Es war ein weiser Entscheid, den der achtfache OL-Weltmeister Matthias Kyburz im Hinblick auf diese Saison fällte. Dank dem Disziplinenwechsel von OL auf Marathon kann der beste Orientierungsläufer der letzten Jahre an den Olympischen Spielen teilnehmen. Im ersten bestrittenen Marathon erreichte er die geforderte Limite und steht am 10. August in Paris beim Hôtel de Ville am Start, wenn es auf die 42,195 km lange Strecke geht.
Die Konkurrenz, welcher der Berner dann gegenübersteht, hat es in sich. Erfahrungsgemäss kommen die weltbesten Marathonläufer aus Kenia, Äthiopien und Eritrea, umso bemerkenswerter, dass Matthias Kyburz bei seinem ersten Marathon, der ihm die Olympia-Qualifikation einbrachte, als Siebenter und schnellster Europäer die Ziellinie überquerte. Die Olympiastrecke wird eine andere sein als die Route, auf der sich Kyburz seine Olympia-Qualifikation erlief. Dies könnte zu einem der Trümpfe des Mannes werden, der sportlich keine Grenzen zu kennen scheint, dessen Körper robust ist und auch hohe Belastungen erträgt.
438 Meter Höhendifferenz
Die Höhendifferenz vom Start bis ins Ziel am Invalidendom beträgt 438 Meter, die höchste Steigung 13,5 Prozent, was sich durchaus als Vorteil erweisen könnte, ist sich Kyburz doch gewohnt, im OL auch bergauf zu laufen und Steigungen zu überwinden. «Ein klares Ziel habe ich mir nicht gesteckt, das ist auch nicht möglich, denn die Besten der Welt stehen am Start. Aber eine Taktik habe ich mir schon zurechtgelegt. Ich muss Geduld haben, clever laufen und mich am Anfang nicht unter Druck setzen lassen, wenn ein horrendes Tempo angeschlagen wird, so dass ich am Schluss noch zusetzen und mich rangmässig verbessern kann, wie dies auch bei meinem ersten Marathon der Fall war.» Während des Laufs werden die Betreuerinnen und Betreuer von Swiss Althetics und Swiss Olympic bei den acht Verpflegungsständen dafür sorgen, dass Kyburz mit genügend Tranksame und Energiespendern versorgt wird.
Vorbereitung in St. Moritz
Vorbereitet hat sich Matthias Kyburz während fünfeinhalb Wochen in der Höhe von St. Moritz, wie dies Ausdauersportler seit vielen Jahren tun, um dank den veränderten Sauerstoffbedingungen mehr rote Blutkörperchen zu produzieren, sodass mehr Sauerstoff transportiert werden kann. In St. Moritz traf Kyburz den Europameister und 16-fachen Deutschen Meister Richard Ringer, mit dem er Trainingseinheiten absolvierte. «Er brachte mich ganz schön ins Schwitzen», erzählt Kyburz, was etwas heissen will, denn der Formstand des Berner Olympioniken könnte besser nicht sein. «Ich sitze im Zug, bin auf der Heimreise aus St. Moritz und laufe heute Abend noch den Ägeriseelauf», berichtet Kyburz, als wir ihn am Telefon erreichen. Der Blick auf die Ergebnisse beim 14,2 km langen Lauf um den Ägerisee macht es tags darauf deutlich: St. Moritz war nicht umsonst. Kyburz gewann das Rennen mit eineinhalb Minuten Vorsprung auf den Zweiten und einem Kilometer-Durchschnitt von klar unter drei Minuten. Wer das Olympia-Rennen nicht selbst am Rande der Strecke verfolgen kann, tut also gut daran, am 10. August ab 8 Uhr das Rennen auf SRF zu verfolgen, wenn sich Matthias Kyburz anschickt, einen weiteren Beweis seines ausserordentlichen Könnens und seiner taktischen Schlauheit zu beweisen.
Ruhe vor dem Sturm
In den verblebenden Tagen vor dem Rennen wird es Kyburz ruhig angehen und seine Kräfte schonen. Lockeres Laufen ist angesagt, weder hohe Belastungen noch lange Strecken, damit der Körper keine Energie verliert. Der Berner reiste am letzten Freitag für die Eröffnungsfeier nach Paris und kehrte tags darauf in die Schweiz zurück. Die definitive Anreise erfolgt am Mittwoch, 7. August, drei Tage vor dem Rennen. Wie die anderen Schweizer Olympia-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer wohnt Kyburz im Olympischen Dorf im Norden der französischen Hauptstadt.
Nach Olympia ist vor der OL-WM in Finnland, wo sich Kyburz im kommenden Jahr anschickt, seine bereits ansehnliche Medaillensammlung weiter zu vergrössern.