Die Bernerin Kathrin Berger hat die Ferienform Camping zum festen Wohnsitz gewählt: Sie lebt seit zwei Jahren in einem Mobilhome auf einem Campingplatz. Ihren Entscheid bereut sie keine Minute.
Bei unserem Besuch auf dem Campingplatz regnet es in Strömen. Der Platz wirkt ausgestorben, eine mystische Stille empfängt den Besucher. Das Wetter hält die meisten Camper vom Aufenthalt ab. Nicht so bei Kathrin Berger: Sie wohnt auf dem Campingplatz, auch bei misslichen Wetterverhältnissen. Zwei kleine Hunde begrüssen uns freudig und scheinen den Besuch zu schätzen. Eine grosse Terrasse umrundet das Mobilhome von Kathrin Berger. Sie führt uns in den geräumigen Wohnraum mit Sitzgruppe, integrierter Küche und separater Arbeitsfläche. Eigentlich sieht alles aus wie in einer «normalen» modernen Wohnung.
Hatte sie bereits Erfahrungen oder eine Affinität zum Campieren? «Nein, keineswegs – im Gegenteil», lacht sie. «Als ich jung war, hatte ich wenig Sympathie für diese Ferienform. Da verlässt jemand seine Komfortzone von 100 Quadratmetern und zwängt sich in der schönsten Zeit des Jahres in einen Wohnwagen oder in ein Zelt, für mich lange unverständlich!» Dass sie viele Jahre später selber einmal zu dieser Camper-Gruppe gehören würde, hätte sie sich niemals träumen lassen.
Persönliche Lebenskrise
Vor einigen Jahren war Kathrin Berger mit ihrer persönlichen Lebenssituation nicht mehr glücklich. Sie wollte etwas ändern in ihrem Leben. Auf einem Campingplatz mietete sie sich als «Testlauf» ein Mobilhome ohne jegliche Annehmlichkeiten. Sie benützte die öffentlichen sanitären Anlagen des Campingplatzes. Trotz mangelndem Komfort kam sie langsam auf den Geschmack. Sie kaufte sich ein kleines Mobilhome und erholte sich während ihren Berufsjahren an Wochenenden und in der Freizeit in den eigenen vier kleinen Wänden. Ihre Eigentumswohnung im Aaretal behielt sie. Dann verkaufte sie das Mobilhome wieder und besuchte fünf Jahre lang keinen Campingplatz. Danach rang sie sich endlich durch und stiess auf der Website eines Campingplatzes auf die Angebote neuer Mobilhomes. Der Entschluss war bald gefasst, der Kaufakt kam zustande und so wohnt sie seit 2022 auf dem Campingplatz; ihre Wohnung hat sie verkauft.
Wie konnte sich Kathrin Berger an eine reduzierte Wohnfläche von gerade mal noch 47 Quadratmetern gewöhnen? Fiel es ihr schwer, sich zwangsläufig von vielen (teils liebgewonnenen) Dingen zu trennen? Ihre Antwort kommt spontan: «Für mich stimmt es so wie es heute ist. Ich vermisse absolut nichts. Kleider, die ich jeweils im Büro trug, eliminierte ich. Hier ist Freizeit-Look angesagt!» In mehreren Durchgängen trennte sie sich von bloss Wünschbarem und nicht Notwendigem. Aber man müsse sich mental rechtzeitig und gründlich darauf vorbereiten, räumt sie ein. Höchstens eine Badewanne vermisst sie; in ihrem Mobilhome hat sie lediglich eine Duschkabine. «Wenn ich einen Rheumaschub habe, sässe ich gerne im wärmenden Wasser einer Badewanne», gesteht sie. «Aber Sie sehen: Ich studiere und es kommt mir sonst nichts in den Sinn!»
Asiatische Küche bevorzugt
Kathrin Berger lebt nach eigenen Angaben zurückgezogen. Sie ist aber keineswegs kontaktscheu und sieht sich nicht als Sonderling oder Einzelgängerin. Sie liebt es, sich zurückziehen zu können, aber auch Bekanntschaften zu knüpfen, wann und wie sie es sich wünscht. Den Kontakt zu den Campingnachbarn bezeichnet sie als herzlich, aber unaufdringlich. «Man ist jederzeit füreinander da, wenn man Hilfe braucht.» Das Campingrestaurant besucht sie selten, dafür kocht sie leidenschaftlich gerne. «Vor allem indische oder thailändische Gerichte», wie sie betont. Denn sie verbrachte früher oft ihre Ferien in südostasiatischen Ländern.
Den Alltag verbringt sie viel mit Lesen. «Ich bin faul geworden», erzählt sie schmunzelnd. Bei der Lektüre bevorzugt sie Biografien und Romane der 2021 verstorbenen nordirischen Schriftstellerin Lucinda Riley. Mit ihren zwei Hunden ist die Seniorin jeden Tag unterwegs und auch das E-Bike und das Auto sind für sie zu unentbehrlichen Transportmitteln geworden. Ihre Rückenschmerzen – Kathrin Berger leidet an Osteophyten – schmälern ihre Geh-Mobilität zunehmend.
Könnte sie sich vorstellen, wieder in eine «normale» Wohnung zu ziehen? «Ich hätte zwar keine Mühe damit, aber die Frage stellt sich zurzeit nicht», so ihre Antwort. Sie wohne hier sehr altersgerecht, ohne Treppen, das Campinggelände sei flach, auch Spitex-Dienste könnten bei Bedarf beansprucht werden. «Und weiter denke ich momentan nicht», so ihre dezidierte Schlussfolgerung.
Leben auf dem Campingplatz – Gut zu Wissen!
Viele haben entdeckt, dass man auf dem Campingplatz günstig leben kann. Neben der einmaligen Anschaffung der entsprechenden Behausung fallen in der Regel bloss Kosten an für die Platzmiete und Nebenkosten wie Elektroinstallationen, Trinkwasserverbrauch, Abwasser- und Abfallentsorgung, Strom. In der Schweiz ist es jedoch schwierig, einen Platz zu finden, auf dem man das ganze Jahr über wohnen darf. Gemeinden, Hausbesitzern und Immobilienverwaltungen ist das ein Dorn im Auge. Vielfach herrscht die Meinung vor, dass auf dem Campingplatz viele Sozialhilfebezüger oder gar Kriminelle wohnen, was aber ein weitverbreitetes Vorurteil ist. Vor allem Rentnerinnen und Rentner bevorzugen vermehrt diese noch zahlbare Wohngelegenheit.
Immer mehr Gemeinden verschärfen ihre Auflagen oder verbieten Dauercamping, weil sie der Auffassung sind, dass die Campingplätze nur touristische Zwecke erfüllen dürfen und nicht als günstige Wohnalternative dienen sollen. Auch die 25 Campingplätze des Touring Club Schweiz (TCS) sind für Saisongäste reserviert, wohnen darf man dort nicht.
Wie vorgehen? Wenn Sie beabsichtigen, auf einem Campingplatz in der Schweiz dauerhaft zu wohnen, sind folgende Punkte wichtig:
1
Suchen Sie Campingplätze,
die ganzjährig geöffnet sind
2
Schauen Sie das Reglement des Campingplatzes gut an: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein? Welche Behausungen sind erlaubt: Mobilhomes, Wohnwagen, Tiny Houses? Kann man eine Unterkunft bloss mieten?
3
Erkundigen Sie sich nach den
Bestimmungen der Gemeinde, in welcher sich der Campingplatz befindet.
Weitere Infos: Schweiz. Camping- und Caravaning-Verband, sccv.ch