Wer das Bewerbungsformular für eine Wohnung korrekt ausfüllt, hat schon mal gute Karten. Und wer zudem einen Begleitbrief verfasst, noch die besseren. Simon Bichsel, Leiter Bewirtschaftung Wohnhäuser bei Von Graffenried AG Liegenschaften, gibt im WohnBär-Gespräch wertvolle Tipps.
Simon Bichsel, wie entwickelt sich derzeit der Wohnungsmarkt in Bern?
Die Leute verhalten sich zurzeit ruhig, es gibt wenig Mieterwechsel. Ich sehe das im Zusammenhang mit den Mietzinserhöhungen der letzten Monate. Bezahlbarer Wohnraum, vor allem in der Stadt, ist rar geworden.
Wie hoch ist aktuell der Leerwohnungsbestand?
Am Stichtag 1. Juni 2024 lag die Leerwohnungsziffer der Stadt Bern bei 0,44 Prozent und blieb damit praktisch auf der Höhe vom Vorjahr. Das zeigen statistische Auswertungen im aktuellen Bericht «Zählung der leer stehenden Wohnungen in der Stadt Bern am 1. Juni 2024». Dieser wird jährlich durch Statistik Stadt Bern erstellt. Bei den von uns bewirtschafteten Liegenschaften liegt die durchschnittliche Leerwohnungsziffer bei 1,4 Prozent, aber wir sind nicht nur in der Stadt tätig, sondern auch im Espace Mittelland.
Wo haben Sie die meisten freien Wohnungen?
Im Oberaargau.
Worauf führen Sie das zurück?
In dieser Region wird sehr viel gebaut, das Angebot ist sehr gross, bei älteren Wohnungen herrscht grösserer Investitionsbedarf. Kommt dazu, dass Langenthal nicht ideal an die Autobahn angebunden ist.
Inserieren Sie alle freiwerdenden Wohnungen?
Wir sind immer aktuell präsent auf unserer Homepage über Newhome und auf den gängigen elektronischen Immobilien-Plattformen. In Printmedien inserieren wir nur noch selten.
1,4 %
beträgt der Leerwohnungsbestand
bei den durch Von Graffenried AG verwalteten
Liegenschaften in Bern und Espace Mittelland.
Gibt es Wartelisten?
Wir haben uns in letzter Zeit von Wartelisten mehrheitlich verabschiedet, vor allem bei gut laufenden Objekten. Bei Alterswohnungen hatten wir zum Beispiel etwa hundert Interessenten auf der Warteliste, von diesen hundert sagte eine Person zu. Der Aufwand mit telefonischen Nachfragen war riesig und stand in keinem Verhältnis zum Erfolg.
Was passiert, wenn Sie der Mieterschaft wegen Totalsanierung kündigen müssen?
Wenn die Bewohnbarkeit wegen der Sanierung nicht mehr zumutbar ist, müssen wir – in Absprache mit dem Liegenschaftseigentümer – kündigen, was für die meisten Betroffenen verständlicherweise oft einem Schock gleichkommt. Wir sind aber bei der Wohnungssuche behilflich, suchen nach Anschluss- oder Übergangslösungen. Durch unser grosses Netzwerk finden wir meist geeignete Lösungen; wir lassen die Mietenden also nicht im Stich. Erstaunlicherweise organisieren sich die Leute in den meisten Fällen aber selber und werden kreativ.
Welche Anforderungen stellen Sie an den «idealen Mieter»?
Wenn unser Anmeldeformular gewissenhaft, vollständig und ehrlich ausgefüllt ist, hat der Bewerber schon viel gewonnen! Leider gibt es relativ viele Anmeldungen, die lückenhaft ausgefüllt sind, wenn zum Beispiel Unterlagen wie ein Betreibungsregisterauszug fehlen. Das ergibt schon mal ein schlechtes Bild. Bei Familienwohnungen haben naturgemäss Familien bessere Chancen als eine Einzelperson, auch wenn diese das Formular seriös ausgefüllt hat.
Haben auch ältere Menschen eine Chance, bei Ihnen eine Wohnung zu erhalten?
Ja, auf jeden Fall! Es ist auch dort wesentlich, welche Liegenschaft man sich aussucht. Wenn in einer Liegenschaft mehrheitlich ältere Personen wohnen, möchten wir dort die Mieterstruktur nach Möglichkeit beibehalten. Jedes Alter hat eine Chance!
Populär sind Wohngemeinschaften. Welche Erfahrungen machen Sie diesbezüglich?
Die Regeln gelten für alle. Wichtig ist auch hier die Zusammensetzung des gesamten Wohnhauses. Es ist beispielsweise suboptimal, eine WG in einen weniger gut isolierten Altbau zu platzieren. WGs sind in der Regel einfach etwas lauter unterwegs. So sind sie eher geeignet für Neubauten, wo die Lärmdämmung besser ist.
Ist bei Ihnen allein das Bewerbungsformular massgebend?
Nicht wenige Bewerbende reichen das Formular mit einem Begleitbrief und Foto ein. Obwohl nur das Formular notwendig ist, bewirkt ein ansprechender Brief mit sympathischem Foto schon etwas. Der Nachteil und die Gefahr des Fotos ist die subjektive Beurteilung nach «sympathisch/unsympathisch». Aber in der Mehrzahl der Fälle hilft der Begleitbrief für unsere Beurteilung. Er berührt die emotionale Seite. Wichtig bei uns sind jeweils auch die Informationen des bisherigen Vermieters zu den Interessenten, die sich bei uns bewerben. Die Immobilien-Bewirtschafter auf dem Platz Bern sind wie eine grosse Familie, wir geben einander ehrliche und differenzierte Auskünfte. Auf dem Bewerbungsformular muss die Interessentin/der Interessent aber explizit die Erlaubnis für die Einholung einer Auskunft erteilen. Auf diese Auskünfte legen wir grossen Wert bei der Beurteilung.