Studentlodge – Wohnen während der Ausbildung

«Gegenseitiger Respekt ist der Schlüssel»

Fotos: Andrea Bauer / zvg

Kaum hat man die S-Bahn verlassen, sieht man es schon – das markante, gelbe Logo: studentlodge.ch. In unmittelbarer Nähe des Bahnhofs Bümpliz Nord befindet sich das Studentenwohnhaus. Wer bei diesem Wort an triste, dunkle Kammern denkt, liegt definitiv falsch. Längst hat auch hier die Moderne Einzug gehalten.

Geschäftsführerin Renate Ledermann begrüsst mich im aufgeräumten und dennoch wohnlichen Empfangsbereich und führt mich in ein helles Sitzungszimmer. «Genau das war das Ziel des neuen Logos, dass es sofort ins Auge sticht», erklärt sie mit einem Schmunzeln. «Obwohl damals nicht alle von diesem knalligen Gelb begeistert waren!» Damals, das war vor gut vier Jahren, als aus dem inzwischen über 60-jährigen «Verein Berner Studentenlogierhaus» der Verein «studentlodge.ch» wurde. «Wir wollten kurz und knapp in einem Wort sagen, worum es geht. Und zwar so, dass es auch fremdsprachige Menschen sofort verstehen. Die Vereinsform aber ist geblieben und auch Ziel und Zweck unserer Arbeit sind unverändert: Wir wollen Menschen in Ausbildung ein angenehmes Zuhause auf Zeit zu einem fairen Preis anbieten», führt Renate Ledermann weiter aus. 

60

Jahre gibt es die Non-Profit-
Organisation studentlodge.ch
bereits.

Online und flexibel
Gebucht wird online, kündigen kann man innerhalb von 30 Tagen auf Ende des Monats. Flexibel und schnell, wie das die heutige Zeit verlangt, ist man hier unterwegs. «Grundsätzlich sind alle Menschen willkommen, die eine Ausbildung machen. Sei das eine Lehre oder ein Studium oder eine Weiter­bildung. Dementsprechend gibt es auch kein Alterslimit. Einzig den Ausbildungsnachweis verlangen wir und eine Kaution, die etwa eine Monatsmiete beträgt», erklärt die Geschäftsführerin. Durchschnittlich bleiben die Leute zwischen drei und sechs Monaten. «Es gibt aber auch Einzelne, die jahrelang bei uns wohnen.» 

Andere Länder, andere Sitten
Rund 70 Prozent der Bewohnenden stammen aus dem Ausland, aus den unterschiedlichsten Nationen. Das ist nicht immer ganz einfach. «Nicht alle haben das gleiche Verständnis von Hygiene und Sauberkeit. Vielleicht, weil sie mit Dienstboten aufgewachsen sind und noch nie selbst putzen mussten. Oder aber, weil sie gewisse Dinge – wie beispielsweise unser Toilettenmodell – schlicht nicht kennen», nennt Renate Ledermann einige Beispiele. Wieder andere hätten ein Problem damit, dass Männer und Frauen auf demselben Stockwerk wohnen würden. Da sei dann jeweils Fingerspit­zengefühl gefragt. Für die erfahrenen Hausleiterinnen und Hausleiter aber Alltag. «Unser Credo ist: Wir akzeptieren alle genau so, wie sie sind. Uns ist egal, wie sie sich kleiden, woran sie glauben oder welche Rituale sie pflegen – solange diese mit unseren Hausregeln kompatibel sind. Und diese wiederum gelten vorbehaltslos für alle und müssen eingehalten werden, damit ein Zusammenleben für alle stimmig und möglich ist. Da sind wir sehr streng. Und fahren bisher – seit über 60 Jahren – sehr gut damit», weiss die engagierte Immobilienfachfrau. Für die meisten sei es halt auch das erste Mal, dass sie ohne ihre Eltern wohnen würden. «Auch das ist ein Lernprozess – und viele sind danach enorm dankbar für alles, was sie hier mitbekommen haben. Insbesondere auch das Kennenlernen von anderen Menschen aus ganz anderen Kulturen.»

94 

Prozent Auslastung verzeichnete studentlodge.ch
währenddes vergangenen Jahres.

Studios oder Zimmer 
Bei über 900 Mietenden gäbe es natürlich auch Fälle, die vor die Schlichtungsstelle gelangten. Aber das seien wirklich die Ausnahmen. «Mit einer offenen und transparenten Kommunikation lassen sich fast alle Probleme lösen.» Auch wenn das manchmal schon der Sprache wegen nicht ganz einfach ist. «Englisch ist unsere Hauptsprache hier, aber manchmal reden wir auch mit Händen und Füssen!» fügt Renate Ledermann mit einem Lachen an. Inzwischen sind wir auf einem Rundgang durch das erst 2021 neu renovierte Haus. Hier gibt es Studios, die über eine eigene kleine Küche und ein Badezimmer verfügen oder Zimmer, wo man sich die Küche mit den Stockwerkbewohnenden und das Badezimmer mit einer anderen Frau oder einem anderen Mann teilt. «Darauf achten wir, dass die Badezimmer nur geschlechtergetrennt benutzt werden», stellt die Geschäftsführerin klar. Aber noch weiter könne aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht separiert werden. Es gehe darum, den Wohnraum so günstig wie möglich zur Verfügung stellen zu können. 

Schlicht und praktisch
Zimmer 129 ist bereits mit dem Namen seiner zukünftigen Bewohnerin angeschrieben, die heute noch eintreffen wird. Das Zimmer ist einfach und praktisch ausgestattet. Mit wenigen, dafür robusten Möbeln, einem kleinen Kühlschrank und viel Stauraum. «Es hat alles, was nötig ist», sagt Renate Ledermann, «schlicht und ohne Schnörkel.» Aus hygienischen Gründen wurde auch auf Vorhänge und Teppiche verzichtet. «So lassen sich die Zimmer gut putzen.» Das machen die Bewohnenden selbst, es sei denn, sie buchen eine Zusatzdienstleistung dazu. Hingegen wird das gemeinsam benutzte Badezimmer alle drei Wochen gereinigt – das ist im Mietpreis inbegriffen – dazwischen müssen die Mietenden die Nasszone selbst reinigen. Auch der W-Lan-Zugang und sämtliche Nebenkosten sind im Mietpreis inbegriffen. Je nach Liegenschaft bewegt sich die Miete eines solchen Zimmers von 660 bis 830 Franken pro Monat.

Freundschaften fürs Leben
«Natürlich geben die gemeinsam genutzten Räume oder die Zimmernachbarschaft immer wieder Anlass zu Streitigkeiten. Aber im Grundsatz hat das jeweils nichts mit Hautfarbe oder Religion zu tun. Sondern immer nur mit Respekt und gegenseitiger Rücksichtnahme», umschreibt es die Geschäftsführerin. «Leider schreiben heutzutage viele lieber ein Whatsapp ins nächste Zimmer, als dass sie einfach von Mensch zu Mensch miteinander sprechen würden. Das ist sehr schade, denn damit geht auch ein bisschen diese Gemeinschaft verloren, die nicht selten zu lebenslangen Freundschaften führt», erzählt Renate Ledermann von den langjährigen Erfahrungen des Vereins. So habe letzthin ein Paar ihren 18-jährigen Sohn hierhin begleitet, weil sie nochmals an den Ort zurückkehren wollten, wo sie sich kennengelernt hätten: «Vor 23 Jahren haben die beiden hier gewohnt, haben sich kennen- und lieben gelernt. Und unsere Hausleiterin hat sich sogar noch an sie erinnert! Das war sehr emotional. Nun hoffen sie, dass auch ihr Sohn seine Zeit hier mit unvergess­lichen Erlebnissen bereichern wird!»

PERSÖNLICH

Renate Ledermann ist ausgebildete Immobilientreuhänderin und arbeitete in dieser Funktion sowohl in kleinen KMU’s wie auch in gros­sen Unternehmen. Vor acht Jahren führte sie der Zufall zum Verein studentlodge.ch. In dieser Zeit ist einiges passiert, besonders augenfällig ist der komplett neue Auftritt betreffend Name, Logo und Webseite. An ihrem aktuellen Job schätzt die Geschäftsführerin die enorme Vielseitigkeit. Die Nähe zum Unternehmen, zu den Kunden aber auch zu ihren Mitarbeitenden sei das, was ihr nach wie vor grossen Spass mache. Ihr Ziel sei es, diese Firma dereinst in perfektem Zustand an ihre Nachfolge übergeben zu können.

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