Erster in der Jahreswertung, Siege auf der Rigi und der Schwägalp, beim Bernisch Kantonalen, Mittelländischen, Oberaargauischen, Oberländischen und zuletzt beim Saisonhöhepunkt, dem Jubiläumsschwinget 125 Jahre Schweizerischer Schwingerverband. Fabian Staudenmann ist wie im Vorjahr der beste, solideste und erfolgreichste Schwinger des Landes – seit mehr als einem Jahr ohne Niederlage.
Hat das 24-jährige Kraftpaket aus Guggisberg vor einem anstehenden Gang sein Ritual absolviert, sich am Brunnen erfrischt, die Hände mit Sägemehl eingerieben und vor dem Greifen mit der Zunge Zeige- und Mittelfinger berührt, bleibt dem Gegner meist nur das Nachsehen. «Der stets gleiche Ablauf ist wichtig, es ist vergleichbar mit einem Boxer, der den Ring betritt. Das Nässen am Brunnen, das Berühren des Sägemehls, das machte ich schon immer, das Fingerlecken dagegen kam schleichend, ich weiss gar nicht, wann das begann, eventuell hatte ich einmal das Gefühl, die Hände seien beim Greifen zu trocken und seither gehört es einfach dazu», meint Staudenmann zu seiner letzten Kampfvorbereitung. Dieser stets gleiche Ablauf dient ihm dazu, in den Wettkampf zu finden, sich sozusagen reinzuleben. «Anderen gelingt dies praktisch auf Knopfdruck, mir nicht. Ich muss eine gewisse Aggressivität aufbauen, die es braucht, um in einem Zweikampfsport erfolgreich zu sein.»
Es versteht sich von selbst, dass der «Überschwinger» nach so vielen Erfolgserlebnissen vor Selbstvertrauen strotzt, doch das ändert nichts an der Tatsache, dass er jeden Gegner ernst nimmt. «Wer den Eindruck gewinnt, dass ich meiner Sache immer sicher bin, liegt falsch. Die Favoritenrolle empfinde ich eher als eine Bürde, ich weiss, dass die Erwartungshaltung der Zuschauer sehr hoch ist.» Staudenmann ist sich bewusst, dass der Grat zwischen Selbstvertrauen und Überheblichkeit sehr schmal ist. Auch deshalb bleibt er stets bescheiden und demütig.
Immer besser werden
Vor Saisonbeginn sagte Fabian Staudenmann im Gespräch mit dem BärnerBär: «Ich will mich weiter verbessern, nicht nur in Form von Resultaten, sondern auch schwingtechnisch. Es wäre utopisch, die Resultate der Vorsaison noch toppen zu wollen, doch in technischer Hinsicht ist ein Schwinger nie komplett. Es gibt immer Sachen, die man verbessern kann und an all diesen kleinen Details habe ich in der Winterpause minutiös gearbeitet.» Wo und wie er sich verbessern wollte, blieb damals sein Geheimnis, das er nun lüftet: «In technischer, taktischer und körperlicher Hinsicht ging es noch einmal vorwärts, doch ich hatte mir vor allem vorgenommen, überzeugter aufzutreten, zwischen den Gängen lockerer zu werden und abzuschalten. Das ist mir gelungen, am besten beim Oberaargauischen, als ich schon mit einer sehr guten Laune erwachte, auf dem Weg nach Burgdorf im Auto gesungen habe und mich richtig auf den Tag freute.»
In diesem Jahr die grosse Euphorie
«Nach der Niederlage gegen Samuel Giger am Unspunnen blieb im Vorjahr die ganz grosse Euphorie aus, diesmal war es in Appenzell ganz anders, es gelang auch der Saisonabschluss», sagt Staudenmann. Nach dem Ärger am Morgen, als die Richter am Tisch wohl noch nicht ganz wach waren und Staudenmann nach einem sehr aktiven Kampf gegen Werner Schlegel statt mit einer verdienten 9 mit 8,75 bestraften, folgte im Schlussgang der grosse Jubel mit dem Sieg über Armon Orlik. Nach der Preisverleihung lud Staudenmann im Festzelt seine Berner Kollegen zu einem Umtrunk ein, der bis weit nach Mitternacht dauerte und dafür sorgte, dass die 10 000 Franken, die er für den Siegermuni erhielt, ein bisschen minderten.
Festivitäten, Erholung, Studium
Nach der Rückfahrt aus Appenzell, welche das Gros der Berner Delegation erst am Tag nach dem Fest unter die Räder nahm, folgten für den Dominator der Saison diverse Festivitäten. Vergangene Woche lud der Schwingklub Schwarzenburg den Jubiläumssieger und seine erfolgreichen Kollegen ein, geplant ist ebenso ein Empfang der Gemeinde Schwarzenburg – dann endlich kann sich Staudenmann erholen, die diversen «Brästeli» pflegen, die jeden Schwinger Ende Saison plagen, und ganz sachte wieder an sein Mathematikstudium denken, denn Ende Oktober geht es bereits wieder los. «Ein strenger Winter steht mir bevor. Mir bleiben sieben bis acht Monate Zeit, um mich auf die nächste Saison vorzubereiten.» Wie vor einem Jahr, will sich Staudenmann noch weiter verbessern. «Das ist immer möglich und muss in den Trainings stets das Ziel sein. Nach wie vor gibt es viele Punkte, wo ich mich steigern kann. Erst wenn ein Schwinger die Karriere beendet hat, braucht er sich nicht mehr solche Gedanken zu machen.»
An Motivation und Trainingsfleiss wird es Fabian Staudenmann in den nächsten Monaten nicht fehlen, wenn er in den Trainings bei Matthias Glarner und Michel Olivari ins Schwitzen kommen wird. Der 30. und 31. August 2025 sind im Kalender fett angestrichen. An diesen Tagen will der beste Schwinger der letzten zwei Jahre das Erbe seiner Vorgänger Hunsperger, Roschi, Käser, Rüfenacht, Wenger, Sempach, Glarner und Stucki antreten und sich in Glarus zum König krönen lassen.