urbanität als auch Ländlichkeit. Dieser Stadtteil hat sich positiv entwickelt. Aber häufig herrscht die Meinung vor, Bümpliz bestehe bloss aus Hochhäusern und Menschen mit Migrationshintergrund. Aber gerade die kulturelle Durchmischung ist bereichernd und die Verkehrsverbindungen sind ausgezeichnet. Massgebend ist auch die Qualität der Wohnobjekte. Ich denke an neue Überbauungen wie beispielsweise Ausserholligen, da entspricht die Qualität den modernsten Anforderungen, auch hinsichtlich Nachhaltigkeit.
Die Zürcher Immobilienökonomin Sibylle Wälti plädierte kürzlich in der «SonntagsZeitung» für sogenannte «10-Minuten-Nachbarschaften»: Wohnen, Arbeiten und Leben in einem Radius von 500 Metern. Dies eigne sich für Gebiete, in denen innerhalb des 500-Meter-Radius mindestens 5000 Menschen lebten. Das Ziel wäre eine Verdoppelung auf 10 000 Menschen, damit die lokale Infrastruktur genügend frequentiert würde. Auf die gesamte Schweiz hochgerechnet wäre auf der bestehenden Bauzonenfläche in 60 bis 100 Jahren eine 16-Millionen-Schweiz möglich, aufgrund des heutigen Bevölkerungswachstums. Was halten Sie davon?
Ökonomisch betrachtet erachte ich diese Vision als sinnvoll. Früher trennte man strikte Wohn- und Arbeitsgebiete. Nicht zuletzt durch das Aufkommen von Homeoffice bewegen wir uns nachfrageseitig in die skizzierte Richtung. Ich beobachte, dass sich Unternehmen oft in Clustern ansiedeln wollen und kurze Arbeitswege gefragt sind. Meines Erachtens wird es in der Stadt Bern in absehbarer Zeit nur zwei Standorte geben, in welchen diese Mischformen mit erhöhter Dichte möglich sind: Wankdorf-City und Ausserholligen. Die Bestrebungen in Richtung Verdichtung sind aus meiner Sicht richtig. Das Problem dabei: Es wird anders gelebt! Bei einigen bestehenden Gebäuden ist noch ein Ausbau des Dachstockes möglich. Aber die behördlichen Hürden, die sich dabei stellen, sind relativ hoch und reduzieren die Attraktivität solcher Vorhaben. Und vor allem lösen sie das Problem nicht. Wir brauchen mehr Fläche. Ein erster Schritt könnte das Senken der Eintrittshürden sein. In den letzten Jahren hat sich in der Projektentwicklung das Baubewilligungsrisiko substanziell erhöht, was sich negativ auf die Bautätigkeit auswirkt. Damit sich Ersatzneubauten rechnen, ist Mehrnutzung nötig, um die Zerstörung der bestehenden Bausubstanz zu kompensieren. Kurz: Es muss sich lohnen, damit die nötigen Mehrwerte realisiert werden können. Verdichtetes Bauen bedeutet auch eine sichtbare Veränderung des Stadtbildes. Der effizienteste Ansatz, um die Preise zu senken, ist die Angebotsausweitung. Fazit: Um die Vorschläge der ETH-Forscherin realisieren zu können, muss der Wille vorhanden sein und es müssen sich sämtliche Akteure kompromissbereit zeigen!
Der Baumeisterverband fordert die Freigabe von ungenutztem Wohnraum: Ältere Wohneigentümer sollen ihre EFH verlassen und in kleinere Wohnungen umziehen, um den Wohnraum für Familien freizugeben. Ein gangbarer Weg?
Ein wichtiger Eckpunkt in der Schweiz ist der Schutz des Rechts auf Eigentum. Es ist für mich undenkbar, dort einzugreifen. Von Enteignungsfantasien halte ich nicht viel. Dieser Schutz des Eigentumsrechts ist ein wichtiger Grund, dass die Bevölkerung in Wohneigentum oder Anlageimmobilien investiert. Wir benötigen einen funktionierenden Kapitalmarkt, damit dieser das nötige Wohnungsangebot zur Verfügung stellt. Wir haben eine stark wachsende Bevölkerung, die mehr Wohnraum benötigt.